Eine Symbiose aus Slam Poetry und klassischer Musik
Kaleidos KAL 6354-2
1 CD • 10min • 2020
20.08.2021 • 10 10 10
Das Essener „Ensemble Ruhr“ ist ein unkonventionelles Kammerorchester - ein Kollektiv kreativer Menschen, die sich mit Begeisterung aus den Konventionen des üblichen Konzertbetriebes hinauswagen. Ihre neueste Aufnahme zusammen mit dem Poetry-Slammer Jason Bartsch ist eine Liebeserklärung an die Region.
Ein gelungenes Rendezvous zweier Jahrhunderte arrangieren die Musiker des Chelys Consort und das Fieri Gesangsconsort auf dieser SACD: Von Gambenmusik und geistlichen Werke aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird durch eine Komposition der 1959 geborenen Komponistin Jill Jarman eine Brücke in unsere Zeit geschlagen – uneingeschränkter Hörgenuss!
Um Gefühle auszudrücken, braucht man kein Klavier: Luca Guglielmi kann dies auch auf einem Cembalo. Die Bach’schen Präludien und Fugen des Wohltemperierten Claviers sind bei ihm nicht bloße barocke kunstfertige Formen, sondern sprühen vor Leben, atmen Kraft und Zartheit, haben pathetische Wucht und spielerische Leichtigkeit, bieten Tragik und Freude. Und Guglielmi zeigt, dass die barocken Tanzformen auch in Fugen rhythmusgebend sind. Selbst swingende Rhythmen lassen sich hier entdecken: Bach ist hier ein Musiker, der weit über seine Barock-Zeit hinausreicht.
Violin Concerto No. 1 • Dramatic Frescoes • Reflections of the Sea
Ondine ODE 1358-2
1 CD • 66min • 2020
14.05.2021 • 9 10 9
Diese CD steht für mich stellvertretend für die Fülle an guter, hörenswerter Musik, die es aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion zu entdecken gibt. Enorm viel ist vor Jahrzehnten auf Schallplatte erschienen, nur ein Bruchteil davon hat bislang den Weg auf die CD gefunden. Die Musik des Litauers Eduardas Balsys, hier mit drei repräsentativen Werken aus drei verschiedenen Dekaden zu erleben, zeigt auf, dass sich Stöbern und Hinhören lohnt.
Der neapolitanische Pianist Genny Basso interpretiert große Meisterwerke, aber macht dies zu einer tief persönlichen Angelegenheit. Sein neues Album widmet er seinem einflussreichen Lehrmeister und pflegt dabei eine bewusste Kunst der Entschleunigung.
Cédric Pescia und Philippe Cascard haben mit ihrer Platte einen außergewöhnlichen Beitrag zum (etwas anderen) Beethoven-Jahr 2020 geliefert. Ihre Interpretation der Liszt’schen Fassung für zwei Klaviere lässt den Hörer die so bekannte Neunte Sinfonie noch einmal völlig neu entdecken.
Eine Riege internationaler Topsolisten unterstützt Thomas Dausgaard und sein Schwedisches Kammerorchester bei ihrem Brandenburg Project. Neben Bachs 6 Brandenburgischen Konzerten erleben wir darüber hinaus sechs vielschichtige Auftragskonzerte bedeutender, zeitgenössischer Komponisten, die teilweise sogar mitspielen. Hinreißend virtuos!
François Couperin entstammte einer berühmten französischen Musikerfamilie und wurde von den Franzosen mit dem Beinamen „Le Grand“ ausgezeichnet und hervorgehoben; er galt überdies als erstrangiger Virtuose auf Orgel und Cembalo. Tilman Skowroneck, weltberühmter Cembalist und Musikdozent an der Universität Göteborg, präsentiert die außerordentliche Musik von Couperin dem Großen mit Virtuosität und Einfühlung.
