Attacca
Aris Quartett
Genuin GEN 21736
1 CD • 61min • 2020
03.08.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die neueste Einspielung des Aris-Quartetts enthält ein interessantes Diptychon: Beethovens Quartett F-Dur op. 59,1 und das sich darauf beziehende 3. Streichquartett attacca von Gerald Resch, das der CD auch den Titel gab. Gerald Resch schrieb sein Streichquartett attacca im Jahre 2019 als Pendant zu Beethovens 59,1 für das Aris-Quartett. Zuvor waren ihm seitens der Interpreten Empfehlungen zur Werkfaktur mitgegeben worden: „Vorsicht mit Abbrüchen, nicht zu oft!“ „Sog entsteht, wenn alle gleich ticken.“ „Das Ohr soll etwas zum Verfolgen haben.“
Musik über Musik
Daraus entstand ein Werk, das einerseits Prinzipien des Gegenstücks aufnimmt, diese aber auf die konstruktive Idee befragt und diese Idee dann zur Anregung eigenen Gestaltens aufnimmt. Das Ergebnis kann sich hören lassen. Es erscheint als 22-minütiger Solitär, da alle Abschnitte „attacca“ ineinander übergehen. Doch in Wirklichkeit sind es vier Sätze, die durch ein variiertes Ritornell miteinander verknüpft werden. Es handelt sich somit um eine Aufnahme der Idee Mussorgskys, einzelne Bilder durch eine „Promenade“ zu verbinden und so eine Matrjoschka zu schaffen, in deren Corpus sich die einzelnen Sonatensätze befinden. Welch raffinierte Anspielung auf den russischen Auftraggeber von Beethovens op. 59! Hörer, die die Quartette von Bartók oder Schostakowitsch schätzen, dürften auch mit diesem Werk keine Probleme haben, das sich klanglich im Rahmen der „klassischen Moderne“ bewegt.
Beethoven à la russe
Beethovens op. 59 entstand als Auftragskomposition für den Sponsor des Schuppanzigh-Quartetts, den russischen Gesandten am österreichischen Hof, Graf Andrej Rasumowski. Die drei Werke wurden zunächst mit Befremden aufgenommen, avancierten später jedoch zu Modellkompositionen. op. 59, 1 geht formal neue Wege, indem das Scherzo als Sonatenhauptsatz ausgeführt wird und eine den Ecksätzen ungefähr gleiche Spieldauer erhält. Der gewichtigste Satz ist jedoch das melancholische Adagio, das Beethoven, der seine zukünftige Schwägerin hasste, als „Weiden- oder Akazienbaum auf das Grab meines Bruders“ bezeichnete. Dieses geht direkt in das Finale über, das dem Auftraggeber durch Verarbeitung eines russischen Volkslieds Referenz erweist.
Das Aris Quartett musiziert das Beethoven-Quartett auf sehr hohem Niveau. Die Tongebung ist schlank, das Vibrato wird gezielt eingesetzt, die immer sinnentsprechende Phrasierung macht das Hören zum Vergnügen. Die Intonation ist vorbildlich. Alles steht unter Spannung und erzählt eine Geschichte. Ebenso souverän werden die durchaus erheblichen Anforderungen an rhythmische Präzision, sauberste Intonation im gezackten Anfangsunisono des Ritornells und die mannigfaltigen Klangvaleurs in attacca von Gerald Resch umgesetzt.
Die Aufnahmetechnik stellt die vier Instrumente farbsatt und sauber in den Raum. Der Booklet-Text sollte auf jeden Fall gelesen werden, da Gerald Resch hier ausführlich darlegt, welche Gedanken ihn zu seinem dritten Streichquartett anregten.
Fazit: Ein CD, die sich besonders wegen des interessanten und spannenden neuen Quartetts von Gerald Resch lohnt. Wer sich davon überzeugen will, dass Werke des 21. Jhds. auch „klingen“ können, sollte zugreifen.
Thomas Baack [03.08.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gerald Resch | ||
1 | Streichquartett Nr. 3 (attacca) | 00:22:16 |
Ludwig van Beethoven | ||
5 | Streichquartett Nr. 7 F-Dur op. 59 Nr. 1 (Rasumowsky-Quartett Nr. 1) | 00:38:52 |
Interpreten der Einspielung
- Aris Quartett (Streichquartett)