Wenn Simone Drescher im Booklet ihrer neuen CD als eine der „interessantesten Cellistinnen ihrer Generation“ angekündigt wird, sollte man das nicht nur als Allgemeinplatz und typischen PR-Text abtun. Spätestens nach dem Hören dieser CD schwant dem geneigten Musikfreund, dass da durchaus was dran sein könnte, denn Simone Drescher bietet hier nicht nur ein äußerst spannendes Programm, das verschiedene Facetten des Cellos und Cellospiels ebenso wie seine Historie mit modernen bzw. zeitgenössischen Kompositionen spiegelt. Die Bandbreite reicht von einer Suite von Enric Casals, dem Bruder des berühmten Cellisten Pablo Casals, bis hin zu Werken von Pēteris Vasks und David Chaillou.
Die Barockmusik ist voll von hochvirtuosen Solokonzerten für fast jedes damals bekannte Instrument. Vom Level der damaligen Musiker her liegt dies auch auf der Hand, denn im Gegensatz zur heutigen Zeit waren auch Orchesterwerke von den einzelnen Stimmen her häufig solistisch oder maximal doppelt besetzt – ein Pool von beispielsweise zehn ersten Violinen fand man in dieser Zeit nicht! Diese technisch anspruchsvollen Solokonzerte in der heutigen Zeit in dieser Mannigfaltigkeit wie dies damals üblich war, umzusetzen, fällt heute eher schwer. In der Regel muss man sich als Orchester die Solisten immer für viel Geld einkaufen. Ein Konzert oder eine Aufnahme mit mehr als nur einem Solisten zu gestalten, ist da schlicht unbezahlbar. Da ist es doch viel sinnvoller, gleich ein Orchester zu gründen, das sich aus Musikerinnen und Musikern zusammensetzt, die jeder für sich auch hervorragende Solisten sind.
Die Barockmusik ist mit Sicherheit eine der beliebtesten Musikrichtungen bis heute in den Konzertsälen – und dennoch birgt sie noch immer viele ungehobene Schätze. Damit sind gar nicht unbedingt die immer noch vorhandenen Komponistinnen und Komponisten gemeint, deren Werk unverdient in der Versenkung verschwunden ist, sondern es gibt durchaus auch Musik aus bekannter Feder, die aufgrund der solistischen Besetzung heutzutage selten zu hören ist. Diesem Umstand haben 1998 Elke und Wolfgang Fabri die Gründung ihres Solisten-Orchesters „caterva musica“ entgegensetzt. Das Orchester vereint zahlreiche hervorragende Musikerinnen und Musiker der Alten Musikszene und widmet sich gerade den selten zu hörenden Solokonzerten der Zeit.
„as you like it: wie es beliebt – scherzhaft, sinnlich, dramatisch. Inspiriert von der Shakespeare’schen Verwechslungs-Komödie bewegen auch wir uns musikalisch zwischen den Welten: Entdecken das savoir vivre am französischen Hofe, eilen ins g‘sellige Wiener Wirtshaus, flüchten vor der Pest in die warme Umarmung der englischen Melancholie, überwinden mitten in der deutschen Waldeinsamkeit rauschende Flüsse, spüren den milden Westwind Italiens auf unserer Haut, und träumen des Nachts an der spanischen Küste von der großen Liebe.“ Mit diesem Text präsentieren die Künstler selbst dieses Programm auf ihrer eigenen Homepage und erregen damit berechtigte Neugier auf ihre musikalische Rundreise durch das Europa des 16. Jahrhunderts.
Mit der dritten Folge endet bereits die Einspielung sämtlicher nicht-konzertanten Orchesterwerke Grażyna Bacewiczs (1909–1969) unter Łukasz Borowicz. Und die CD hält einige Überraschungen bereit: vor allem die Ersteinspielung der 1. Symphonie, die noch 1942 begonnen, jedoch erst nach Kriegsende fertiggestellt und schließlich 1948 in Krakau uraufgeführt wurde. Die immer äußerst selbstkritische Komponistin hat das Werk dann allerdings weder veröffentlicht noch zurückgezogen, so dass hier nach dem Manuskript neu erstelltes Orchestermaterial erklingt. Borowicz – der auch wieder den informativen Booklettext verfasst hat, ist von der Repertoirefähigkeit des lange verborgenen Stückes zu Recht überzeugt.
Acht Mal schaut einen der junge Pianist Francesco Tropea aus dem mit einem Interview sehr persönlich gehaltenen zweisprachigen Booklet heraus an. Er wurde 1994 in Cosenza geboren, hat am dortigen Musikkonservatorium und an der Musikschule in Fiesole gelernt und dann sein Studium am Mozarteum Salzburg vervollständigt. Zurzeit arbeitet er dort an einer musikwissenschaftlichen Dissertation.
Johann Sebastian Bachs sechs Suiten für Violoncello BWV 1007-1012 könnte man als seine „Italienischen Suiten“ bezeichnen, wäre da nicht die ausgesprochen stark französelnde Fünfte. Besser trifft es als Analogon zum Wohltemperierten Klavier der Pianisten wahrscheinlich „Das Alte Testament der Cellisten“. Doch anders als bei diesem, steht hier ein Neues Testament noch aus. Somit verwundert es nicht, dass jeder Cellist von Rang diese sechs – von Pablo Casals dem Konzertrepertoire wieder zugeführten – Zyklen auf Tonträger verewigen möchte. Henrik Dam Thomsen war sich der Verantwortung derart bewusst, dass er bald 50 Jahre wartete, seine reichen Erfahrungen mit diesen Stücken zu dokumentieren.
Die in Riga geborene Cembalistin Tatjana Vorobjova lebt inzwischen in der Nähe von Köln; sie hat sich eine erfolgreiche internationale Solistenkarriere aufgebaut und kann mittlerweile auf eine ansehnliche Diskographie verweisen. Darunter eine SACD mit Sonaten von Domenico Scarlatti unter der Überschrift „…ma cantabile“, die mir vor anderthalb Jahren zur Besprechung vorlag und mich rückhaltlos begeisterte. Diese Veröffentlichung mit Werken von J. S. Bach steht unter dem Titel „… con passione – mit Leidenschaft“: Bach, wenn auch im gleichen Jahr geboren wie Domenico Scarlatti, stellt den Cembalisten vor ganz andere musikalische und solistische Anforderungen – so war ich gespannt, ob Tatjana Vorobjova mich in gleicher Weise würde überzeugen können, zumal sie auf demselben großartigen Instrument spielt...
Am 1. April 2024 jährt sich zum 100. Male der Geburtstag von Georges Barboteu, dem wohl berühmtesten französischen Hornisten des 20. Jahrhunderts. Hervé Joulain, einst Schüler Barboteus, dann sein Nachfolger am Pariser Konservatorium, hat seinem Lehrmeister anlässlich dieses Jubiläums in Form des Albums „Jeux“ eine liebevolle Hommage zuteil werden lassen: Gemeinsam mit der Pianistin Tatiana Chernichka und dem Leopold Mozart Quartett stellt Joulain einen Querschnitt aus Barboteus kompositorischem Werk vor.
Aufnahmen der Cello-Sonaten von Ludwig van Beethoven gibt es zahlreich, auch das Label Naxos hat alle Werke für Cello und Klavier im Programm (1991 mit Jenő Jandó und Csaba Onczay) – trotzdem startet Naxos eine Neuaufnahme mit dem Cellisten Gabriel Schwabe und dem Pianisten Nicholas Rimmer. Gabriel Schwabe wurde 1988 in Berlin geboren und hat die drei renommiertesten Cello-Wettbewerbe gewonnen: den Grand Prix Emanuel Feuermann in Berlin, den Concours Rostropovich in Paris und den Pierre Fournier Award in London. Er gastiert in der ganzen Welt mit den berühmtesten Orchestern und bei den bekanntesten Festivals. Das Label Naxos hat ihn unter Exklusiv-Vertrag. Nicholas Rimmer ist 1981 in England geboren, hat in Hannover Klavier und Musikwissenschaft in Cambridge studiert und ist ein sehr gefragter Kammermusiker.
Komponisten und ihre Verleger – das ist eine eigene Geschichte. Beethoven war diesbezüglich besonders störrisch, oft wütend und sehr geschäftstüchtig. Weil Beethovens Verleger Nikolaus Simrock nicht an den Verkaufserfolg des Sextetts op. 81b glaubte, bearbeitete er es als Klaviertrio und gab es noch vor dem Erscheinen des Originals heraus. Erst als sich das Klaviertrio einigermaßen verkaufte, wagt er sich an die Herausgabe des Originals. Das Septett op. 20 bearbeitet Beethoven gleich selbst als Klaviertrio und gab ihm sogar eine eigene Opuszahl: Opus 38.
Welch eine gelungene Debüt-CD! Das Malion-Quartett betritt mit drei ausgefeilten Interpretationen die Klangbühne. Zudem wurde es von der Tontechnik hervorragend und in weiter Dynamik eingefangen. Da man sich mit unterschiedlichen Facetten präsentieren will, hat man die jeweils ersten Quartette dreier unterschiedlicher Komponisten gewählt und flankiert den Zeitgenossen Jörg Widmann mit den Klassikern Beethoven und Brahms.