Dieser Piazolla ist aufrichtig und ungeschönt und geht dadurch umso mehr in die Tiefe. Auf Harfe und Klavier setzt das Duo Praxedis aus der Schweiz ein Statement, das aus der Piazolla-Veröffentlichungsflut des letzten Jahres eindrücklich herausragt.
Dass auch sogenannte Kleinmeister zu mehr taugen, als den Namen zu Fughettenthemen zu verleihen, beweisen die Streichquartette von Friedrich Ernst Fesca. Handwerklich keinesfalls schlechter als Beethovens op. 18 oder die frühen Schubert oder Mendelssohn-Quartette. Melodisch, spannend, aber auch empfindungsreich.
Als krönender Abschluss des sich über 18 Jahre erstreckenden Projekts der Einspielung aller „100 Études transcendantes“ (1940-44) des britischen Gigantomanen Kaikhosru Sorabji legt sich der schwedische Pianist Fredrik Ullén nochmal so richtig ins Zeug. Aberwitzige Virtuosität und phänomenale Übersicht – speziell in der finalen, 55-minütigen, 6-stimmigen Quintupelfuge – machen dieses Doppelalbum zu einer pianistisch geradezu unbegreiflichen Großtat.
Chamber music arrangements by his contemporaries Symphony No. 60, Concertino in G
Prospero PROSP 0017
1 CD • 56min • 2017
23.07.2021 • 10 10 10
Joseph Haydn galt bereits zu Lebzeiten als einer der größten Komponisten seiner Epoche – das mündete auch in zahlreiche Bearbeitungen erfolgreicher Orchesterwerke für Kammermusikensemble, die so das häusliche Musizieren dieser beliebten Werke ermöglichten. Michael Dücker hat in unermüdlicher Forschungsarbeit etliche solcher Arrangements ausgegraben und stellt sie auf dieser CD in vortrefflichen Interpretationen vor.
Gordon Safari geht von Bachs Motette „Jesu, meine Freude“ aus und versammelt hier weitere Vertonungen dieses Textes in mehreren Text-Variationen und Kompositionsweisen. Die bach-Motette zeigt er dabei als ganz luftiges Chorwerk, zart und durchsichtig, freudig und wortgenau, teilweise rhetorisch furios. Die große Entdeckung ist die Vertonung von Johann Friedrich Doles, dem Schüler und Nachfolger Bachs als Thomaskantor, die hier zum ersten Mal auf Tonträger hörbar wird. Dessen „galanter Stil von berückender Eleganz“ (so Gordon Safari im Booklet) entzückt – genauso wie die glasklare, dabei wendige, artikulationsgenaue und wortdramatische Singweise des Chores des Ensembles BachWerkVokal. Diese CD mit dem Titel „Jesu meine Freude“ bietet mannigfache Freuden.
Clara Schumann und 23 ihrer - überwiegend vergessenen - komponierenden Schwestern des 19. und 20. Jahrhunderts werden von der Sopranistin Franziska Heinzen und dem Pianisten Benjamin Mead glanzvoll ins Recht gesetzt.
Ronald Stevensons gewaltige Passacaglia on DSCH (1961-62) legt Igor Levit in einer hochenergetischen, kaum zu übertreffenden Aufnahme vor. Neben diesem in Deutschland sicher noch unterschätzten Meisterwerk gelingen in Schostakowitschs 24 Präludien & Fugen op. 87 gerade die verhalteneren Nummern so überzeugend, dass dieser emotionale Zustandsbericht im späten Stalinismus es dem Hörer eiskalt den Rücken herunterlaufen lässt.
Kontrapunktische Meisterschaft, die sich sogar auch noch tempomäßig überschneidet, wandelt sich hier in zauberhaften Chorklang – auch wenn es nur vier Einzelstimmen sind. Diese Vier, die sich den Namen „L ‘ultima parola“ gegeben haben, bilden hier in völliger Klangverschiedenheit eine vollkommene Einheit und schaffen in der „Missa Prolationum“ aus auseinandertriftenden und nachfolgenden Kanon-Stimmen eine mystisch schwebende Einheit. Klangschönheit, Wortgenauigkeit und Intonationsreinheit prägen den Gesang. Und dann demonstrieren die Vier in der Motette „Mort tu as navré“ noch, wie mittelalterliche Vokalpolyphonie auch ganz persönlich klingen kann, als tief berührende Trauermusik.
