Joseph Haydn
String Quartets Vol. 12
MDG 307 2142-2
1 CD • 64min • 2019
05.06.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die sechs Streichquartette op. 17 von Joseph Haydn teilen mit ihren Schwesterwerken op. 9 das Schicksal, eher selten aufgeführt und nur im Rahmen einer Gesamtaufnahme eingespielt zu werden. Ein Grund mag in der Ungleichgewichtung der vier Stimmen liegen, die sich durch die Uraufführungssituation ergab. Als Primarius fungierte der Violinvirtuose und Konzertmeister des eszterházyschen Orchesters Luigi Tomasini, als Cellist Joseph Franz Weigl, für den Haydn das C-Dur Konzert schrieb. Somit ist der Part der Violine 1 ausgesprochen virtuos – zumal es als sicher gelten kann, dass um 1770 Tomasini hier noch „veränderte Reprisen“ anbrachte – der des Cellos zumindest anspruchsvoll. Die Mittelstimmen sind wesentlich einfacher gehalten, so dass der Fürst als „ordentlicher Geiger“ und der Komponist an der Bratsche hier bequem assistieren konnten. Wirklich polyphone Abschnitte finden sich nur in den Finali und weisen bereits auf die kontrapunktischen Experimente des op. 20 voraus. Dabei ist es durchaus amüsant zu beobachten, wie Haydn mit den bei Nicola Porpora über Partimenti studierten neapolitanischen Tricks, über Bassmodelle schnell zu einem doppelten Kontrapunkt zu gelangen, spielt. Besonders beeindruckend gelingt dies im Schlusssatz von op. 17/6 mit seinen dramatischen Moll-Abschnitten à la ongarese.
Fein ausbalancierten Interpretation
Das ob politischer Eigensinnigkeit von gesinnungsethischen Feuilletonisten neuerdings geschmähte Leipziger Streichquartett präsentiert die drei geradzahligen Werke des op. 17 aus einer Mittelposition zwischen herkömmlichem Quartettspiel und historischer Aufführungspraxis. Traditionell im besten Sinne sind die Klangschönheit, das perfekte Zusammenspiel und die makellose Intonation. Historisch informiert sind die Verwendung von Vibrato einzig als Belebung langer Töne – was die Intonation keinesfalls erleichtert – schwungvolle Tempi, zielgerichtete Phrasierung und eine fein differenzierte Artikulation, die durch die Verwendung von Bögen mit schwächerer Bespannung nach Modellen der Haydn-Zeit erheblich unterstützt wird. Stefan Arzberger meistert seinen technisch höchst anspruchsvollen Part mit regelmäßigen Ausflügen in die hohe dreigestrichene Oktave, kniffligen gebrochenen Oktaven und Doppelgriffen mit selbstverständlicher Eleganz und ohne jegliches Auftrumpfen. Hätte er sich doch nur getraut, Fermaten exzessiver auszuzieren und Wiederholungen mit kleinen Varianten zu versehen! Dafür hat Haydn sie schließlich notiert! Matthias Moosdorf sorgt mit seinem präsenten, leichtfüßigen Bassfundament für den nötigen Drive. Tilman Büning und Ivo Bauer passen sich in das Geschehen klanglich bestens ein.
Zu dieser fein ausbalancierten Interpretation passt auch die Technik, die bei optimaler Transparenz nie den Gesamtklang vernachlässigt. In den an sich guten Begleittext haben sich ein paar Fehler eingeschlichen: op. 17/4 – nicht 14/4 – steht in c-moll, nicht in g-moll und das Seitenthema seines ersten Satzes erwartungsgerecht in Es-Dur.
Fazit: Eine lohnende, spieltechnisch makellose Aufnahme, die Menschen, die allergisch auf manche „historisch informierten“ Manierismen reagieren, Quartettspiel für Feinschmecker liefert und als Referenz willkommen sein dürfte. Wer es historisierender mag, ist mit der Aufnahme des London Haydn Quartet wahrscheinlich besser bedient.
Vergleichsaufnahme: London Haydn Quartet (Hyperion)
Thomas Baack [05.06.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Streichquartett F-Dur op. 17 Nr. 2 Hob. III:26 | 00:19:47 |
5 | Streichquartett c-Moll op. 17 Nr. 4 Hob. III:28 | 00:25:21 |
9 | Streichquartett D-Dur op. 17 Nr. 6 Hob. III:30 | 00:18:16 |
Interpreten der Einspielung
- Leipziger Streichquartett (Streichquartett)