Dass von einem Musiker des 18. Jahrhundert heute noch Nachkommen desselben Namens musikalisch tätig sind, ist ungewöhnlich. Dieser Musiker des 18. Jahrhunderts ist Franz Benda: Geboren ist er 1709 in Böhmen, sang er als Kapellknabe in Prag und Dresden, wollte eigentlich den ehrsamen Beruf des Pfefferkuchenbäckers erlernen, wurde aber doch Geiger, ermöglicht durch ein Stipendium seines Herrn, eines Grafen Kleinau, aus dessen Dienst er aber nach Warschau verschwand, wo er kurze Zeit Mitglied der polnischen Hofkapelle war, bis er von Friedrich II. von Preußen in dessen Hofkapelle berufen wurde.
Die Form des Solo-Instrumentalkonzerts ist in der deutschen Musik besonders durch Johann Sebastian Bach befördert worden, der für seine Violinkonzerte auf italienische Vorbilder zurückgriff. So konnte er während seiner Zeit als Kapellmeister in Weimar und Köthen dieser neuen musikalischen Form, deren Grundlage im Schaffen italienischer Komponisten wie Arcangelo Corelli und Antonio Vivaldi lag, in der deutschen Musik einen festen Platz verschaffen; neben den besonders im Schaffen Georg Philipp Telemanns so präsenten Gruppenkonzerten, die an das Concerto Grosso anknüpfen und für die J. S. Bach mit seinen Brandenburgischen Konzerten ebenfalls maßgebliche Beispiele hinterlassen hat.
Die Klarinettenquintette von Johannes Brahms und Max Reger gehören wie das Klarinettenquintett Mozarts, das beiden Stücken in mancherlei Hinsicht Vorbild war, zu den letzten Arbeiten ihrer Komponisten. Im Falle Regers handelt es sich sogar um sein letztes vollendetes Werk überhaupt. Als Spätwerk im eigentlichen Sinne lässt sich freilich nur das Brahmssche Quintett op. 115 bezeichnen, stammt es doch von einem Komponisten, der sich bereits als Ruheständler gesehen hatte, bevor das überragende Spiel des Klarinettisten Richard Mühlfeld seine Schaffenskraft erneut anzufachen vermochte. Reger dagegen ist wie Mozart eines vorzeitigen, plötzlichen Todes gestorben. Dass ihm sein Quintett op. 146 zum „Spätwerk“ werden würde, konnte er nicht wissen.
Anton Bruckners zweite Sinfonie ist vergleichsweise selten zuhören, zu Unrecht, wie die neue Einspielung mit der Philharmonie Festiva unter Gerd Schaller beweist. Das in den Jahren 1871/72 entstandene Werk, das die Wiener Philharmoniker 1872 als „unspielbar“ ablehnten und das dann im folgenden Jahr unter Leitung des Komponisten zur Uraufführung kam, hat eine lange Bearbeitungsgeschichte erlebt, die schließlich mit einer gerafften Fassung 1877 zum Ende kam. In dieser Version liegt die Zweite nun auch in einer Koproduktion mit BR Klassik vor.
Der Dirigent Gerd Schaller führt mit der Philharmonie Festiva, die er 2008 ins Leben rief, nach und nach sämtliche Fassungen der Symphonien Anton Bruckners auf. Im August 2023 wurde in der Klosterkirche Ebrach die Spätfassung der 4. Symphonie, der sogenannten „Romantischen“, in einer Live-Aufnahme eingespielt. Die Version aus dem Jahr 1888 diente einst als Stichvorlage für den Erstdruck von 1889 und wurde vom Komponisten gebilligt. In einem Interview, das im Booklet in deutscher und englischer Sprache wiedergegeben ist, macht Schaller deutlich, dass er keine Wertung der einzelnen Fassungen vornehmen möchte, da jede ihre Eigenart hat.
Als ich am 3. August 1995 die große Ehre und Gelegenheit hatte, Sándor Végh in seinem Haus in Salzburg zu interviewen (es sollte sein letztes Interview sein), äußerte er sich sehr glücklich, dass das Spiel seines legendären Végh-Quartetts eine Nachfolge-Formation gefunden habe im Keller-Quartett: „Es wird weiterhin große Musik gemacht und Bartók verstanden.“ Primarius András Keller war ein musikalischer Ziehsohn seines großen Landsmanns, und er hat damals mit seinem Quartett wunderbare Aufnahmen u. a. von Bartók und Schubert für Erato gemacht. Nun hat sich András Keller schon lange dem Dirigieren zugewandt und für Tacet einen Bruckner-Zyklus begonnen, bei dem er sich mit seinem hervorragenden Concerto Budapest erfreulich viel Zeit lässt und mit klar strukturierten, fein empfundenen und das Drama der großen Form brillant entfaltenden und balancierenden Darbietungen heute als einer der besten Bruckner-Dirigenten dasteht, dessen Beispiel für den wachen Hörer so manchen Schnellproduzierer bloßstellt.
Stanislaw Skrowaczewski, 1923 in Lemberg, dem heutigen Lwiw, geboren, hat wenige Monate vor seinem Tod im Alter von 92 Jahren Bruckners Achte in Tokio dirigiert und damit eine Art Vermächtnis geschaffen. Der international tätige Maestro war von 2007 bis 2009 ständiger Leiter des Yomiuri Nippon Orchestra in Japan und wurde dort 2010 zum Ehrendirigenten ernannt. Die Einspielung der Sinfonie Nr. 8 von Anton Bruckner zeigt noch einmal seine künstlerische Bedeutung auf, wenn er fast eineinhalb Stunden lang ein Großwerk unter Spannung setzt. Der nach dem Verklingen der C-Dur-Apotheose des Finales und nach einer andächtigen Stille der Besinnung im Tokyo Metropolitan Theatre aufbrandende stürmische Applaus bestätigt die Bedeutung dieser Live-Aufnahme.
Natura et quatuor elementa dolentia ad Sepulcrum Christi
cpo 555 419-2
1 CD • 59min • 2021
07.10.2024 • 10 10 10
Wer Pier Antonio Cesti (1623-1669) nicht kennt, kennt jedoch womöglich seinen größten Hit „Intorno all’idol mio“, der zu den beliebtesten der Arie antiche gehört, deshalb gern im Gesangsunterricht studiert wird und von Gesangsgrößen wie Elisabeth Schwarzkopf, Janet Baker, Cecilia Bartoli sowie Benjamino Gigli aufgenommen wurde. Die Ensembles Polyharmonique und Teatro del mondo haben sich jetzt eines seiner wenigen geistlichen Werke, einen Oratorium zur Verehrung des Heiligen Grabes, angenommen, das 1667 in Wien uraufgeführt wurde, als sich der Komponist zur Produktion seiner Prunkoper zur kaiserlichen Hochzeit Il pomo d’oro – nicht die Tomate, sondern „Der goldene Apfel“ – dortselbst aufhielt.
Nach dem sensationellen Erfolg seiner Opera buffa Il matrimonio segreto, die 1792 in Wien ihre Uraufführung erlebte, wählte Domenico Cimarosa, nach Neapel zurückgekehrt, für seinen dortigen Einstand ein Sujet, mit dem er an diesen Erfolg anzuknüpfen hoffte, und griff dabei auf Teile des zuvor geschriebenen Einakters Amor rende sagace zurück: Le astuzie femminili (auf deutschen Bühnen später unter dem Titel Weiberlist gespielt). Das Libretto, das ihm Giuseppe Palomba auf der Basis der älteren Vorlage konstruierte, ist streckenweise etwas abstrus und weitschweifig, spielt aber geschickt mit den bewährten Elementen der neapolitanischen Buffa, zu denen auch der Gebrauch des dortigen Dialekts, komische Duelle sowie der Einsatz von pittoresken Verkleidungen gehörten.
Erneut legt der serbische Cembalist Slobodan Jovanović, nach zwei CDs „The Italianate Bach“, eine Konzept-CD vor, diesmal Cembalomusik von Komponisten, die am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV. gewirkt haben. Und wieder ist man fast berauscht von der prachtvoll rauschenden Musik, die hier auch von der Tonregie unterstützt wird: Das zweimanualige Cembalo, das Jovanović spielt, ist ein Nachbau von Eckehart Merzdorf nach den Instrumenten des französisch-königlichen Hofinstrumentenbauers Pascal-Joseph Taskin. Den Klang dieses Instrumentes fängt die Tonregie vollumfänglich ein, vor allem die sonoren Basstöne. Der Raumklang der Laurentiuskirche in Karlsruhe ist ebenso präsent.
Wer eine besinnliche Romantisierung der Weihnachtszeit erwartet, wird auf dieser CD von Ute Schleich auf sehr anregende Weise „enttäuscht“. Zwar erklingt zu Beginn die Melodie von Stille Nacht, aber dies ist nur die Ouvertüre, um in ein überraschendes Klanguniversum einzutauchen, dass die Musikerin auf ihren verschiedenen Blockflöten erzeugt. Die wohl überstrapazierteste Melodie zur Weihnachtszeit biegt nach ein paar Phrasen in ein kühnes klangliches Labyrinth ab, in der sogar die Grenzen zwischen Variation und Improvisation fließend scheinen.
