ARD Music Competition 2016 Award Winner
Aris Quartett
Genuin GEN 17478
1 CD • 70min • 2017
26.10.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es sei, so erfahren wir aus den „Biografischen Anmerkungen“ des Beiheftes, den Künstlern des Aris Quartetts „ein wichtiges Anliegen, dem Publikum Emotionen und Leidenschaften der Musik zu vermitteln”. Sentenzen wie diese, für die der Begriff des Allgemeinplatzes noch zu freundlich gewählt ist, sollten in der Geschichte eines Ensembles, das im Laufe seines bislang achtjährigen Bestehens schon rund ein Dutzend höchster Auszeichnungen eingeheimst hat, einfach fehlen: Was hätten die vier jungen Leute wohl von den gestandenen Kollegen des Artemis Quartetts, was vom legendären Günter Pichler gelernt, wenn nicht das, was da mit kindlich-wichtiger Miene niedergeschrieben (oder ausgesprochen) ward? Die Kernaussage ist umso lustiger, als schon nach den ersten zwei Takten des dritten Rasumowsky-Quartetts feststeht, das sich das Publikum ganz zweifellos auf etwas gefaßt machen darf, das es in sich hat. Allein der akkordische Ausbruch mit seinem diminuendo und das nachfolgende pianissimo sind in einem Bogen konzipiert, der nicht gewollt, sondern empfunden, nicht erdacht, sondern erlebt ist – und so geht es über die gesamte Strecke des köstlichen Werkes, dem ich lange nicht mehr so intensiv und höchst vergnügt zugehört habe. Die perfekt sitzenden sforzati, die schön ausgespielten Exotismen des zweiten Satzes, die völlig entwaffnende Schlußfuge und endlich der überwältigende „Radau”, mit dem das Stück über die Ziellinie rauscht: Da erwachte prompt der Wunsch, es könnten die zahlreichen Sponsoren der fabelhaften Truppe eins draufsetzen und der hier vorliegenden Belohnungsproduktion des ARD-Wettbewerbs gleich noch die zwei andern „59-er” folgen lassen.
Es wäre dann freilich darauf zu achten, die zwar undefinierbaren, mitunter aber nicht eben beglückenden Nebengeräusche auszumerzen, die da in der Festeburgkirche zu Frankfurt am Main im April (welchen Jahres?) mitgenommen wurden: Sind das leise Nieser und Seufzer eines ungenannten Publikums – oder nur die emotionalen Zutaten der Musiker, die ihren Phrasen eine gewisse Körperlichkeit mitteilen wollen?
Dieselbe Eigentümlichkeit prägt weite Bereiche des cis-Moll-Quartetts, für dessen Interpretation mutatis mutandis dasselbe gilt wie für das vorige Werk: Die vier jungen Leute stemmen die Fuge ebenso kraftvoll wie harmonisch empor, fesseln mit dem anschließenden Allegro molto vivace, ohne dabei die Sinne zu betäuben, sind in den rezitativischen Phasen wahre „Überredungskünstler” und treffen dort, wo’s hingehört, den berühmten derben Humor des „Titanen” auf den Punkt – die knurrigen vier Viertel des Cellos im fünften Satze (Presto) und der Kartätschenhagel der allgemeinen Pizzikati etwa kommen überdies genau richtig, um die leichte Schwächephase der voraufgegangenen NeunViertel-Regionen vergessen zu machen, deren Innerlichkeit sich noch ein wenig weiter wird öffnen müssen.
Alles in allem ist auch diese dritte Veröffentlichung des Aris Quartetts (zwei Recitals sind 2015 und 2016 bei Telos erschienen) jedenfalls ein mehr als verheißungsvolles Signal: Wer jetzt schon so mit Beethoven umgehen und selbst in den zerklüfteten Riesen der späten Jahre nicht nur den roten Bereich des Manometers ansteuert, der kann und wird es noch weit bringen.
Rasmus van Rijn [26.10.2017]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Streichquartett Nr. 9 C-Dur op. 59 Nr. 3 | 00:31:20 |
5 | Streichquartett Nr. 14 cis-Moll op. 131 | 00:38:05 |
Interpreten der Einspielung
- Aris Quartett (Streichquartett)