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Besprechung CD

Eugen d'Albert

String Quartets 1 & 2

cpo 555 012-2

1 CD • 65min • 2015

12.05.2016

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

„Die ersten sollen die letzten sein!” Diese biblische These gilt nicht bloß für die Passagiere japanischer U-Bahnen. Er gilt auch für die vorliegende CD, deren Verantwortliche gut beraten waren, die zeitliche Reihenfolge der beiden Werke umzukehren und so dafür zu sorgen, dass das weitaus bessere, originellere und mitreißende zweite Streichquartett des komponierenden Virtuosen oder virtuosen Komponisten Eugen d’Albert vor seinem älteren Pendant zu hören ist. Andernfalls müssten wir uns zunächst durch das Variationsfinale des 1886 abgeschlossenen Opus 7 hindurcharbeiten, um ins musikalische Schlaraffenland des Opus 11 zu gelangen – und das wäre eine rechte Plackerei: Aus dem sehr informativen, erfreulich zitathaltigen Beiheft erfahren wir, dass sich der junge Komponist standhaft geweigert habe, den Rat des nachmaligen Widmungsträgers Josef Joachim zu befolgen und die eine oder andere Sperrigkeit zu beseitigen – was gerade beim letzten Satz unbedingt nötig gewesen wäre. Denn der ist mit seinen knapp elf Minuten sowohl der längste als auch der langwierigste Teil des Werkes, dessen Menge an Veränderungen der Stringenz des Aufbaus und der Kurzweiligkeit nicht eben dienlich ist.

Von ganz anderem Kaliber ist das 1893 vollendete Streichquartett Nr. 2 Es-Dur op. 11, das der inzwischen 29-jährige Komponist dem Übervater Johannes Brahms gewidmet hat – der übrigens, wie gleichfalls im Einführungstext vermerkt, wieder einmal an der Stelle einer gewünschten Expertise eines jener notorischen Ausweichmanöver formulierte, unter denen beispielsweise auch Heinrich von Herzogenberg immerfort hat leiden dürfen: Wie gern er, wenn er nicht so in Eile gewesen wäre, mit Behagen mehr über die Komposition geschrieben, wie gern er ausführlicher gedankt hätte ...

Hätte er mal besser! Denn dieses Quartett ist eine wahre Freude, ich möchte sogar sagen: eine wahrhaftige Entdeckung vom ersten bis zum letzten Takt. Gleich im Andante con moto überrascht uns d’Albert mit eigenwilligen Wendungen, mit dramatischen Verdichtungen und eigenartigen „Morsezeichen” (asymmetrisch anmutenden Sechzehntel-Repetitionen), die als Signale eine immer größere strukturelle und motivische Bedeutung erlangen und dem Satz eine ungeheure Innenspannung mitteilen, an der man sich recht wird „festhören” können.

Das an zweiter Stelle folgende Scherzo ist geradezu ein Phänomen: Anfangs schwirren hier die Feen aus Mendelssohns luftigsten Phantasien über die leise gekräuselten Quellwasser der Moldau, doch bald mengen kleine Kapriolen metrisch-rhythmischer Natur ins Spiel (raffinierte Taktwechsel bis zum 5/4), und nach einer kleinen Weile regt sich die Vermutung, dass Gustav Mahler auf der Suche nach der ersten Nachtmusik seiner siebten Symphonie an dieser Partitur nicht völlig teilnahmslos vorübergegangen ist.

Ganz vorzüglich ist auch das Adagio ma non troppo, worin eine Abart der „Morsezeichen“ auf zyklische Absichten deutet und im Zusammenwirken mit den stratosphärisch hohen Bögen der ersten Geige tatsächlich in jener „molto espressione” gipfelt, die der Verfasser von den Ausführenden fordert – und mit größtem Vergnügen sei bemerkt, dass auch das vielbeschworene Finalproblem in diesem Werk mit vortrefflicher Überzeugungskraft gelöst ist.

Dass sich die vier Herren des Reinhold-Quartetts auf dem dank- und fruchtbaren Boden des Opus 11 mit deutlich vermehrtem Engagement betätigen, liegt auf der Hand: Wo die Brahms-Anteile um höchste Prozentsätze geringer sind als noch ein paar Jahre früher, tritt eine ausgeprägte Persönlichkeit in den Vordergrund, deren nuancierte Gesichtszüge auszuforschen offenkundig ein erhebliches Vergnügen darstellte. Was nicht heißen soll, dass die ältere Komposition etwa nachlässig oder beiläufig eingespielt worden wäre. Sie „zieht“ einfach nicht im gleichen Maße wie das Es-Dur-Quartett, ihre Schönheiten treiben auf vielen Absichtlichkeiten dahin – und das vielfältig vor sich hin variierende Finale ist gewiss kein aufs Innigste zu wünschendes Ziel. Weshalb es auch dort, wo es auf der CD zu finden ist, am besten aufgehoben ist.

Rasmus van Rijn [12.05.2016]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Eugène D' Albert
1Streichquartett Es-Dur op. 11 00:30:07
5Streichquartett a-Moll op. 7 00:35:10

Interpreten der Einspielung

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