Das Opernleben um 1720 in London, Dresden, Hamburg und Neapel ist mittlerweile recht gut auf Tonträgern dokumentiert. Aber Wien? Diese Lücke schließen jetzt das Ensemble nuovo aspetto und vier exzellente Solisten mit ausgesprochen delikat instrumentierten Arien von Francesco Bartolomeo Conti (1682-1732). Da Conti als Hoftheorbist und ab 1713 auch Hofcompositeur selbst diverse Zupfinstrumente virtuos beherrschte, entsteht so ein höchst gelungenes Lehrstück für den Einsatz von Hackbrett, Harfe, Mandoline und Theorbe in der habsburgischen Barockoper. Die Auswahl wird ergänzt durch Kompositionen von Antonio Maria Bononcini (1677-1726) und Giuseppe Porsile (1680-1750).
Wer war Ioannes Cuisean? Wir wissen es nicht! Seine Messe für das Fest des Heiligen Gereon zu Köln 1663 ist ein Unikat, das vom Straßburger Domkapellmeister, Lexikographen und vielseitigen Komponisten Sébastien de Brossard gegen Ende des 17. Jahrhunderts katalogisiert wurde und dessen einzige Abschrift sich heute als Stimmensatz in der Pariser Nationalbibliothek befindet. Meinolf Brüser kombiniert seine Ersteinspielung mit den zugehörigen gregorianischen Propriumsgesängen sowie Orgelmusik von Johann Jakob Froberger und rekonstruiert so einen schlüssigen liturgischen Ablauf.
Hier wächst zusammen, was nicht zusammengehört – jedenfalls wenn man herkömmliche Stilschubladen bemüht. Tango und Chaconne haben nun wirklich nichts miteinander gemeinsam, auf dieser CD aber kombiniert das experimentierfreudige Ensemble La Ninfea munter beide Tänze und fügt gleich noch weitere hinzu. Von Forqueray und Händel bis Piazzolla reicht das stilistische Spektrum, das hier bunt durcheinandergewürfelt wird, und auch Mozart ist mit dabei. Das Ergebnis ist unkonventionell aber auch sehr erfrischend.
Auf drei vorausgegangenen CDs hat sich das Ensemble Aquel Trovar als erstklassige Vermittler der Musik vom späten Mittelalters bis in die Frührenaisseance profiliert. So weckt auch ihre neueste Einspielung mit dem Titel „De los sones e de los instrumentos‟ (also in etwa der Bezug zwischen den Klängen und den Instrumenten) hohe Erwartungen: Die in der spanischen Stadt Córdoba beheimatete Gruppe legt hier ein Programm von Instrumentalmusik der Zeit des Mittelalters bis in die frühe Renaissance vor, das insbesondere tänzerischen Rhythmen verpflichtet ist und erneut den erstklassigen Rang der Interpreten in ihrem Repertoire unter Beweis stellt.
Ernst von Dohnányi, 1877 in Preßburg, dem heutigen Bratislava, geboren, war ungarischer Herkunft. Seine cis-Moll-Violinsonate von 1912 verrät allerdings kaum diese Provenienz; sie erinnert vielmehr an den Stil von Brahms, dem Dohnányi nacheiferte, ohne dessen Originalität zu erreichen. Hellen Weiß, die in Köln und Dresden lehrt, und Paul Rivinius, der in München lebt, machen in ihrer flüssigen, ausgewogenen Darstellung deutlich, dass das epigonal wirkende, spätromantische Stück kontrastreich gearbeitet ist. Interessanter wirkt die zehn Jahre zuvor komponierte C-Dur-Serenade für Streichtrio, die in ihren fünf Sätzen sowohl Temperament und Sentiment wie auch einen Schuss Humor verrät. Hellen Weiß musiziert mit ihren beiden Partnern schwungvoll und dynamisch flexibel. Vom einleitenden Marsch, der einer alten Serenadentradition entspricht, bis zum humorvollen Finalrondo erlebt man vergnügliche Klänge und Rhythmen.
Das 2020 gegründete Ensemble Musica getutscht, – über den putzigen Namen später – bestehend aus Bernhard Reichel (Theorbe und Leitung), Mechthild Karkow (Barockvioline), Claudius Kamp (Blockflöte und Dulzian) und Julius Lorscheider (Claviere) hat sich für sein CD-Debüt mit der Sopranistin Pia Davila, die bereits interessante Liedaufnahmen eingespielt hat, zusammengetan, um Kompositionen des italienischen Frühbarock zu präsentieren. Dabei kreisen die Vokalwerke um La Madonna und La Maddalena. Diese werden in Instrumentalwerke von Salamone Rossi und Girolamo Frescobaldi eingebettet.
Wenn sich ein gemischtes Quartett nach dem Instrumentenbauer benennt, dem die Umformung der Barockoboe zur klassischen Form gelang, die bis heute – mit allerdings wesentlich reicher Beklappung – in Wien weiterlebt, kann man dies durchaus als Bekenntnis zu einem historisch informierten Interpretationsansatz betrachten. Der niederländische Oboist Eduard Wesly durchstöberte die europäischen Bibliotheken nach geeigneter Literatur, stieß dabei auf die Oboenquartette des Böhmen Georg Druschetzky und legt nach dem von mir eher kritisch betrachteten Vol. 1 jetzt eine völlig überzeugende Folge-CD vor.
„Ostwärts“ lautet der Titel der neuen CD der Festival Strings Lucerne, und er ist hier in gleich zweifacher Weise Programm: Zum einen ist mit Robert Schumanns für Streicher bearbeitetem Zyklus Bilder aus dem Osten op. 66 ein Werk zu hören, das auf einer literarischen Vorlage von Friedrich Rückert beruht. Dabei handelt es sich um die deutsche Übertragung der „Makamen“ aus dem 12. Jahrhundert, einer Form der orientalischen Dichtung, die den Geschichten um Till Eulenspiegel ähnelt. Aber nicht nur der Nahe Osten ist hier vertreten, auf der CD sind auch Werke von den unsererseits östlich verorteten Komponisten Franz Schreker und Antonín Dvořák zu hören, von Letzterem etwa die Serenade für Streichorchester op. 22 und dessen Andante aus dem Streichquartett op. 9 in einer Weltersteinspielung.
Schlagwerker im Orchester stehen oft am hinteren Rand der Bühne, dabei sorgen sie für den pulsierenden Herzschlag im Klangkörper und liefern viele Klänge, die gerade in einer Partitur benötigt werden. Als hochausgebildete Spezialisten verspüren sie nicht selten das Bedürfnis, aus dem Schatten heraus und ins Rampenlicht hinein zu treten. Und zwar nicht aus Eitelkeit, sondern aus künstlerische Konsequenz. Lukas Staffelbach, Fabian Ziegler und Matthias Kessler folgten diesem inneren Drang von Beginn ihrer Ausbildung an und haben sich nun mit ihren Album „En Couleur“ einen Traum verwirklicht, hinter dem fünf Jahre Entwicklungsarbeit stehen.
Cello concerto "Ekaitza", Tres Sonetos de Michelangelo, Piano Concerto "Piscis"
Ondine ODE 1442-2
1 CD • 72min • 2023
03.07.2024 • 10 10 10
Gabriel Erkoreka (Jahrgang 1969) gehört gemeinsam mit dem fast gleichaltrigen Ramon Lazkano zu den wichtigsten zeitgenössischen Komponisten des Baskenlands. Nach Studien in seiner Heimat bei Juan Cordero und Carmelo Bernaola vervollkommnete er seine Ausbildung in London bei Michael Finnissy, Brian Ferneyhough und Harrison Birtwistle. Mittlerweile unterrichtet er selbst Komposition an der erst vor gut 20 Jahren gegründeten Hochschule Musikene in Donostia‒San Sebastián. In der Stadt befindet sich ebenfalls das Hauptquartier des Baskischen Nationalorchesters, das nun drei zwischen 2009 und 2022 entstandene konzertante Werke mit den jeweiligen Uraufführungssolisten eingespielt hat.
Das Cover dieser Einspielung des Pianisten Mario Häring ist ein echter Hingucker: ein grellbuntes Gesicht vor dunkelblauem Hintergrund, überwuchert von irisierenden Blumenmustern und einem markenten Schriftzug: Extase. Genau darum geht es auf dieser CD, die einen Spiegel dessen bieten, was sich Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts darunter vorgestellt haben. Doch kommt es bei einer CD ja zum Glück immer noch auf den Inhalt und weniger auf das äußere Erscheinungsbild an. Da sind zum einen die üblichen Verdächtigen, die vielen Pianisten zu diesem Thema einfallen würden: Franz Liszt, vertreten mit dem Mephisto-Walzer Nr. 1, Richard Wagner (Isoldes Liebestod) oder Claude Debussy (L’Isle joyeuse). Und natürlich Alexander Skriabin, der aber nicht mit seinem für Orchester konzipierten Poème de L’Extase vertreten ist (woher vermutlich aber trotzdem die im Deutschen laut Duden falsche Schreibweise mit „x“ übernommen wurde), sondern mit seiner nicht weniger ekstatischen Klaviersonate Nr. 5.
