Pétur Sakari The Great Organ of Saint-Étienne-Du-Mont, Paris
BIS 1969
1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2013
09.06.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Obwohl er sich, rein formal gesehen, noch im Studium befindet, kann man Pétur Sakari zumindest nach dem Hören dieses Orgelrezitals getrost als eine außergewöhnlich talentierte Musikerpersönlichkeit bezeichnen. Technische Grenzen scheint es für ihn nicht zu geben, er stürzt sich mit ansteckender Kühnheit in so horrend schwierige Stücke wie das erste der berüchtigten Präludien und Fugen op. 7 Marcel Duprés hinein und meistert sie bravourös. Doch dieses Rezital, welches die Orgel der Pariser Saint-Étienne porträtiert, erhält hohe künstlerische Bedeutung auch dadurch, dass Sakari mit sicherem Instinkt zwischen virtuosen, ja, halsbrecherischen und ruhigeren, meditativen Stücken wechselt und somit auch an die Gesamtwirkung des ganzen Programms denkt. Wohlgemerkt handelt es sich bei dieser Produktion nicht um sein Debütalbum – das hat er bereits vor Jahren vorgelegt.
Der gerade einmal Anfang zwanzigjährige Finne ist derzeit Schüler von Thierry Escaich, dem Nachfolger Maurice Duruflés an eben dieser traditionsreichen Pariser Orgel, und studiert gleichzeitig noch bei Vincent Warnier, der seinerzeit Schüler von Duruflés Frau war. Es ist Sakari also leicht zuzutrauen, dass er zu diesem modernen französischen Repertoire gleichsam eine Eingeweihtenbeziehung hat. Diese nachweisliche Filiation ergänzt also sein Spieltemperament und seine interpretatorische Phantasie, die sich auch über Tonträger verlustlos auf den Hörer überträgt. Begeisternd ist etwa, welche Ausdruckspalette er in den vier geschickt ausgewählten Studien aus der großen Sammlung Louis Viernes Pièces de Fantaisie entwirft: eine wunderbar innige Atmosphäre etwa in Clair de Lune, überwältigende Pracht in der Toccata, irrlichternde Gesichte im Impromptu und phantastische Situationen schließlich in der abwechslungsreichen Studie über das berühmte Big-Ben-Glockenmotiv, das durch den Komponisten auf überraschende Weise immer neu beleuchtet wird. Besonders in Clair de Lune, aber auch der versunkenen Meditation Le Banquet Céleste des frühen Olivier Messiaen, zeigt sich Sakaris Fähigkeit, mit höchster Konzentration eine formale Einheit herzustellen.
Eingerahmt wird dieses Programm durch zwei Arbeiten Duruflés. An den Anfang stellte Sakari Charles Tournemires Improvisation über den Osterchoral Victimae paschali laudes in Duruflés Transkription, welche kürzlich auch die deutsche Organistin Iris Rieg auf ihrer schönen „Orgeltanz“-CD (Motette 13931) vorgestellt hatte. Der Vergleich ist aufschlußreich: Rieg spielt die Improvisation an der Klaisorgel der Kölner Trinitatiskirche als einen großen Wurf, der durch die prachtvolle Registrierung stark nach außen wirkt, in einem Zug durch. Pétur Sakari geht dagegen stärker differenzierend vor, bietet durch intimere Registrierungen mehr Zwischentöne, besonders in den zurückgehaltenen mittleren Passagen. Dabei kann keiner der beiden sehr unterschiedlichen Interpretationen der Vorzug gegeben werden, da beide auf mitreißende Weise das improvisatorische Moment der von Maurice Duruflé nachgezeichneten Improvisation mitteilen können. Die große Suite op. 5 Duruflés schließlich ist auf vorliegendem Programm dazu angetan, den immensen Klangreichtum der Pariser Orgel voll auszuloten. Unbedingt hörenswert ist dieses Rezital nicht zuletzt auch wegen der angenehmen klangtechnischen Abbildung – vom finnischen Wunderorganisten Pétur Sakari aber wird man noch viel hören.
Prof. Michael B. Weiß [09.06.2014]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Charles Tournemire | ||
1 | Victimae paschali (Choral-Improvisation) | 00:10:00 |
Louis Vierne | ||
2 | Pièces des Fantaisie op. 54 (daraus: Nr. 3 Carillon de Westminster) | 00:23:39 |
Olivier Messiaen | ||
6 | Le Banquet Céleste (Méditation pour la Fête du Saint-Sacrement) | 00:07:43 |
Marcel Dupré | ||
7 | Prélude et Fugue B-Dur op. 7 Nr. 1 | 00:06:54 |
Maurice Duruflé | ||
8 | Suite op. 5 | 00:24:46 |
Interpreten der Einspielung
- Pétur Sakari (Orgel)