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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Brahms - Dvořák

Tudor 1743

2 CD/SACD stereo/surround • 76min • 2018

30.07.2019

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Die zweite Folge der Brahms- Dvořák -Symphonien-Kopplung der Bamberger Symphoniker unter ihrem Chefdirigenten Jakub Hrůša lässt eigentlich keine Zweifel offen, was als Nächstes kommt: man lässt die Uhren parellel rückwärts laufen. Nach der Start-CD mit den Symphonien Nr. 4 (Brahms) und 9 (Dvořák) gibt es hier nun die Symphonien Nr. 3 und Nr. 8. Obwohl hinsichtlich der Gesamtdauer nicht erforderlich, sind auch diesmal die beiden Symphonien auf 2 CDs verteilt, um eben eine Gegenüberstellung und keine Reihenfolge zu signalisieren. Und der Booklettext bietet die werkspezifische Fortführung des Interviews des Dirigenten mit dem bekannten früheren FAZ-Feuilleton-Journalisten Wolfgang Sandner. Auch diesmal hat der junge Dirigent wieder viele interessante Dinge zu sagen zum Unterschied zwischen den beiden Meistern und den Eigenheiten der dargebotenen Werke. Und wieder bilden Hrůša und seine Bamberger Symphoniker eine gestalterische Einheit, die zum Besten gehört, was es heute weltweit zu hören gibt. So gut wie unter Hrůša waren die Bamberger noch nie, und seit Keilberth hat man keine Aufnahmen auf einem solchen kollektiv kultivierten Niveau vorgelegt. Auch wird nicht nur der spezifisch unterschiedliche Tonfall zwischen Brahms und Dvořák idiomsicher getroffen, sondern eben auch der besondere Tonfall eines jeden Satzes der jeweiligen Werke.

Nichts ist erfreulicher für den Beschreibenden, als auf höchstem Niveau ein paar kritische Anmerkungen machen zu können, die keine Erbsenzählerei sind, sondern ganz nebenbei illustrieren, dass es weder Perfektion gibt noch diese ein erstrebenswertes Ziel wäre. So fein die Darbietung von Brahms’ Dritter hier insgesamt ist, mit besonders gelungenen Teilen in den Mittelsätzen, so zeigt sich doch sowohl im Kopfsatz als ganz besonders im Finale, dass die Orchestration an einigen Stellen erstaunlich unbeholfen und recht grob ist. Dabei wäre es möglich, einige Verdickungen des Blechs noch mehr aufzulichten (natürlich auf Kosten der dynamischen Vorschrift), wogegen dort, wo die Hauptstimmen zu schwach instrumentiert sind, auch der beste Dirigent und die fähigsten Musiker nur begrenzt Wunder vollbringen können, und die Tontechnik nur mit sehr künstlicher Gewalt (die glücklicherweise nicht angewandt wird) dem Tonsatz zur erwünschten Deutlichkeit verhelfen könnte. Im Kopfsatz fehlt gelegentlich ein bisschen der ganztaktige Schwung, was sicher auch der akribischen Verdeutlichung kontrapunktischer Details geschuldet ist.

In seiner Achten Symphonie entfernt sich Dvořák unüberhörbar von der streng strukturierten und gegliederten Welt Johannes Brahms’, die seine Siebte so deutlich (und rundum gelungen) prägte, und nähert sich gewissermaßen, auf dem Wege des von Smetana abgeleiteten nationalen Idealismus, der rhapsodisch-zyklischen Haltung Franz Liszts an. Mit seinen Bezeichnungen macht er es dem Dirigenten gelegentlich nicht leicht, indem er da keine spezifische Vortragsanweisung liefert, wo ihm dies anscheinend schlicht selbstverständlich erschien – so etwa gleich am Beginn des Kopfsatzes, der eben nicht bereits im vollen Tempo vorzutragen ist, sondern – wie bei der Wiederkehr dann explizit ausgewiesen – Meno mosso. Dergleichen weiß Hrůša natürlich, doch in anderen Situationen geht schon mal der Unterschied zwischen einem Grundtempo und einer Modifikation in der Hitze des Gefechts verloren. Anderen Dirigenten ergeht es hiermit freilich nicht wirklich anders, außer dass sie meist viel unmusikalischer agieren. Insgesamt wäre hier, und auch bei Brahms, noch mehr durchgehend subtiles Rubato zu wünschen, das wirklich feste Tempo ist – zumal in den gemesseneren und langsamen Teilen – eher die Ausnahme, die Flexibilität (mit einem großen Orchester in Synchronisation gar nicht ohne weiteres zu erreichen) ist die Regel. So jedenfalls war es zur Zeit der Entstehung der Werke, wie dies ja im Fall Fritz Steinbach bezüglich Brahms hinreichend dokumentiert ist, und eigentlich wünschte Brahms auch nicht mehr die Wiederholung der Exposition im Sonatensatz – die war ja ein Relikt aus einer Zeit, als man fast jedes Stück zum ersten Mal hörte und sich noch kein symphonisches Repertoire gebildet hatte. Dvořáks Achte jedenfalls kommt hier mit einer Geschlossenheit und eigentümlich natürlich scheinenden musikantischen Finesse zur Aufführung, wie wir dies von Meistern wie Václav Talich oder Hrůšas verstorbenem Lehrmeister Jiří Bělohlávek in bester Erinnerung haben. Aber Hrůša ist kein Nachahmer. Er sucht seinen Weg selbst, in Gründlichkeit, Frische und Offenheit. Die Achte ist ein herrlich spontanes Werk, die Fanfaren der Streicher im langsamen Satz scheinen bereits Janáček anzukündigen, und bei den absteigenden Terzparallelen der unbegleiteten Klarinetten bedauern wir lediglich, dass die bei reiner Intonation als (dritte) Bassstimme mitschwingenden Kombinationstöne auf der Aufnahme nicht mehr dabei sind. Die schnelle Coda des Scherzos dürfte noch etwas ansteckender nach vorne gerichtet sind. Aber derlei Einwände sind Marginalien in Anbetracht der exquisiten Klasse dieser Einspielungen, und nun erwarten wir als nächstes Brahms’ extrovertierter lyrische Zweite zusammen mit Dvořáks brahmsischer Siebter. Ob dann abschließend die Erste von Brahms dann mit Dvořáks 5. oder 6. Symphonie gekoppelt sein wird, da wäre ich mir allerdings nicht so ganz sicher.

Christoph Schlüren [30.07.2019]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johannes Brahms
1Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90 00:38:59
CD/SACD 2
Antonín Dvořák
1Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 00:36:57

Interpreten der Einspielung

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