Dazu gehört Courage: Ein ganzes Programm aus Übertragungen von Werken zu bestreiten, die nicht für das eigene Instrument geschrieben wurden. Céleste-Marie Roy hat es gewagt: Sie bietet Kompositionen für Flöte auf dem Fagott dar und spannt darüber hinaus noch einen weiten zeitlichen Rahmen vom Spätbarock J. S. Bachs über den für die frühe Klassik prägenden Stil seines Sohnes Carl Philipp Emanuel bis zum Zeitalter der Romantik, das hier von Friedrich Kuhlau (1786-1832) verkörpert wird. Ein mutiges Vorhaben, nicht nur die instrumentale Stimme von der Flöte auf das Fagott zu übertragen, sondern dabei auch ein musikalisches Jahrhundert zu umspannen, das zu Friedrich Kuhlaus Lebzeiten in den letzten hundert Jahren – ganz ähnlich zur politischen Geschichte – einen radikalen Wechsel vollzogen hatte.
Wenn ein Regensburger Stadt- und Dekanatskantor die Gelegenheit erhält, eine neue Orgel zu disponieren, möchte er diese auch mit mannigfaltigem Repertoire vorstellen. Hierbei verlässt sich Roman Emilius jedoch nicht auf die größten Hits der Orgelliteratur – obwohl er es zweifelsohne könnte – sondern stellt ein höchst abwechslungsreiches, drei Jahrhunderte umfassendes Programm zusammen, zu dem er sogar eigene Bearbeitungen beisteuert. Nebenbei entsteht auf diese Weise eine „Schule der originellen Registrierung“.
Zuweilen mutet ist die Musik von Gabriel Fauré ein wenig wie das Mauerblümchen der französischen Romantik an. Es gibt kaum einen Komponisten, der produktiver und fleißiger war, und doch werden immer Camille Saint-Saëns, Claude Debussy oder Maurice Ravel an erster Stelle genannt. Dabei hat sich Fauré nicht nur fast schon systematisch durch zahlreiche Gattungen der Musik durchgearbeitet, er hat auch immer wieder Melodien hinterlassen, die – wie etwa die Sicilienne oder das Requiem – Ewigkeitswert haben.
Morton Feldman (1926-1987) wird oft fälschlicherweise zu den Komponisten der amerikanischen Minimal Music gezählt; prägend waren dort vor allem Steve Reich, Philip Glass, Terry Riley und La Monte Young. Feldman gehört jedoch mit John Cage, Christian Wolff und Earle Brown vielmehr zur sogenannten New York School, die sich von der gleichnamigen Gruppe bildender Künstler (Jackson Pollock, Philip Guston, Mark Rothko…) und Dichter, also Vertretern des abstrakten Expressionismus, inspirieren ließ. Auch wenn insbesondere Feldman gerade in seinem Spätwerk ab Mitte der 1970er Jahre mit sehr sparsam gesetzter, extrem langsamer, leiser und vor allem langer Musik auffällt – das 2. Streichquartett dauert etwa über 5 Stunden –, unterscheidet er sich doch grundlegend von obigen klassischen „Minimalisten“.
„Transformation“ hat der junge Cellist Jeremias Fliedl, Jahrgang 1999 und u.a. noch Schüler des großen Heinrich Schiff, sein Debütalbum genannt, und in der Tat greifen alle vier hier versammelten Werken auf unterschiedliche Weise Material oder stilistische Charakteristika von Musik vergangener Zeiten auf und unterziehen sie einem Transformationsprozess. Fliedl zur Seite stehen dabei das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter der Leitung von Emmanuel Tjeknavorian, der nicht nur Geiger ist, sondern sich mittlerweile so wie sein Vater Loris auch als Dirigent einen Namen gemacht hat.
Schon seit geraumer Zeit hat mich keine Blockflöten-CD mehr so häufig zum zustimmenden Nicken gebracht wie das Debüt-Album von Magdalena Spielmann und ihren Mitstreitern von Acanthus Baroque. Einerseits ist die Programmauswahl mit Beschränkung auf London von 1680-1730 stimmig, indem durchaus Bekanntes mit nahezu Unbekanntem, jedoch Spanndendem gemischt wird und sie wird – was selten ist – auch konsequent durchgehalten. Andererseits ist die Ausführung superb und nutzt endlich einmal die Spielräume, welche die barocke Verzierungskunst den Interpreten bietet.
Max Volbers recorder • Alexander von Heissen harpsichord
Berlin Classics 0303407BC
1 CD • 77min • 2023
21.09.2024 • 10 10 10
Max Volbers und sein Partner an Cembalo und Orgelpositiv Alexander von Heissen nehmen sich in ihrer neuesten Einspielung dem dankbaren Thema der Blockflötenmusik in London zwischen 1700 und 1730 an. Schließlich bestand ein Drittel aller Ausgaben des als Verleger und Raubkopierer berüchtigten John Walsh aus Publikationen für dieses bei den Gentlemen ungemein beliebte Instrument. Die beiden Interpreten mischen hier gekonnt seit langem im Repertoire Verankertes mit eigenen Arrangements von eigentlich für andere Instrumente gedachten Kompositionen. Bei zwei „Schlachtrössern“ gelingt ihnen eine Referenzaufnahme.
Während der Italiener Mauro Giuliani (1781- 1829) in Wien, Rom und Neapel für längere Zeit feste Spielorte fand, war sein Zeitgenosse Niccoló Paganini (1782 – 1840) ein Prototyp des reisenden Virtuosen, der in Europa als musikalischer Hexenmeister gefeiert wurde. Es ist durchaus sinnvoll, Werke beider Meister in einem Album nebeneinander zu stellen, da viele ihrer Kompositionen für die Duo-Besetzung Violine und Gitarre bestimmt sind. Der 2017 verstorbene Geiger Rainer Kußmaul, der von 1993 bis 1998 erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker war und außerdem einen bedeutenden Ruf als Lehrer hatte, erarbeitete gemeinsam mit der Freiburger Gitarristin Sonja Prunnbauer ein Programm, das die Klangwelt dieser speziellen Kombination am Übergang von der Klassik zur Romantik spiegelt.
Erinnerungen an das Goldene Zeitalter der seinerzeit in zwei Jahrzehnten gereiften historisch informierten Aufführungspraxis ruft diese CD den Freunden der Alten Musik ins Gedächtnis. Denn hier erscheint eine Aufnahme von Neuem, mit der seinerzeit ein erstrangiges Ensemble Literatur vorstellte, die nach Jahrhunderten der Vergessenheit entrissen wurde: Das erste Madrigalbuch von Johann Grabbe (1585-1655) – er teilt nicht unverdient sein Geburtsjahr mit Heinrich Schütz – wurde 1985 eingespielt; jetzt kommt eine Neuauflage auf CD: Sie bedeutet die Würdigung des diesjährigen 80. Geburtstags von Anthony Rooley, der mit seinem Consort of Musicke seinerzeit diese noch noch auf dem damaligen Leitmedium der Schallplatte erschienene Einspielung aufgenommen hat.
Margarita Höhenrieder kombiniert auf ihrer neuesten Einspielung das für sie geschriebene Stück Stilla – eine Bereicherung des Repertoires für die linke Hand allein – des Isländischen Komponisten Hjalmar Hegi Ragnarsson mit Edwards Griegs beliebtesten Schlachtrössern: den beiden Peer Gynt- Suiten und dem Klavierkonzert op. 16. Beim Konzert wird sie von der Nordwestdeutschen Philharmonie unter Jonathon Heyward unterstützt, bei den Ibsen-Kompositionen wählte sie die vierhändige Bearbeitung des Komponisten, die sie gemeinsam mit dem finnischen Pianisten Antti Siirala interpretiert.
Das 2018 gegründete Gropius Quartett setzte sich mit dem Namen des Bauhaus-Architekten Walter Gropius das Ziel, klare Struktur mit musikantischer Leidenschaft zu verbinden. Und dazu gehört auch die Suche nach Neuem. Fündig wurden Friedemann Eichhorn und Indira Koch (alternierend an der ersten und zweiten Violine), Alexia Eichhorn (Viola) und Wolfgang Emanuel Schmidt (Violoncello) bei George Alexander Albrecht (1935 – 2021), der dem Ensemble sein 2018 entstandenes Streichquartett Von Angst und Trauer erlöst durch die Liebe widmete. Der vor allem als weit gereister Dirigent bekannte George Alexander Albrecht hat mit diesem Werk ein sehr persönliches Stück hinterlassen, das den Weg aus Nacht zum Licht, gestützt auf literarische Zeugnisse von Franz von Assisi über Johann Wolfgang Goethe bis zu Else Lasker-Schüler, nachzeichnet.