Diese CD ist gleich zweifach zu empfehlen: einmal als Visitenkarte des Pianisten Andrea Vivanet und zum anderen, weil sie bislang kaum gehörtes Repertoire erschließt. Die Tanejew-Interpretation dürfte wegen ihrer Klarheit in der Darstellung polyphoner Strukturen Referenzcharakter besitzen, Schostakowitschs 24 Präludien spielt Vivanet mit viel Sinn für die Charakteristik dieser Miniaturen. Die drei Zyklen von Nikolai Tscherepnin liegen erstmals auf CD vor und legen ein faszinierendes Zeugnis von der stilistischen Entwicklung eines Komponisten zwischen russischer Spätromantik und Moderne ab.
Die Sopranistin Ruby Hughes und ihr Begleiter Joseph Middleton leuchten in die Innenräume der Seele (vor allem der weiblichen) und erreichen dabei ein selten erlebtes Maß an Intimität.
Debussy • Ravel • Dukas • Schönberg Linos Piano Trio
CAvi-music 8553035
1 CD • 65min • 2021
07.09.2021 • 10 9 10
Wer möchte das nicht – einfach alle Musik spielen, die gefällt unabhängig von Besetzung? Das Linos Piano Trio hat nicht nur das nötige Können, sondern auch den teils benötigten Mut. Und so legt das Trio mit „Stolen Music“ eine CD vor, die von Schönbergs „Verklärte Nacht“ über Debussys „L’après-midi d’un faune“ und Ravels „La Valse“ bis hin zu Dukas‘ „Zauberlehrling“ führt. Alles für eine sehr reduzierte Besetzung, was der „Stolen Music“ ein spannendes neues Klanggewand verleiht.
Mit Ewald Straesser lenkt das Berolina-Ensemble einmal mehr den Blick auf einen Komponisten der deutschen Spät- bis Nachromantik, dessen Musik bislang nur wenig Beachtung fand. In beispielhaften Interpretationen dreier sehr reiz- und charaktervoller Werke mit Klarinette erweist sich Straesser dabei nicht nur als der Brahms-Nachfolger, als der er schon zu Lebzeiten galt, sondern als ein Komponist, der auf Basis der deutschen Spätromantik speziell in seinem Spätwerk durchaus eigene Wege ging.
Seeluft gefällig? Lust auf zeitgenössische Musik von den Färöer, die die Ohren nicht beleidigt? Hier käme Sunleif Rasmussen, meisterhaft interpretiert von Michala Petri der „Grande Dame der Blockflöte“ gerade recht. Viele unterschiedliche Stimmungen warten auf neugierige Ohren!
Songs by Henry Purcell & John Lennon/Paul McCartney
deutsche harmonia mundi 19439924962
1 CD • 56min • 2021
07.12.2021 • 10 10 10
Es ist eine Kombination, auf die man erst mal kommen muss: Auf ihrer gemeinsamen Aufnahme „Time Travel“ verbinden die preisgekrönte Saxofonistin Asya Fateyeva und die lautten compagney Berlin Songs von Henry Purcell und den Beatles. Diese Zeitreise zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert gelingt überraschend gut und zeigt wieder einmal, dass Musik keine Grenzen kennt – weder zwischen Genres noch zwischen den Epochen. Wenn sie gut ist – und so gespielt wird – ist sie eben einfach zeitlos.
Eine akustische Zeitreise in die Hansestädte Hamburg und Lübeck zur Zeit des 30-jährigen Krieges. Reiseführer: ein über alle Kniffe der Interpretation von Tastenmusik des 17. Jhds. verfügender Holländer an einem Instrument, das über die richtigen Klangfarben verfügt.