Georg Friedrich Händel
Theodora
Coviello Classics COV 91732
2 CD • 1h 51min • 2015
19.01.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
In wenig mehr als einem Monat komponierte der üblicherweise in zügigem Tempo arbeitende Händel im Sommer 1749 das Oratorium Theodora. Das Stück, wiewohl schon der späten Schaffensperiode des Komponisten angehörig, ist nach dem Jugendwerk La Resurrezione und dem allseits berühmten Messiah Händels drittes Oratorium mit christlicher Thematik. Theodora war zu Händels Lebzeiten kein Erfolg beschieden – nach der Uraufführung am 16. März 1750 brachte es das Werk gerade auf zwei Wiederholungen. Händel allerdings selbst hielt große Stücke auf Theodora und reagierte angeblich gelassen, als er vor der Uraufführung erfuhr, dass das Theater fast leer war: „Macht nichts, dann klingt die Musik besser.“ Danach kam es zu Händels Lebzeiten nur noch zu einer Wiederaufführung am 5. März 1755, die von Händels Assistent John Christopher Smith jun. geleitet wurde. Es gibt, wie Nicholas McGegan in dem Begleittext seiner Einspielung ausführt, Hinweise darauf, dass Händel das Oratorium 1759 noch einmal zur Bearbeitung vornehmen wollte; doch wurde dieser Plan durch den Tod des Komponisten verhindert.
Heute darf Theodora, Händels vorletztes Oratorium, in der Publikumsgunst nahezu als rehabilitiert gelten, zwar wird das Stück nicht sehr häufig aufgeführt, doch existieren zahlreiche Einspielung auf allen Preisniveaus; die beiden unten als Vergleichsaufnahmen aufgeführten gehören qualitativ nach Ansicht des Rezensenten in die vordere Kategorie.
Mit ihnen hat sich also Ralf Ottos 2015 eingespielte Version zu messen. Im Präsentationstext der Plattenfirma für die Einspielung wird hervorgehoben, Otto habe das „dreistündige Original deutlich gestrafft“: Tatsächlich ist ein Drittel des Stücks dem Stift zum Opfer gefallen, dies geschah wohl mit Rücksicht auf die Aufführungen, die neben der Einspielung von Theodora stattfanden – für eine Einspielung eines Werks ist eine so radikale Kürzung bedauerlich, denn da fällt bei aller „Straffung“ immer viel wertvolle Musik unter den Tisch.
Die um Trio und Courante „gestraffte“ Ouvertüre hinterlässt mit dem deutlichen Bemühen um eine würdevolle Atmosphäre einen robusten Eindruck: Pathos überwiegt die Emphase. McGegan und Christie nutzen beide die kleine Suite mit einem kontemplativen Mittelsatz, die Händel dem Oratorium vorangestellt hat, dazu, das Publikum mit einem orchestralen Feuerwerk auf einen differenzierten Hörgenuss vorzubereiten.
Bei der Auswahl seiner Solistenbesetzung hat Otto eine glückliche Hand gehabt, einzig Nohad Becker fällt mit kräftigem Vibrato gegenüber ihren Kollegen etwas ab, obwohl sie als tiefster Mezzo der drei Aufnahmen in gutem Kontrast zu Hana Blažíková steht, die ihre Rolle als Titelheldin klangschön und einfühlsam gestaltet. Gleiches ist auch vom Altus Christian Rohrbach als Septimius, dem Tenor Georg Poplutz als Didymus und Daniel Ochoa, Bass, in der Rolle des Valens zu sagen. Leider erhalten die Sänger in ihrem Gestaltungsbemühen kaum Rückhalt im Orchester, das meistens mehr einen dramatisch inszenierten Hintergrund liefert als die innere Bewegung der handelnden Figuren mitzugestalten – und diese macht ja den eigentlichen Reiz dieses Oratoriums aus: Nicht durch den von Edelmut triefenden Märtyrerplot hat das Stück sich seinen vorderen Platz im Oratorienschaffen des Komponisten verdient, sondern durch seine ebenso liebevolle wie musikalisch tief gründende Ausdeutung der seelischen Vorgänge einer jeden Person. Hier sind Nicholas McGegan trotz seiner Vorliebe für schnelle Tempi bei Händel und ganz besonders William Christie der hier zu besprechenden Produktion eindeutig überlegen: Bei McGegan und Christie werden die Stimmen in einen orchestralen Hintergrund eingebettet, der die Gestaltung der in der Musik zum Ausdruck gebrachten Stimmungen unterstützt. Auch Ottos Chorszenen kommen gegen die Vergleichsaufnahmen nicht an, das meiste geht mehr in die Breite als in die Tiefe.
Fazit: Der Rezensent muss bekennen, dass es während intensiver Hörvergleiche nicht einen Track der hier zu besprechenden Einspielung gegeben hat, der ihm besser gefallen hätte als die entsprechenden Stücke beider Vergleichsaufnahmen.
Vergleichseinspielungen: Hunt, Lane, Minter, J. Thomas, D. Thomas; U. C. Berkeley Chamber Chorus; Philharmonia Baroque Orchestra, N. McGegan (Ltg.), AD: 1991, HMU 907060.62
Daneman, Galstian, Taylor, Croft, Berg; Les Arts Florissant, W. Christie (Ltg.), AD: 2000, Erato 082564098385
Detmar Huchting [19.01.2018]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Theodora HWV 68 (Oratorium in drei Teilen) | 01:51:23 |
Interpreten der Einspielung
- Hana Blažiková (Theodora - Sopran)
- Nohad Becker (Irene - Mezzosopran)
- Christian Rohrbach (Septimius - Countertenor)
- Georg Poplutz (Didymus - Tenor)
- Daniel Ochoa (Valens - Baß)
- Bachchor Mainz (Chor)
- Bachorchester Mainz (Orchester)
- Ralf Otto (Dirigent)