Welch ein gelungenes Recital mit Reflexionen über Georg Friedrich Händels Kompositionsweise und Kompositionen aus drei Jahrhunderten. Kenneth Hamilton wählte drei großformatige Variationswerke von Beethoven, Brahms und Liszt und ergänzte diese mit Einzelsätzen und Bearbeitungen Händelscher Sätze von Mozart, Charles Valentin Alkan, Wilhelm Kempff und Percy Aldridge Grainger. Das Ergebnis ist mit 72 Minuten Tastenzauber auf allerhöchstem Niveau gleichermaßen instruktiv wie vergnüglich.
Obwohl für das Klarinettentrio mit Klarinette, Violoncello und Klavier wunderschöne Kammermusik geschrieben wurde, findet man diese Besetzung doch eher selten als feste Formation. Dass aber gerade die Verbindung von Holzblasinstrument, tiefem Streicher und Tasteninstrument eine besonders reizvolle Kombination ist, die noch dazu ein warmes Timbre hat, bewog die drei Musiker des Chimaera Trios 2012 zur Gründung ihres Ensembles. Annemiek de Bruin (Klarinette), Irene Kok (Violoncello) und Laurens de Man (Klavier) schöpfen in ihren Programmen aus dem erstaunlich großen Repertoire der Originalwerke sowie Arrangements und Neukompositionen für ihr Trio. Nachdem sie sich auf der vorangegangenen Aufnahme dem „Fin de Siècle“ und damit der Musik Gustav Mahlers, Alexander von Zemlinskys, Alban Bergs und Anton Weberns gewidmet haben, ging es für die neue CD bei MDG zeitlich noch einen Schritt zurück und geographisch in den Norden.
Symphonies Heidelberger Sinfoniker • Johannes Klumpp
hänssler CLASSIC HC24039
4 CD • 4h 44min • 2022, 2023
12.10.2024 • 10 10 10
Mit dieser vier CDs umfassenden Box ist das Projekt der Heidelberger Sinfoniker beendet, alle Haydn-Sinfonien einzuspielen. Begonnen haben die Heidelberger mit dem Dirigenten Thomas Fey, geendet mit Johannes Klumpp. Am besten liest man erst das von Klumpp verfasste Booklet. Denn keiner kann so herzlich nichtwissenschaftlich und doch so feinsinnig-gelehrt und damit so appetitanregend über Haydn-Sinfonien reden bzw. schreiben wie eben Johannes Klumpp.
Symphonies Vol. 28-31 Heidelberger Sinfoniker, Johannes Klumpp
hänssler CLASSIC HC23081
4 CD • 5h 00min • 2021, 2022
28.01.2024 • 10 10 10
Vierzehn Jahre hat Adam Fischer ab 1987 mit dem Austro-Hungarian Haydn Orchestra gebraucht, um alle Symphonien von Joseph Haydn aufzunehmen. Die Heidelberger Sinfoniker könnten es mit ihrer geplanten Gesamtaufnahme schneller schaffen. Bei Volume 31sind sie mit dieser 4-CD-Box schon angelangt. Angefangen haben sie mit Thomas Fey als Dirigenten, weitergemacht haben sie mit Johannes Klumpp. Der erfreut schon vor dem Hören durch das Lesen – und ich darf mich hier wiederholen: So herzerfrischend sympathisch, so wortgewandt und wortverliebt, so treffgenau in Beschreibung und Vergleich stellt er die Symphonien vor, dass man sofort nachhören will, ob das alles so zutrifft – oder dass man schon die Beschreibung fürs Hören nimmt.
Cello Concertos Michał Balas, Kurpfälzisches Kammerorchester, Christian Erny
Berlin Classics 0303340BC
1 CD • 49min • 2023
13.07.2024 • 10 10 10
Haydns beide Cellokonzerte sind schon von sehr vielen Solisten aufgenommen worden, jeder, der etwas auf sich hält, möchte hier seine Visitenkarte hinterlassen. Sich hier einzureihen erfordert Mut und Selbstbewusstsein. Beides hat der junge polnische Cellist Michał Balas. Zu erleben sei „der frische und unbefangene Blick eines jungen Musikers auf das Zentralmassiv seines Repertoires“, formuliert das Booklet metaphernfreudig. In der Tat überzeugt dieser „frische und unbefangene Blick“ des Solisten: Alles klingt frisch, persönlich und wie neu.
„Miracle Brothers“ – so ist die CD der Österreichisch-Ungarischen Haydn Philharmonie unter der Leitung von Enrico Onofri untertitelt. Die Rede ist von Joseph und Michael Haydn, die doch eine sehr unterschiedliche Karriere machten und deren Musik heute auch keinesfalls gleichermaßen verbreitet ist. Der musikalische Weg der beiden Brüder verlief zunächst noch recht ähnlich: Beide erhielten ihre erste Ausbildung in Hainburg und gingen später nach Wien, wo sie zunächst Chorknaben an St. Stephan wurden und ihre musikalische Ausbildung erhielten. Trotz des Altersunterschieds von fünf Jahren verbrachten sie einige Jahre gemeinsam im Wiener Kapellhaus, bevor sich ihre beruflichen Wege trennten und in sehr unterschiedlichen Richtungen verliefen: Joseph Haydn machte Karriere in Esterháza und unternahm von dort aus sehr erfolgreiche Reisen innerhalb Europas. Sein jüngerer Bruder Michael hingegen ging nach Salzburg an die Hofkapelle, wo er sich einen ausgezeichneten Ruf erarbeitete, der sich aber weitestgehend auf Salzburg beschränkte.
Es ist das Land der Gegensätze und Widersprüche, aber auch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Amerika. Das lässt sich auch trefflich musikalisch vorexerzieren, wie die Pianistin Claire Huangci mit ihrer Einspielung „Made in USA“ zeigt. Hier ist eine große Bandbreite der stilistischen Vielfalt zu erleben, die das Land ausmachen: Spätromantik à la Amy Beach, Jazz und Improvisation à la George Gershwin und Earl Wild sowie Avantgarde à la Samuel Barber. Claire Huangci, das zeigt sie hier sehr deutlich, ist in allen Genres zu Hause. Pianistische Brillanz geht hier mit musikalischer Intelligenz einher. Das Ergebnis ist schlichtweg atemberaubend.
Blättert man im Münchner Telefonbuch – heutzutage selbstverständlich elektronisch – stößt man (Varianten wie Johann und Johannes eingerechnet) wohl 50-mal auf den Namen Hans Huber. Desto besser, dass der Komponist mit dem Allerweltsnamen keine Allerweltsmusik zu Papier brachte. Oliver Triendl und dem Carmina Quartett ist mit Hubers zwei kontrapunktisch hochvirtuosen, spieltechnisch äußerst anspruchsvollen Klavierquintetten eine veritable Trouvaille gelungen, die sich als ebensolcher Edelstein im Raritätenkabinett von cpo ausnehmen dürfte.
Das Ensemble BachWerkVokal unter Gordon Safari beschreitet den eingeschlagenen Weg weiter und präsentiert wieder eine thematisch zusammengestellte Aufnahme: „Jauchzet & Lobet“ ist diesmal das Motto und Johann Sebastian Bach der Komponist. Jubel-Kantaten und Jubel-Motetten hat Safari miteinander kombiniert. Und wieder ist eine wunderbar leichte, gelöste und doch hochkünstlerisch gespannte Aufnahme dabei herausgekommen. Sehr authentisch ist der Aufnahmeort: Bachs Thomaskirche in Leipzig, die hier gar nicht so extrem nachhallig wirkt. Und sehr authentisch ist auch die Aufnahme selbst: Chor- und Orchesterklang sind vorbildlich ausgewogen, das Hörbild kann natürlicher nicht sein. Und endlich einmal sind die einzelnen Chorstimmgruppen sowohl deutlich getrennt und äußerst transparent als auch harmonisch zusammengemischt: Transparenz und Harmonie in glücklicher Einheit.
Selbst mir, der sich auf die Kenntnis der englischen Musik des 16. - 18. Jahrhunderts ziemlich viel einbildet, war der Name George Jeffreys (um 1610 – 1685) völlig unbekannt. Dies mag daran liegen, dass Jeffreys zeitlebens hauptberuflich Sekretär und Administrator der Liegenschaften des 1. Baron Hatton auf Kirby Hall in Northamptonshire im östlichen Mittelengland war. Während des Oxforder Exils der Royalisten im englischen Bürgerkrieg avancierte er zum Organisten des 1649 von den Puritanern hingerichteten Charles I. Solomon's Knot präsentiert eine fulminante Ersteinspielung der 2021 erstmalig in Band 105 der Musica Britannica erschienenen englischen geistlichen Lieder und Anthems.
Die mit gerade mal 25 Jahren verstorbene Tschechin Vítězslava Kaprálová (1915‒1940), offenkundig schon als Jugendliche eine kompositorische Hochbegabung, studierte nach anfänglichem Unterricht durch ihren Vater Václav Kaprál – selbst noch Schüler Janáčeks – bei Vítězslav Novák in Prag, schließlich in Paris bei Bohuslav Martinů. Für ihre Militär-Sinfonietta erhielt sie 1937 den Preis der Smetana-Gesellschaft und trat damit zudem als erste weibliche Dirigentin der Tschechischen Philharmonie auf; ihre Lehrer hierbei waren keine Geringeren als Zdeněk Chalabala und später Charles Münch.
