Brahms
Benjamin Engeli
Ars Produktion ARS 38 250
1 CD/SACD stereo/surround • 75min • 2017
02.05.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Benjamin Engeli hatte die hervorragende Idee, einmal diejenigen brahmschen Werke auf einer SACD zu vereinen, die sich auch noch mit pianistischem Hausverstand halbwegs anständig – wer registriert denn Schummeleien mit der rechten Hand in der Chaconne im Wohnzimmer? – bewältigen lassen. Hinsichtlich des Ergebnisses fällt mir nur das Epitheton „janusköpfig“ ein, woran auch das Aufnahmeteam einen erheblichen Anteil hat.
Der Klavier-Connaisseur sollte nach dem Einlesen der CD gleich die „7“ auf der Fernbedienung drücken, um den inspirierten Interpretationen des op. 117 und der herrlich barock artikulierten, klanglich eher von Gustav Leonhardt als Ferrucio Busoni inspirierten Chaconne-Bearbeitung zu lauschen. Hier ist auch die Tontechnik comme il faut und liefert einen farbigen und nuancierten Klavierklang.
Das „Schlaflied“ (117,1) wird mit warmem, dabei transparentem Klang gesungen, die Tempobeschleunigung bei der Wiederholung des A-Teils ist Geschmackssache. Das latent barocksierende b-Moll-Intermezzo erschien mir, bis ich den Schluss hörte, zunächst zu licht, flüchtig und zu wenig depressiv. Die Sinnhaftigkeit dieser Aufhellung ergibt sich allerdings ex posteriori, wenn der Mittelteil von op. 117,3 in exakt demselben Tempo genommen wird und sich damit die Trias schließt. Dadurch stimmen dann auch die Relationen der von Brahms avisierten Tempi: Andante moderato, Andante non troppo, Andante con moto. Das ist durchaus auf dem anrührenden Niveau eines Volodos oder Hamelin. Ein paar ungelenke Läufe bei 3’50 in der Chaconne werden durch das atemberaubende Diminuendo bei 7’40 mehr als wett gemacht.
Die Balladen und Rhapsodien seien den Klavier-Eleven empfohlen. Wenn sie wissen wollen, was sie von den Tasten her zunächst einmal realisieren müssen, sind sie hier zu 100 Prozent an der richtigen Adresse. Das ist metronomisch genau realisiert. Präziser kann man das „2 gegen 3“ in der 4. Ballade nicht serviert belkommen. Die Kuckucks-Terzen in der 3. Ballade gewinnen an bedrohlicher Deutlichkeit (Todesdrohung!).
Trotzdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Benjamin Engeli hier erheblich unter Wert verkauft. Literarisch betrachtet, sind Balladen und Rhapsodien zunächst einmal spannende Geschichten. Diese wollen erzählt werden. Jede Erzählung zielt entweder auf eine Katharsis oder eine Pointe, auf Rührung oder befreiendes Gelächter. Dieses Zielen auf einen Höhepunkt fehlt mir in seiner Interpretation der Opera 10 und 79. Die Spukgeschichte von op. 10,3 bedarf einer Spannung wie „Harry, Ron und Hermione im verbotenen Wald“. Die Rhapsodie in h-Moll erscheint betulich und kontrastarm. Dabei ist die Konkurrenz mit Lubimov, Gould, Argerich und Benedetti-Michelangeli erdrückend.
Auch ist die klangtechnische Erfahrung, bei diesen Werken mitten im einem Bösendorfer 280MC Flügel zu sitzen, eher verstörend. Wer hat dort bloß die Mikrophone verschoben? Oder war dies einmal wieder die 5+1 Abmischung, die mein TA 1245 R als Standard-CD und nicht als SACD erkennt?
Thomas Baack [02.05.2018]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Ballade d-Moll op. 10 Nr. 1 (Edward-Ballade) | 00:05:08 |
2 | Ballade D-Dur op. 10 Nr. 2 | 00:07:05 |
3 | Ballade h-Moll op. 10 Nr. 3 (Intermezzo) | 00:04:21 |
4 | Ballade H-Dur op. 10 Nr. 4 | 00:09:35 |
5 | Rhapsodie h-Moll op. 79 Nr. 1 | 00:09:42 |
6 | Rhapsodie g-Moll op. 79 Nr. 2 | 00:07:32 |
7 | Intermezzo Es-Dur op. 117 Nr. 1 | 00:05:31 |
8 | Intermezzo b-Moll op. 117 Nr. 2 | 00:04:42 |
9 | Intermezzo cis-Moll op. 117 Nr. 3 | 00:06:12 |
Johann Sebastian Bach | ||
10 | Ciaccona d minor BWV 1004 (from: Partita Nr. 2 d-Moll) | 00:15:08 |
Interpreten der Einspielung
- Benjamin Engeli (Klavier)