Karl Weigl
Cello Concerto • Cello Sonata
cpo 555 189-2
1 CD • 63min • 2017, 2018
02.05.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Karl Weigl (1881-1949), u.a. Schüler Alexander Zemlinskys, gehört zu den in Wien wirkenden Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die einerseits zwar mit ihren kompositorischen Mitteln eine Traditionslinie Brahms – Mahler fortsetzten, sich andererseits aber selbst eher als modern ansahen. Dazu zählen dann insbesondere noch Franz Schreker, Joseph Marx, in gewisser Weise Franz Schmidt und natürlich Erich Wolfgang Korngold. Im Gegensatz zu diesem – der sich nach seiner Emigration in die USA schnell mit Filmmusik einen Namen machte – konnte Karl Weigl, der erst nach dem Anschluss Österreichs 1938 dorthin floh, in seiner neuen Heimat nur schwer Fuß fassen, da er mit seiner ästhetischen Haltung allzu sehr zwischen den Stühlen stand, um noch populär zu werden.
Das Cellokonzert von 1934 hatte Weigl Casals, Feuermann und wohl auch Piatigorsky angeboten – tatsächlich erklingt es auf dieser CD zum allerersten Mal (!); eine Spätfolge des Gifts nationalsozialistischer Aufführungsverbote. Man hört ein veritables spätromantisches Konzert, im Kopfsatz mit markanter Thematik, häufigen Modulationen und geistvoller Orchesterbegleitung. Jedoch wirkt dessen abruptes Ende ohne Kadenz – wie auch im dritten Satz – merkwürdig irritierend. Das Larghetto ist eine einzige, großartige Kantilene, das Finale allerdings etwas kurzatmig und gerade durch seine scheinbare Volkstümlichkeit, die ständig durch schräge Überraschungen gebrochen wird, sehr nahe dran an Mahler. Raphael Wallfisch widmet sich dem Konzert, das Virtuosität nie explizit herausstellt, mit stets ausdrucksstarker Hingabe. Seine Tongebung ist von beeindruckender Substanz, nicht nur im Cantabile wird er seinem Ruf als einer der momentan weltbesten Cellisten jederzeit gerecht – besser kann man das nicht spielen! Ebenso engagiert sekundiert das Konzerthausorchester Berlin unter dem Australier Nicholas Milton. Genau trifft der Dirigent die Ambivalenz zwischen klassischer Form im Sinne Brahms‘ und den immer wieder vorhandenen, wienerischen Fin-de siècle-Ausreißern. Obwohl stärker als Weigls Klavierkonzert für Paul Wittgenstein, gelingt hier zwar eine echte Entdeckung; das Stück dürfte es allerdings neben anderen Ausgrabungen der Zeit (etwa dem doch interessanteren Konzert von Castelnuovo-Tedesco) weiterhin kaum ins Repertoire schaffen.
Noch klarer auf der Brahms-Schiene ist die Cellosonate von 1923 zu verorten, gleichermaßen dankbar für Cellisten wie Pianisten (hervorragend: Edward Rushton) – hier erreicht Weigl die Höhe der besten Gattungsbeiträge der Romantik. Die vorliegende Darbietung ist auf alle Fälle um Klassen besser als auf der Orion-Aufnahme von 1980. Ebenso faszinierend (diesmal begleitet von John York) die drei kleineren, bereits in Amerika entstandenen Werke: Der Wild Dance wäre ein toller Zugabenkracher. Trotz allem Lob zeigt sich Weigl in seiner Cellomusik insgesamt sehr konservativ; die Orchestersprache ist vielleicht doch zu konventionell, um allseits Aufmerksamkeit zu erregen. Aber man darf cpo ruhig weiterhin ermutigen, diese niveauvolle Reihe fortzuführen; es gibt sicher noch viele zu Unrecht vergessene Cellokonzerte zu entdecken.
Vergleichsaufnahmen: Cellosonate – Moore, Woitach (Orion LAN 0415, rec. 1980); Klavier- & Violinkonzert – Krumpöck, Frühwirth, Lehner (Capriccio C5232, 2015).
Martin Blaumeiser [02.05.2019]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Karl Ignaz Weigl | ||
1 | Konzert für Violoncello und Orchester | 00:27:33 |
4 | Love Song für Violoncello und Klavier | 00:05:23 |
5 | Wild Dance für Violoncello und Klavier | 00:04:29 |
6 | Menuetto für Violoncello und Klavier | 00:05:35 |
7 | Sonate für Violoncello und Klavier | 00:20:09 |
Interpreten der Einspielung
- Raphael Wallfisch (Violoncello)
- John York (Klavier)
- Edward Rushton (Klavier)
- Konzerthausorchester Berlin (Orchester)
- Nicholas Milton (Dirigent)