Monument to Beethoven Beethoven | Mendelssohn | Khozyainov | Schumann
Rondeau ROP6274
1 CD • 78min • 2024
15.11.2024 • 10 10 10
Und wieder ein Klavierwunder aus Russland, aus dem fernsten Osten, knapp an der Grenze zu China: Nikolay Khozyainov wurde 1992 in Blagoveshchensk geboren, die Familie zog wenig später nach Moskau und dort gab er im Alter von sieben Jahren sein Debüt mit dem Moskauer Philharmonischen Orchester. Sein Studium am Tschaikowsky-Konservatorium schloss er mit Auszeichnung ab, gewann zahlreiche Wettbewerbspreise und gastiert in der ganzen Welt – kaum aber in Deutschland. Seinen eigenen Angaben nach spricht er elf Sprachen fließend und gibt auch Interviews in diesen allen Sprachen. Zurzeit lebt er in Genf.
Nachdem ich mich mit den bisherigen Volumina der Klaviertrios von Leopold Anton Kozeluch (1747-1818) vom Trio 1790 nicht so recht anfreunden konnte, durfte ich bei der neuesten Produktion mit Freude konstatieren, dass mein Genörgel hinsichtlich zusätzlicher Verzierungen bei Wiederholungen auf offene Ohren traf. Volume 4 bringt drei inhaltlich leichte, jedoch nicht leicht auszuführende, unterhaltsame Trios aus dem Zeitraum von 1782-1798 als Ersteinspielungen.
Die argentinische Flötistin Maria Cecilia Muñoz und ihre kanadische Klavierpartnerin Tiffany Butt haben die durch die Corona-Pandemie verfügten Einschränkungen genutzt, um ein Konzeptalbum zum Thema „Freiheit und Gefangenschaft“ zu entwickeln. Diese Unfreiheit kann entweder aus sozialen, politischen oder speziesistischen Zwängen resultieren und wird hier an zu dressierenden Singvögeln und komponierenden Frauen exemplifiziert. Da absolut hinreißend musiziert wird, kommen jedoch auch – gern über Konzeptalben spottende – „alte weiße Männer“, zu denen der Rezensent sich ohne jegliche Scham rechnet, voll auf ihre Kosten.
Als Klavierkomponist war Franz Liszt in seinem ureigensten Element. Das immense Gesamtwerk, das er für sein Instrument hinterließ, bildet in seiner Vielgestaltigkeit das ganze Wesen seines Schöpfers ab. Es ist eine Welt für sich, in der durchaus auch Widersprüche nebeneinander existieren können. Vergeistigtes trifft auf Populäres, ausgesprochenem „Virtuosenfutter“ stehen sparsamste, allem äußeren Prunk abholde Gebilde gegenüber. Liszt war ein Bahnbrecher und Wegbereiter, der im besten Sinne Unerhörtes vollbrachte, aber auch ein Mann von Welt, der virtuos Konventionen seiner Zeit zu bedienen wusste.
Die Lautten Compagney Berlin ist unermüdlich in der Produktion von CDs. Mit der neusten, betitelt „The Lute Songbook“, hat dieses Ensemble eine Art Resümee seiner künstlerischen Arbeit gezogen, sie „zeigt den aktuellen Stand der Ensemblekunst der Musizierenden in der lautten compagney im Jahre 2024“, schreibt Wolfgang Katschner, der mit Hans-Werner Apel seit 1984 zusammen musiziert und dieses Ensemble im damaligen Ostberlin gegründet hat, im zweisprachigen Booklet (in dessen deutschsprachigem Teil einige Seiten vertauscht sind). Die lautten compagney sei ihr „Lebensprojekt und als solches ein Gesamtkunstwerk“ geworden. Das Ensemble feiert also ihr 40-jähriges Bestehen. So hat die lautten compagney die liebsten Stücke aus diesen 40 Jahren zusammengetragen, neu arrangiert und neu aufgenommen.
Das Material Holz ist ein ganz besonderer Werkstoff, über den man ganze Seiten füllen könnte, um seine Eigenschaften aufzuzählen. Ohne Holz würde auf jeden Fall der größte Teil der Musik auf unserem Planeten nicht so erklingen, wie sie es tut. Eine der edelsten und zugleich härtesten Holzarten ist zweifellos Palisander, dessen reinste Qualität in Mittelamerika vorkommt – der Ursprungsregion der Marimbafon. Der japanische Meistermusiker Fumito Nunoya verfeinert auf seinem neuen Album "Marimba Prayers" seine hohe Kunst, mit der er die herausragenden Klangqualitäten dieses besonderen Schlaginstruments zur Geltung bringt.
Mendelssohn Project | Vol. 4 String symphonies 8 – 10
MDG 912 2265-6
1 CD/SACD stereo/surround • 65min • 2021
02.02.2024 • 10 10 10
Und weiter geht’s mit dem „Mendelssohn Project“ des dogma chamber orchestra mit Mikhail Gurewitsch als Konzertmeister beim Label MDG Dabringhaus und Grimm. Die Sinfonias VIII – X sind es, die hier aufgenommen sind, die Sinfonien, bei denen man hören kann, wie der 13-jährige Felix sich das sinfonische Rüstzeug beschafft, wie er seine Vorbilder Bach, Haydn, Mozart und Beethoven studiert und sich an ihnen orientiert hat, wie er sich von ihnen inspirieren ließ – und wie er sich langsam von ihnen emanzipiert. Spannungsgeladene Einleitungen wie bei Haydn, komplexe Kontrapunktik wie bei Mozart und Rhythmik wie bei Beethoven vermischen sich hier zu etwas ganz Eigenem, Neuem.
Felix Mendelssohn-Bartholdy komponierte und improvisierte seit seinem 11. Lebensjahr recht fleißig an der Orgel, veröffentlichte jedoch zu Lebzeiten nur die 3 Präludien und Fugen op. 37 und die 6 Sonaten op. 65. Diese passen mit gut 90 Minuten Spielzeit sehr bequem auf zwei CDs. Nachdem für die neue Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy auch die in Krakau und Berlin befindlichen Manuskripte ausgewertet wurden, kamen neben den 12 (Präludien und Fugen in op. 37 einzeln gezählt) gedruckten Werken, weitere Kompositionen für die Gruppe MWV W des Werkverzeichnisses, in der sich die Orgelkompositionen befinden, hinzu, die mittlerweile in unterschiedlichen Ausgaben bei den Verlagen Novello, Bärenreiter und Breitkopf (Text der GA) mehr oder weniger vollständig vorliegen. Diese verdoppeln die Spieldauer auf knapp drei Stunden.
Um eine sehr reizvolle und spannende Aufnahme, die einen die Musik Felix Mendelssohn Bartholdys ganz anders erleben lässt, handelt es sich bei der neuen CD des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim. Unter der Leitung von Douglas Bostock, der in den vergangenen Jahren gemeinsam mit dem Orchester bereits für einige positive Überraschungen gesorgt hat, ist nun eine Aufnahme mit Transkriptionen der Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy entstanden. Diese umfasst Auszüge aus den Lieder ohne Worte, also Klavierwerke sowie ein Arrangement des Doppelkonzerts von Mendelssohn, hier statt für Violine und Klavier für Flöte und Harfe. Alle Arrangements wurden von Andreas N. Tarkmann vorgenommen, der nicht nur als Arrangeur äußerst erfolgreich ist, sondern auch für seine eigenen Kompositionen sehr geschätzt wird.
Der Pianist Benyamin Nuss und der Mundharmonika-Spieler Konstantin Reinfeld haben sich erneut zusammengetan und ein Weihnachts-Album aufgenommen. Schon ihre erste CD ("Debut") mit einem bunten Repertoire hat auf ganzer Linie überzeugt, musikalisch ohnehin, aber auch im Hinblick auf die klanglichen Möglichkeiten, die diese außergewöhnliche Kombination bietet. „Merry Harmonica“ lautet der Titel der neuen Scheibe, und der ist in mehrfacher Hinsicht wunderbar passend, denn wem sollte diese CD nicht ein paar frohe Momente bescheren.
Christvesper Dresden 1624 Historia von der Geburt unsers Herren Jesu Christ
cpo 555 698-2
1 CD • 67min • 2024
11.11.2024 • 10 10 10
Wer sich am singulären Weihnachtsoratorium von J. S. Bach satt- oder gar abgehört haben sollte und die Weihnachtshistorie von Heinrich Schütz auch bereits auswendig kennt, dem bietet das Ensemble Polyharmonique unter Alexander Schneider jetzt eine schlichtere Alternative in Form der Historia von der Geburt unseres Herrn Jesu Christi von Schützens Amtsvorgänger am Dresdner Hof, Rogier Michael, der mit Orlando di Lasso als einer der letzten Repräsentanten der franko-flämischen Schule gilt. Diese bildet den quasi-liturgischen Kern einer fiktiven Christvesper, wie sie um 1624 stattgefunden haben könnte.
