Symphonia Momentum
aldilá ARCD 004
1 CD • 79min • 2010
08.05.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Grau in Grau das CD-Cover, farblos und ein-tönig das Innenleben? Ganz im Gegenteil. Zwar bewegt sich der Grundton der hier eingespielten Musik – von einigen Aufhellungen abgesehen – größtenteils zwischen Wehmut und Trauer. Trotzdem ist diese CD dazu angetan, einem den Atem zu verschlagen, ja fast sprachlos zu machen; das gilt für die Werke an sich, ihre dramaturgische Anordnung, wie auch für deren farbintensive Ausführung durch Christoph Schlüren und das junge Streichorchester Symphonia Momentum.
Neu- und Wiederentdeckungen von größtenteils unbekannter Musik unserer Zeit, gekoppelt mit bekannterem Repertoire vergangener Jahrhunderte – das haben sich Schlüren und sein Ensemble auf die Fahne geschrieben, seien es nun Originale oder Kammermusik-Bearbeitungen für Streichorchester. Entsprechend liest sich das Programm des hier eingefangenen Mitschnitts eines Berliner Konzerts vom November 2010. Der Kopfsatz aus Mozarts Dissonanzenquartett KV 465 und die Cavatina aus Beethovens Streichquartett B-Dur op. 130, eingebettet in Werke dieses und des vergangenen Jahrhunderts: Reinhard Schwarz-Schillings (1904-1985) ausladendes Streichquartett f-Moll von 1932, Peter Michael Hamels (geb. 1947) Ulisono für 14 Solostreicher von 2010, Arvo Pärts Orient & Occident aus dem Jahr 2000 sowie eine Komposition für Violine solo, In medias des Schweden Anders Eliasson (1947-2013) von 1971.
Leidenschaft ist das Wort, welches mir am passendsten erscheint für die Musik und deren Ausführung. Hingebungsvoll ist sie in jedem Moment. Unweigerlich zieht sie den Hörer hinein in das bezwingende musikalische Geschehen, dessen zutiefst deklamatorische Ausformung ihre wunderbare Entsprechung in der rhetorisch aufgeladenen Wiedergabe durch Christoph Schlüren und sein fabelhaft disponiertes Ensemble findet. Der CD-Untertitel „Deklamatorischer Kontrapunkt“ hätte also gar nicht treffender gewählt werden können. Schlüren setzt ihn aber explizit in Beziehung zu dem Kaminski-Schüler Reinhard Schwarz-Schilling und seinem f-Moll-Quartett: Eine sinfonische Faktur, drängende Expressivität, kunstvoll verästelte Polyphonie, und ein herber, zwischen einer Bachschen Passionsmusik und spätromantisch Brucknerscher Sinfonik pendelnder Tonfall sind seine Charakteristika. Man könnte das Quartett durchaus auch als eine Musik von ekstatischer Dimension beschreiben, ebenso Arvo Pärts dramatisches wie meditatives Orient & Occident, welches westlich geprägte akkordische Dichte mit orientalischer Melodik und Spieltechnik vereint; oder der stilistische Schmelztiegel Ulisono von Peter Michael Hamel, wo Zeitgenössisches, Tango und Jazz sowie wiederum westliche und östliche Elemente eine faszinierende Verbindung eingehen. Nicht vergessen werden darf das klanglich verwegene, einerseits tonal vollkommen frei, andererseits aber aufgrund motivischer Beziehungen absolut zwingend wirkende In medias von Anders Eliasson, das wohl kaum elektrisierender vorgetragen werden kann als in diesem Konzertmitschnitt von der Violin-Solistin Rebekka Hartmann.
All diesen Werken – natürlich auch dem nach seiner kühnen langsamen Einleitung bisweilen vollkommen unbeschwert daherkommenden Kopfsatz aus Mozarts Dissonanzen-Quartett und Beethovens tröstlich wirkender, dabei so ausdrucksgewaltigen Cavatina – gewinnen Schlüren und seine 20 jungen Streicher eine so unverbrauchte Energie und eine so faszinierende Ausdrucksvielfalt und -nuanciertheit ab, wie es nur durch unbedingte Hingabe an das jeweilige Werk zu erreichen ist. Und dann wäre da noch der fast schon als ätherische zu bezeichnende Klang der Symphonia Momentum ...
Christof Jetzschke [08.05.2014]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Reinhard Schwarz-Schilling | ||
1 | Symphony for Strings f-Moll (String Quartet) | 00:40:39 |
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
4 | String Quartet No. 19 C major KV 465 (Dissonance) | 00:09:00 |
Peter Michael Hamel | ||
5 | Ulisono für 14 Streicher (in memoriam Ulrich Stranz 2010) | 00:07:24 |
Anders Eliasson | ||
6 | In medias für Violine solo (1947) | 00:06:54 |
Arvo Pärt | ||
7 | Okzident-Orient | 00:08:13 |
Ludwig van Beethoven | ||
8 | Streichquartett No. 13 B flat major op. 130 | 00:06:45 |
Interpreten der Einspielung
- Helmut Nicolai (Viola)
- Rebekka Hartmann (Violine)
- Symphonia Momentum (Orchester)
- Christoph Schlüren (Dirigent)