J.S. Bach
Inner Spaces
Serra Tavsanli Piano
Solo Musica SM 434
1 CD • 66min • 2023
11.11.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Pianistin Serra Tavsanli wurde in Istanbul geboren, ging aber schon bald in „ihr Sehnsuchtsland“ Deutschland, wo sie seit 1998 lebt. Sie studierte an den Musikhochschulen in Hannover und Detmold (dort bei Anatol Ugorski) und legte 2010 ihr Konzertexamen in Leipzig ab. Debütiert hat sie 2009 im Konzerthaus Berlin. Diese Aufnahme mit Werken von Johann Sebastian Bach ist ihre dritte CD.
Auf der Suche nach dem „richtigen“ Bach
Im Booklet schreibt Serra Tavsanli sehr persönlich über ihr Verhältnis zu Bach, ihrem „imaginären Mentor“, der für sie „ein lebendiger Bach“ wurde. Beim Hören spürt man: Ja, es ist ein sehr lebendiger, ein unbeirrt vorwärts schreitender, im Leben ausgreifender, durchs Leben stürmender Bach. Weiter schreibt die Pianistin: „Seine humane Seite hat mich mit der Welt versöhnt“. Ich wurde beim Anhören weniger „versöhnt“ als eher unruhig, nervös. Für mich ist Serra Tavsanli noch auf dem Weg zu einem in sich abgerundeten Bach-Bild, zu dem „richtigen“ Bach.
Bach mit Zornesfalte
Allenthalben herrscht eine Atmosphäre von angespannter, manchmal sogar wütender Kraft, von suchender Unruhe. Dazu passt eigentümlicherweise das Cover-Porträt, das die Pianistin mit kleiner Zornesfalte zeigt. Die Tempi sind meist eilig, forsch, ja stürmisch voranschreitend, so dass man des öfteren ihr zurufen möchte: „Verweile doch!“ Gerade wenn man als Vergleich die Aufnahmen von Evgeni Koroliov heranzieht (meinem persönlichen „Bach-Prophet“), dessen Tempi, obwohl durch die Bank langsamer als hier, trotzdem eine helle, abgeklärte Atmosphäre ausstrahlen, spürt man die Disparatheit des Spiels von Serra Tavsanli.
Interessanterweise ist hier die c-Moll-Toccata BWV 911 (Track 14) das spannendste und gelungenste, das zwingendste und packendste Stück – vielleicht weil es formal genauso disparat ist mit seiner Abfolge von improvisatorischer Einleitung, Adagio-Satz, Fuge und Doppelfuge.
Bach mit Denkerfalte
Ab und zu nimmt Tavsanli ein bisschen viel Pedal, so dass in der Gigue aus der B-Dur Partita BWV 825 aus dem graziösen Funkeln ein romantisches Rauschen wird, so dass aber hinwiederum das H-Dur des Passepied II (Track 18) in der Französischen Ouvertüre BWV 831 ein hell durchlichtetes Innehalten wird. In der nachfolgenden Sarabande (Track 19) glättet sich die imaginäre Zornesfalte dann in eine grübelnde Denkerfalte.
Aufgenommen ist alles an geradezu ikonischer Stätte, nämlich im J.-S.-Bach-Saal von Schloss Köthen an einem Bechstein-Flügel – der in dieser Aufnahme ziemlich dunkel und bisweilen sogar leicht klirrig wirkt.
Rainer W. Janka [11.11.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Partita Nr. 1 B-Dur BWV 825 | 00:15:42 |
7 | Partita Nr. 3 a-Moll BWV 827 | 00:16:00 |
14 | Toccata c-Moll BWV 911 | 00:12:01 |
15 | Französische Ouvertüre h-Moll BWV 831 | 00:22:11 |
Interpreten der Einspielung
- Serra Tavsanli (Klavier)