Wurde ein fünfter Evangelist namens Nikodemus entdeckt? Nein, so sensationell ist es dann doch nicht. Das Evangelium des Nikodemus gehört zu den wirkmächtigsten frühchristlichen Texten, die als sogenannten Apokryphen, nicht ins Neue Testament aufgenommen wurden. Hierbei handelt es sich um eine Sammlung dreier Textkomplexe: den – fiktiven – Prozessakten des Pilatus, die Joseph von Arimathia und Nikodemus, die Jesus begruben, einen besonderen Stellenwert einräumen, die Auferstehungsberichte, wiederum mit Akzentuierung Josephs, und die ausführliche Darstellung der Höllenfahrt Jesu. Es inspirierte den Mönch von Salzburg zu einem neunstrophigen Lied, das Anne-Suse Enßle und Philipp Lamprecht mit instrumentalen Zwischenspielen zu einer mittelalterlichen Passion verarbeiteten.
Das Cover schmückt zwar ein Engel mit der Posaune – aber die dazugehörige CD mit Concerto Köln gehört der Oboe, gespielt von Clara Blessing, der Oboe, die der damals berühmte Musikschriftsteller Johann Mattheson so beschreibt: „Die Hautbois kommen, nach der Flute Allemande, der Menschen-Stimme wol am nähesten, wenn sie mannierlich und nach der Sing-Art tractirt werden, wozu ein großer Habitus und sonderlich die ganze Wissenschaft der Singe-Kunst gehöret.“ Und Clara Blessing „tractirt“ ihre Oboe in der Tat höchst „mannierlich“, lässt ihre Oboe singen, wie eine menschliche Stimme sprechen, plappern und plaudern, lässt sie zwitschern und sprudeln und tanzen, aber auch klagen und arios lamentieren und überhaupt leuchten in allen Klangfarben.
Klarinettenquintette Simon Reitmaier • Auner Quartett
Gramola 99123
1 CD • 1h 28min • 2016, 2017
11.05.2024 • 10 10 10
Drei Klarinettenquintette stellt die vorliegende CD (mit einer Spieldauer von beinahe 88 Minuten geradezu sensationell prall gefüllt) einander gegenüber: Mozarts Quintett, das die Gattung faktisch etablierte, bildet sinnigerweise den Anfang, Max Regers Quintett, das in mancher Hinsicht auf Mozarts Werk Bezug nimmt und selbst ein Markstein des Repertoires ist, den Abschluss, und dazwischen findet man mit dem Quintett von Ernst Ludwig Leitner ein jüngeres Werk, das sich ebenfalls und noch wesentlich direkter auf Mozarts Quintett bezieht. Der junge österreichische Klarinettist Simon Reitmaier spielt diese Werke gemeinsam mit dem 2013 in Wien gegründeten Auner-Quartett.
Wer für seine Schubert-Interpretationen gefeiert wird, hat nicht unbedingt die Garantie, auch für sein Mozart-Spiel gefeiert zu werden. Die chinesische Pianistin Ran Jia hat ihre CD einfach „Mozart“ benannt – als ob es eine Quintessenz wäre. Sinnend und nachdenklich schaut sie auf dem Cover – und wirklich ist diese Aufnahme das Produkt eines wissenden und sehr reflektierten Spiels. Schon die Auswahl der Werke zeugt von intensiver Überlegung: Spielwitz in der B-Dur-Sonate KV 281, verschwenderischer Variationsreichtum in der Dürnitz-Sonate KV 284, Tragikschwere in der a-Moll-Sonate KV 310 und Düsternis in der c-Moll-Fantasie KV 475. Als wollte Ran Jia alle Tiefen des Mozart’schen Gemüts ausloten.
Musik der Hansestädte Vol. 2 Werner • Erben • Förster • Büttner • Siefert • Wanning
cpo 555 647-2
1 CD • 71min • 2023
03.06.2024 • 10 10 10
Manfred Cordes, emeritierter Professor für Musiktheorie und Kontrapunkt sowie ehemaliger Dekan und Rektor der Hochschule für Künste Bremen, gehört zu den unbestrittenen Spezialisten für die Musik des 16. und 17. Jahrhunderts. 1993 gründete er das Ensemble Weser-Renaissance Bremen und erweiterte schließlich seinen darstellerischen Horizont der norddeutschen Renaissance- und Barockmusik mit der Gründung des Europäischen Hanse-Ensembles, das er 2019 ins Leben rief: Hier erarbeitet er mit jungen Musikerinnen und Musikern aus ganz Europa das musikalische Erbe der alten Hansestädte. Auf die erste Veröffentlichung mit dem Europäischen Hanse-Ensemble, die dem musikalischen Erbe der Hansestadt Stralsund gewidmet war, folgt jetzt als zweite CD der Reihe „Musik der Hansestädte“ die „Musik aus dem alten Danzig“.
Transkriptionen sind gleichermaßen anspruchsvolles Handwerk wie hohe Kunst. Durch sie werden originale Werke für ein neues Instrument erschlossen, wird neues Repertoire geschaffen. Die Frage nach dem Warum ist damit schon zum Teil beantwortet: von jeher versuchten Musiker ihr Repertoire zu erweitern, von jeher wollten sie jene Werke spielen, die eigentlich gar nicht für ihr Instrument geschrieben wurden, auch wenn es manchmal wie ein Ding der Unmöglichkeit anmutet – etwa im Falle des Konzertes für vier Cembali (BWV 1065) von Johann Sebastian Bach. Genau das hat der Pianist Florian Noack aber versucht. Natürlich geht es dabei nicht darum, jede einzelne Note zu retten, sondern darum, die musikalische Substanz so gut es geht an das neue Instrument anzupassen.
James D. Hicks ist auf seiner Reise durch die nordische Orgelmusik des 19. – 21. Jahrhunderts bereits bei der 15. Folge angekommen und www.klassik heute.de bekommt erstmalig die Gelegenheit auf diese hochinteressante Serie hinzuweisen. Nachdem er zuvor Skandinavien von Island im Westen bis Finnland im Osten durchquert hat, macht er nun im Baltikum Station und präsentiert teilweise nur im Manuskript vorliegende Werke estnischer, litauischer und lettischer Komponisten, bei denen es sich zumeist um Ersteinspielungen handeln dürfte. Beraten wurde er bei der Auswahl durch den Organisten der Universität Vilnius, Vidas Pinkevicius, dessen Website zur Orgelpädagogik einen Besuch lohnt und der mit seiner Suite nach litauischen Volksliedern auch als Komponist auf der CD vertreten ist.
Las siete Cantigas d'Amigo de Martin Codax Aqvel Trovar
Aqvel Trovar AT170103
1 CD • 53min • [P] 2024
15.12.2024 • 10 10 10
Die Kunst der Troubadoure, entstanden im hohen Mittelalter als höfische Dichtung im südfranzösischen Geltungsbereich der altprovenzalischen bzw. altokzitanischen Sprache, wirkte als Liebeslyrik in das lateinisch geprägte Mitteleuropa hinein: zunächst in den französischen Norden als Dichtung und Musik der Trouvères, und dann auch in das benachbarte Deutschland als „Minnesang“. Neben den männlichen Troubadouren gab es auch die Trobairitz, die als weiblicher Widerpart ihrer Kollegen die höfische Liebe aus dem Blickwinkel der Frauen besangen: mittelalterliche Emanzipation also.
Wohl wenigen Spezialisten für die Musik um 1650 dürfte der Name des einstigen Weimarer und später Eisenacher Hoforganisten Andreas Oswald (1634-1665) bisher untergekommen sein, von dem einzig 18 Solo- und Ensemblesonaten erhalten sind. Abwechslungsreiche, virtuose, farbige und spannende Musik, die stilistisch der italienisch geprägten österreichischen Hofmusik um Antonio Bertali, J. H. Schmelzer nahe steht, gelegentlich wie eine Vorwegnahme H. I. F. Bibers klingt und von der Capella Jenensis brillant und stilsicher interpretiert wird.
Frage an Radio Eriwan: Können 10 Blechbläser und ein Schlagzeuger ein komplettes Orchester ersetzen? Antwort: Im Prinzip nein, aber seit 50 Jahren gibt es eine Truppe namens German Brass aus Solobläsern namhafter Orchester mit Hochschulprofessuren, die bekommen das ohne weiteres hin. Zum goldenen Jubiläum hat sich das mit je drei Trompeten, Hörnern und Posaunen, Tuba und Schlagzeug musizierende Ensemble neun bekannte Ouvertüren vorgenommen. Eine Einspielung, vor der man den Hut ziehen und gratulieren muss.
The Complete String Quartets • Guitar Quartet • Clarinet Quartets
cpo 555 469-2
3 CD • 3h 00min • 2017-2022
26.02.2024 • 10 10 10
Exakter Zeitgenosse von Dmitri Schostakowitsch, Edmund von Borck, Ulvi Cemal Erkin, Klaus Egge, Paul Creston und Arnold Cooke, ist Boris Papandopulo (1906-91) Kroatiens bedeutendster Klassiker der Moderne. In seinem Schaffen ist eine eigentümliche Verschränkung von volksmusikalischer Verwurzelung und kosmopolitischer Aufgeschlossenheit bemerkenswert, wie dies ja auch bei anderen Nationalkomponisten der klassischen Moderne aus Südosteuropa wie Nikos Skalkottas, Marin Goleminov oder Ahmed Adnan Saygun, wenngleich mit anderen Gewichtungen, typisch ist. Papandopulo darf man mit seinen amalgamierenden Fähigkeiten ähnlich etwa Hilding Rosenberg oder Alexander Tansman als Eklektiker bezeichnen, dies allerdings auf höchstem Niveau.
