Écoles de Paris - Paris pour École
Antheil | Ibert | Laks | Mihalovici | Stravinsky
eda records 048
1 CD • 66min • 2021
03.12.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Erst kürzlich erschienen auf cpo vom erst seit wenigen Jahren wieder in den Fokus gelangten Schaffen des gebürtigen Polen und Wahl-Parisers Simon Laks (1901-1983), der im 2. Weltkrieg die Deportation nach Auschwitz überlebte, neue Aufnahmen seiner Streichersymphonie (1964) und des Poèmes für Violine und Kammerorchester. Im Rahmen einer brandneuen Veröffentlichung von Eda records, deren Produzent Frank Harders-Wuthenow sich schon länger für Laks‘ Musik einsetzt, hören wir nun sein Concerto da camera für Klavier, 9 Bläser und Schlagzeug von 1963 in einer hinreißenden Darbietung mit dem Pianisten Holger Groschopp sowie Mitgliedern des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin unter der Leitung des aus Dingolfing stammenden Dirigenten Johannes Zurl. Das nur gut 15-minütige, dreisätzige Stück begeistert mit einem konzisen, dabei humorvollen Neoklassizismus, brillantem Klaviersatz und exzellent durchhörbaren Orchesterparts. Laks knüpft dabei wie schon vor dem Krieg an sein großes Vorbild Karol Szymanowski an, zeigt dabei jedoch unüberhörbar Merkmale einer von Paris aus wirkenden Gruppe von Komponisten, die man – analog des kunstgeschichtlichen Begriffs – als École de Paris bezeichnen kann.
Écoles des Paris – Paris pour École
Zu deren Vertretern, die nie einen festgelegten Kreis wie die Groupe des Six bildeten, gehörten vor allem auch nicht-französische Musiker: Unter obigem Titel, der sich besetzungsmäßig konzertanten Werken mit Bläserensemble widmet, finden sich neben Laks so unterschiedliche Zeitgenossen wie Jacques Ibert (1890-1962) mit seinem Concerto pour violoncelle et instruments à vent (1925), der rumänisch-stämmige Marcel Mihalovici (1898-1985) und der Amerikaner George Antheil (1900-1959) – nur auf der Download- bzw. Streaming-Version dieser Veröffentlichung ergänzt durch das berühmte Oktett für Bläser des quasi Über-Vaters des Pariser neoklassizistischen Stils, Igor Strawinsky. Der Zugabencharakter des höchst erfrischend gespielten Oktetts von 1923 zeigt sich schon daran, dass der sehr ausführliche und informative Essay von Harders-Wuthenow sich diesem Stück gar nicht erst explizit widmet. Weil Strawinsky zwar sehr wohl auf dem CD-Cover erscheint, aber – wegen sich ergebender Überlänge (knapp 82 Minuten, für andere Labels kein Problem) und dadurch befürchteter Inkompatibilitäten – als Musik gar nicht vorhanden ist, auch nur schwerlich einzeln nachzukaufen wäre, erweist sich die CD als Mogelpackung, was leider zur Abwertung der Gesamtnote führt. Also bitte gleich als digitale Internet-Version erwerben – inklusive Oktett!
Ausgezeichnete Aufführungen bei Mihalovici, Ibert und Antheil
Höhepunkte der Aufnahmen aus dem Haus des Rundfunks Berlin vom April 2021 sind klar das Cellokonzert Iberts, mit Adele Bitter als überzeugender Solistin, vor allem jedoch Mihalovics – nicht nur fürs Klavier hochvirtuose – Étude en deux parties, 1951 für seine Frau Monique Haas und Donaueschingen geschrieben; hier das mit Abstand am modernsten wirkende Stück. Beim ersten Anhören könnte man meinen, es handele sich um Zwölftonmusik; in Wahrheit ist der Bau eher komplizierter. Enorm expressiv, im zweiten Teil mit einigen gewaltigen Eruptionen, verbindet diese nicht mehr tonale Kontrapunktik barocke Modelle mit Traditionen rumänischer Folklore – absolut stark und mit Tiefgang. Groschopp zeigt hierbei sein ganzes pianistisches Potential und Zurl dirigiert, wie bei den übrigen Werken, präzise und einfühlsam. In Antheils Concerto for chamber orchestra von 1932 hört man einen gegenüber dem spektakulären enfant terrible der 1920er schon gereifteren Komponisten, der Provokationen nicht mehr nötig hat und dennoch sehr eigenständig mit historischen Modellen umzugehen weiß. Eine – aufnahmetechnisch gleichermaßen – beeindruckende Zusammenstellung mit, abgesehen von Strawinsky, bislang selten zu hörenden Werken, die eine klare Empfehlung verdient; allerdings nicht die CD-Version.
Martin Blaumeiser [03.12.2023]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Jacques Ibert | ||
1 | Concerto pour violoncelle et instruments à vent | 00:13:17 |
Marcel Mihalovici | ||
4 | Étude en deux parties pour piano concertant, bois, coivres, célesta et batterie | 00:21:01 |
George Antheil | ||
6 | Concerto for Chamber Orchestra | 00:16:20 |
Simon Laks | ||
7 | Concerto da camera pour piano, instruments à vent et batterie | 00:15:05 |
Interpreten der Einspielung
- Adele Bitter (Violoncello)
- Holger Groschopp (Klavier)
- Deutsches Symphonie-Orchester Berlin (Orchester)
- Johannes Zurl (Dirigent)