Michael Haydn
Six String Quartets
Constanze Quartett
cpo 555 409-2
1 CD • 68min • 2020
05.08.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Fällt heutzutage der Name Haydn, denkt jeder zuerst an Joseph und nicht an dessen jüngeren Bruder Johann Michael (1735-1806), der in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich als Kirchenmusiker wiederentdeckt wurde. Michael Haydns Kammermusikwerke sind von der Anzahl her überschaubar, aber durchaus reizvoll. Deshalb ist es gut, dass sich das Constanze Quartett seiner 6 Streichquartette MH 308-313 angenommen hat, die sicherlich vor 1780 entstanden, und somit interessantes Vergleichsmaterial zu den Quartetten op. 9 und 17 des älteren Bruders sowie den sogenannten Mailänder Quartetten W.A. Mozarts bieten.
Salzburger Divertissements
Die nach dem ersten Herausgeber benannten Perger-Quartette sind bis auf eine Ausnahme – ähnlich den wohl ungefähr gleichzeitig entstandenen frühen Mozart-Quartetten – dreisätzig, während Bruder Joseph in seinen ersten Opera die Fünfsätzigkeit mit zwei Menuetten und ab op. 9 durchgehend die Viersätzigkeit mit variable Position des Menuetts oder Scherzos bevorzugte.
Alle sechs Werke tragen mit 9-15 Minuten Spieldauer den Charakter unterhaltender, relativ kurzer Divertimenti von – besonders in den Menuetten und Finali – volkstümlich eingängiger Melodik. Sie wurden womöglich zwischen den Gängen des fürstbischöflichen Festmahles aufgeführt oder dienten als Begleitung zu Couché und Lever.
Interessanterweise verwenden die 5 dreisätzigen Werke das Schema der spätgalanten Stretta-Sonate mit mäßig langsamem Beginn (Andante oder Moderato), Menuett und schnellem Finale, die sich in der Berliner Schule um Johann Joachim Quantz und Friedrich II. einer besonderen Beliebtheit erfreute. Dies wird – neben der handschriftlichen Überlieferung in der Berliner Staatsbibliothek – von Dwight Blazin, dem Autor des Michael-Haydn-Artikels im New Grove, zum Anlass genommen, die Zuschreibung an den Komponisten in Frage zu stellen. Ob nun echt oder nicht, handelt es sich auf jeden Fall um reizvolle Kompositionen. Mich hat das g-Moll-Quartett MH 311 (Track 10-12) am stärksten in den Bann geschlagen, da es bereits die Melancholie von Mozarts früher Sinfonie und dem späten Streichquintett in derselben Tonart vorwegnimmt.
Konstant gut: Das Constanze Quartett
Streichquartette in rein weiblicher Besetzung wie beim Constanze Quartett sind noch die Ausnahme. Hier agieren die Damen Emeline Pierre Larsen, Sara Meyer (Vl.), Elen Galuyan (Va.) und Julia Ammerer-Simma (Vc.) tonschön, intonationsrein und mit sinniger Phrasierung. Da die Quartette noch ausgesprochen galante Merkmale aufweisen hätte man die Wiederholungen durchaus als „veränderte Reprisen“ spielen können, zumal da wir wissen, dass Mozart oft dieser Praxis folgte.
Das Booklet bietet gute Hörhilfen, die Aufnahmetechnik stellt die Instrumenten ortungsgenau an ihren Platz, ohne dass der Gesamtklang deswegen zu analytisch würde.
Fazit: Interessante, unterhaltsame Stücke, die auch für Quartette an Musikschulen oder von Jugendorchestern „machbar“ sein dürften. Durchaus auch als Begleitung eines kultivierten Abendessens denkbar. Zudem hervorragend geeignet ältere Kinder an die Klassik heranzuführen, ohne sie gleich zu überfordern.
Thomas Baack [05.08.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Michael Haydn | ||
1 | Streichquartett B-Dur MH 308 P 124 | 00:09:28 |
4 | Streichquartett Es-Dur MH 309 P 118 | 00:09:57 |
7 | Streichquartett A-Dur MH 310 P 122 | 00:08:34 |
10 | Streichquartett g-Moll MH 311 P 120 | 00:13:46 |
13 | Streichquartett F-Dur M 312 P 119 | 00:14:58 |
17 | Streichquartett C-Dur MH 313 P 116 | 00:10:46 |
Interpreten der Einspielung
- Constanze Quartett (Streichquartett)