Musik aus dem alten Danzig
Musik der Hansestädte Vol. 2
Werner • Erben • Förster • Büttner • Siefert • Wanning
cpo 555 647-2
1 CD • 71min • 2023
03.06.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Manfred Cordes, emeritierter Professor für Musiktheorie und Kontrapunkt sowie ehemaliger Dekan und Rektor der Hochschule für Künste Bremen, gehört zu den unbestrittenen Spezialisten für die Musik des 16. und 17. Jahrhunderts. 1993 gründete er das Ensemble Weser-Renaissance Bremen und erweiterte schließlich seinen darstellerischen Horizont der norddeutschen Renaissance- und Barockmusik mit der Gründung des Europäischen Hanse-Ensembles, das er 2019 ins Leben rief: Hier erarbeitet er mit jungen Musikerinnen und Musikern aus ganz Europa das musikalische Erbe der alten Hansestädte. Auf die erste Veröffentlichung mit dem Europäischen Hanse-Ensemble, die dem musikalischen Erbe der Hansestadt Stralsund gewidmet war, folgt jetzt als zweite CD der Reihe „Musik der Hansestädte“ die „Musik aus dem alten Danzig“.
Selbstbewusster Städtebund
Der Verband der Hansestädte begründete sein Selbverständnis aus einer im Mittelalter praktizierten Unterstützung reisender Kaufleute, die auf ihren Handelswegen militärischen Schutz und in den Mitgliedsstädten Zollfreiheit und Handelsprivilegien genossen. Durch den Beitritt zur Hanse konnten sich viele norddeutsche Städte seit dem Mittelalter ihre Selbstbestimmung in einem eigenen Regiment unabhängig von geistlicher und weltlicher Obrigkeit erobern, diese Unabhängigkeit spiegelt sich noch heute in der Selbständigkeit Bremens und Hamburgs als Bundesländer wider.
Wechselvolle Geschichte
Danzig gehörte diesem Bund ebenfalls an, auch wenn die Stadt außerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation lag; dank intensiver Handelsbeziehungen zu Lübeck konnte sich das durch deutsche Kaufleute dominierte Stadtregiment eine den freien Reichsstädten vergleichbare Autonomie sichern. 1793 endete mit der preußischen Besetzung die jahrhundertelange, auch unter polnischer Oberhoheit verteidigte Selbstregierung Danzigs – die Stadt gehörte fortan zum Königreich Preußen und war folglich ab 1871 Teil des deutschen Kaiserreichs. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Danzig als eigenstaatliche „Freie Stadt“ vom Deutschen Reich getrennt, fiel nach erzwungener Eingliederung 1938 an das „Großdeutsche Reich“ und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als „Gdańsk“ Teil Polens.
Stolze Bürgerschaft
Die deutschsprachigen Kaufleute Danzigs dominierten das politische Leben in Danzig ebenso, wie es ihre Standesgenossen in Lübeck, Hamburg, Bremen und den anderen Hansestädten taten. Seit etwa 1560 war in Danzig die Annahme der lutherischen Reformation abgeschlossen, nachdem auch das städtische Patriziat den möglichen Machtzuwachs durch Übernahme der neuen Konfession erkannt hatte und daraufhin energisch deren Durchsetzung betrieb. Das 17. Jahrhundert fiel für die Stadt durch die beiden schwedisch/polnischen Kriege turbulent aus – die nicht zuletzt unter konfessionellem Gesichtspunkt zwischen dem protestantischen Schweden und dem katholischen Polen geführten Auseinandersetzungen hatten für Danzig ähnlich verhängnisvolle Auswirkungen wie der Dreißigjährige Krieg auf viele Hansestädte innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation: Die Prosperität der Stadt wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch einen Niedergang ihres zuvor florierenden Handels schwer beeinträchtigt.
Musik einer lutherischen Stadt
Die auf dieser CD vereinte Musik steht stilistisch ganz und gar im Einklang mit der geistlichen Musik deutscher evangelischer Städte im 17. Jahrhundert. Sakrale Instrumentalmusik in einer Qualität, wie sie in den deutschen Städten von Hamburg bis Nürnberg in Anlehnung an italienische Vorbilder erklang und als prachtvolle Kirchenmusik zum Lobe Gottes diente, findet sich hier ebenso wie erstrangige geistliche Chormusik für eine würdige Ausgestaltung der neuen evangelischen Gottesdienste.
Makellose Vergegenwärtigung
Die Kirchenmusik einer unter umfassender äußerer Bedrängnis stehenden selbstbewussten Bürgerschaft, für die weder ihre kulturelle Verankerung in den Hansestädten noch ihre religiöse Neuorientierung im Sinne der lutherischen Reformation zur Disposition stand, wird in diesem breiten Kaleidoskop geistlicher Musik aus der Stadt Danzig deutlich, und mehr als all das: Die Interpreten wissen die Pracht und die Inbrunst dieser Kompsitionen auch in eine heutige Zeit zu vermitteln, deren Musikverständnis sich nicht in erster Linie an religiöser Prägung orientiert.
Detmar Huchting [03.06.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Christoph Werner | ||
1 | Es erhub sich ein Streit (à 18) | 00:09:57 |
Balthasar Erben | ||
2 | Domine Iesu Christe (à 5) | 00:03:49 |
Kaspar Förster | ||
3 | Sonata (à 7) | 00:04:22 |
4 | Ad arma fideles (à 3) | 00:04:54 |
Anon. | ||
5 | Dulcis memoria et suavis recordatio (Tabulatur Danzig) | 00:03:57 |
Nicolaus Zangius | ||
6 | Surrexit Christus (à 8) | 00:03:47 |
Crato Büttner | ||
7 | Wo ist dein Stachel nun, o Tod? (à 10) | 00:06:20 |
Paul Siefert | ||
8 | Nu preis, mein Seel, den Herren lobesame (à 7) | 00:05:41 |
9 | Sonata (à 8) | 00:04:17 |
Andreas Hakenberger | ||
10 | Spiritus Domini (à 12) | 00:02:24 |
Paul Siefert | ||
11 | Fantasia primi toni ex d | 00:03:31 |
Johann Wanning | ||
12 | Rogate quae ad pacem sunt (à 8) | 00:03:41 |
13 | In pace in idipsum | 00:02:28 |
Daniel Jacobi | ||
14 | Pax aeterna (à 10) | 00:06:11 |
Marcin Mielczewski | ||
15 | Magnificat (à 15) | 00:05:17 |
Interpreten der Einspielung
- Europäisches Hanse-Ensemble (Ensemble)
- Manfred Cordes (Dirigent)