Beethoven und die Romantik
Mathias Weber an Richard Wagners Érard-Flügel
Ambitus amb95 609
1 CD • 68min • 2020
15.11.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn Mathias Weber die Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven ergründet, dann geht es um Nachforschung und nicht um Selbstdarstellung. In diesem Sinne hat er die Sonaten op. 81, op. 90, 101 sowie 27/2 eingespielt und seine Gedanken und Analysen im ausführlichen Booklet-Text zu Papier gebracht. Und noch ein dritter, „gewichtiger“ Aspekt kommt ins Spiel: Auf der Suche nach dem authentischen Klang für sein musikologisches Anliegen, stieß er auf jenen Érard-Flügel, den Richard Wagner besaß und spielte – und der für diese Aufnahme zur Verfügung stand. „Beethoven und die Romantik“ erweist sich hier als griffige Programmidee – innerhalb eines riesigen Aspektreichtums im weiten Kosmos der Klaviersonaten Beethovens. Die hier getroffene Auswahl, ebenso Webers kluge Überlegungen weiten bei diesem Tonträger auch für den Kundigen den Blick.
Kompositorische Entwicklungen
Die Sonate op. 81 fällt durch ihren programmatischen Titel Les Adieux auf. Dieser Titel ist kein nachträglich übergestülptes Etikett, denn Beethoven selbst hatte hier einen thematischen „Aufhänger“ für diese Komposition. Es gibt sogar lautmalerische Anspielungen auf Posthörner – ebenso wurden deutsche Vortragsbezeichnungen verfasst – unverkennbar ein Zeichen der Subjektivierung in der Epoche der Romantik! Solche Entwicklungen setzen sich in vielen späteren Sonaten fort. Auf dieser CD wurden die Sonaten op. 90 und 101 von Mathias Weber herausgegriffen. Vor allem in der zweisätzigen Sonate op. 90 kommen sich Wagner und Beethoven verblüffend nah – wo die ohnehin schon stark liedhaften Elemente eine regelrecht „unendliche“ Melodie kreieren. Aufschlussreich ist überdies, dass Mathias Weber das Opus 27/2 zum Finale erkoren hat – scheint doch dieses, später als Mondscheinsonate berühmt gewordene Werk schon als eine Art Prototyp spätere Entwicklungen vorweg zu nehmen.
Gespür für Konstraste und Brüche
In Webers Spiel setzt sich der unaufgeregt-nachforschende Idealismus fort: Seine Sache sind vor allem die atmenden, aber dennoch lebendigen Crescendi – ebenso ein seismografisch vorausschauendes Gespür für Wechsel, Kontraste und Brüche, in denen Beethoven immer aufs Neue gegen die Sonatenhauptsatzform rebelliert. Efektvoll, aber präzise lässt Weber das Stakkato im marschartigen zweiten Satzes von op. 101 pulsieren und gerade in den lyrischen, liedhaften Passagen verliert sein Spiel die rhetorische Diktion nicht aus dem Blick. Der Wagner-Flügel kommt dieser tief gründenden Diktion sehr entgegen, gerade, wenn es um das subtile Auftragen dynamischer Schichten, um die räumliche Staffelung von Nähe und Ferne geht. Aber: Man muss sich Zeit nehmen und bewusst hinhören. Laute Statements, die den Hörer förmlich anspringen, überlässt Mathias Weber lieber anderen.
Stefan Pieper [15.11.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 26 Es-Dur op. 81a (Les Adieux) | 00:17:42 |
5 | Klaviersonate Nr. 27 e-Moll op. 90 | 00:13:52 |
7 | Klaviersonate Nr. 28 A-Dur op. 101 | 00:20:55 |
11 | Klaviersonate Nr. 14 cis-Moll op. 27 Nr. 2 (Mondscheinsonate) | 00:15:14 |
Interpreten der Einspielung
- Mathias Weber (Klavier)