Zahlreiche Bühnenwerke hat Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736) in seinem kurzen Leben geschaffen, doch während seine abendfüllenden Opern nach seinem Tode der Vergessenheit anheimfielen und erst in unseren Tagen wieder den Weg auf die Bühne fanden, trat sein zweiteiliges Intermezzo La serva padrona einen bis heute anhaltenden Siegeszug auf allen Bühnen der Welt an. Entstanden war es als Pausenfüller zu der Opera seria Il prigionier superbo, die am 5. September 1733 ihre Premiere erlebte. Der überraschend große Erfolg des Zwischenspiels, in dem die Dienstmagd Serpina ihren Herrn Uberto mit List und Tücke zur Ehe drängt, ermutigte den Komponisten, im Folgejahr mit Livietta e Tracollo ein weiteres Exemplar der neuen Gattung zu schreiben.
24 Preludes in all major and minor keys Nuron Mukumi
Prospero Classical PROSP0106
1 CD • 71min • 2024
21.12.2024 • 10 10 10
Die starke Beachtung, die das Schaffen des britischen Komponisten York Bowen seit einigen Jahren wieder erfährt, gründet sich nicht zum geringsten Teil auf sein umfangreiches Œuvre für Klavier. Unter den entsprechenden Werken haben namentlich die 24 Präludien op. 102 starken Anklang gefunden, die mehrfach ganz oder auszugsweise auf CD eingespielt worden sind. Die Gesamtaufnahme, die der junge deutsch-usbekische Pianist Nuron Mukumi bei Prospero vorgelegt hat, ist (wenn ich keine übersehen habe) bereits die vierte ihrer Art.
Die noch recht junge Braunschweiger Pianistin Marie Rosa Günter überraschte letztes Jahr mit einer Aufnahme von Beethovens Hammerklaviersonate, die schon Referenzqualitäten aufwies. Im vorliegenden, gut zweistündigen Doppelalbum „Postscriptum‟ widmet sie sich mit ihrem französischen, mehrfach preisgekrönten Cellopartner Stanislas Emanuel Kim Musik Petersburger Komponisten. Zeitlich beginnend mit zwei Stücken von Anton Arensky aus dem Jahre 1887 zieht sich ein großer Bogen mit Schwerpunkt Schostakowitsch über Tonkünstler wie Boris Tischtschenko bis hin zur Serenade für zwei Violoncelli von – und mit – Kims Lehrer Leonid Gorokhov (2021). Neben der klassischen Duobesetzung Cello/Klavier gibt es zudem Solomusik für Cello bzw. Klavier. Das mag zunächst etwas inkonsistent erscheinen, erweist sich aber für den Hörer nicht nur als äußerst unterhaltsam und abwechslungsreich, sondern gibt tiefe Einblicke in den erstaunlich weiten Kosmos der Musik St. Petersburgs – bzw. Leningrads.
Im vergangenen Jahr wäre der polnische Dirigent und Komponist Stanisław Skrowaczewski 100 Jahre alt geworden, und aus diesem Anlass hat MDG seine Aufnahme der drei Suiten aus Sergej Prokofjews Ballett Romeo und Julia mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester (wie es zum Zeitpunkt der Einspielungen noch hieß) neu herausgebracht. Dabei handelt es sich um Aufnahmen aus den Jahren 1994/95, die ursprünglich beim Label Denon erschienen sind, das aber nunmehr nur noch auf dem asiatischen Markt aktiv ist und für den weltweiten Vertrieb ausgewählter Alben eine Kooperation mit MDG eingegangen ist.
Kaum je hat mich das Verfassen einer Rezension solche Skrupel gekostet wie bei diesem französischen Album des Quatuor Arod. Nicht aufgrund von etwas, was auszusetzen wäre, sondern in Anbetracht der phänomenalen Qualität. Vorweg: die Programmabfolge mit den französischen Klassikern von Debussy und Ravel als Rahmenwerken und dem 2017 entstandenen Streichquartett Al Asr (Tagesgebete) vom 1989 in Toulouse geborenen Benjamin Attahir (über den online erstaunlich wenig Substanzielles zu finden ist) im Zentrum ist dramaturgisch perfekt gewählt.
Bruckner • Schwarz-Schilling • Mendelssohn Bartholdy Symphonia Momentum • Christoph Schlüren
Aldilà Records ARCD 017
1 CD • 80min • 2021
23.03.2024 • 10 10 10
Es ist mittlerweile fast 15 Jahre her, dass der Dirigent Christoph Schlüren die Symphonia Momentum gründete, ein (knapp) 20-köpfiges Streichorchester, und als diskographisches Ergebnis der damaligen Konzerte liegt eine eindrucksvolle, bei Aldilà Records erschienene CD rund um eine Streichorchesterfassung von Reinhard Schwarz-Schillings großartigem Streichquartett vor. Gut zehn Jahre später kam das Orchester (in veränderter Besetzung) Ende August 2021 im fränkischen Lehrberg erneut zusammen, und auch dieses Programm ist nun bei Aldilà Records veröffentlicht worden. Der Titel „Quintessence“ gestaltet sich dabei als ein Fingerzeig auf eine Besonderheit der Besetzung, deren Fünfstimmigkeit sich aus zwei Bratschenstimmen ergibt.
Angesichts des Ansehens, das Joachim Raff als Symphoniker und Kammermusikkomponist heutzutage verdientermaßen wieder genießt, ist es nur natürlich, dass auch Raffs Schaffen abseits dieser Gattungen zunehmend beachtet und zur Diskussion gestellt wird. So gelangte 2022, im Jahr seines 200. Geburtstags die Oper Samson, das Hauptwerk seiner frühen Jahre, in Weimar erstmals auf die Bühne, und im Leipziger Gewandhaus gedachte man seines Oratoriums Welt-Ende. Gericht. Neue Welt, das er 1882 kurz vor seinem Tode vollendet hatte.
Die Choralfantasien von Max Reger gehören zum Brot- und Butter-Repertoire vieler Organisten. Sieben Stück hat der an der Schwelle von 19. zum 20. Jahrhundert stehende und den letzten Auswüchsen der Spätromantik in voller Pracht huldigende Komponist geschrieben. Einige sind ausgesprochen beliebt, wie etwa Wachet auf, ruft uns die Stimme, oder Wie schön leucht‘ uns der Morgenstern, andere fristen immer noch ein Mauerblümchendasein, so die kaum gespielte Freu dich sehr, o meine Seele op. 27 oder die schon häufiger zu hörende Ein feste Burg op. 30. Gegen die Schlachtrösser von op. 40 und 52 kommen diese beiden nicht an, obwohl – das macht diese Aufnahme einmal mehr deutlich – auch die beiden Frühwerke ausgesprochen lohnende, wenn auch schwere Stücke sind.
Büttner • Mozart • Schwarz-Schilling • Bach Orquestra Simfònica Camera Musicale • Christoph Schlüren
Aldilà Records ARCD 020
1 CD • 77min • 2021
06.03.2024 • 10 10 10
Wer innerhalb weniger Minuten Konversation mindestens drei Namen nie gehörter Komponisten erfahren will, die unbedingt wert sind, entdeckt zu werden, muss mit Christoph Schlüren sprechen. Der Dirigent und Musikautor, langjähriger Schüler von Sergiu Celibidache, ist unermüdlich auf der Suche nach unbekanntem und, genauso wichtig, qualitativ höchststehendem Repertoire. Sein aktuelles Album „Resurrection“, das er mit dem noch jungen Orquestra Simfònica Camera Musicae im katalonischen Tarragona aufgenommen hat, sollten sich aber nicht nur bereits fortgeschrittene Sammlerinnen und Sammler anschaffen.
Es gibt zahlreiche Versuche, für vernachlässigte Komponisten neues Interesse zu wecken – dieser Versuch, die Symphonien von Ferdinand Ries (1784-1838) ins rechte Licht zu rücken, ist einer der vergnüglichsten. Das zweisprachige Booklet charakterisiert Ries‘ symphonische Musik durchaus treffend als „energisch, dynamisch, selbstbewusst und ambitioniert“. Ergänzen müsste man: zielbewusst, orchestral reizvoll, eigenwillig. Ferdinand Ries, in Bonn geboren, war in Wien Beethovens Schüler (musste sich von Beethoven ganz schön emanzipieren) und reiste durch ganz Europa, oft durch Napoleons Truppen dazu getrieben. München, Paris, Sankt Petersburg, Stockholm und London sind seine Lebens-Stationen.
Die unbestreitbar grandiosen Fähigkeiten des bedeutendsten Beethoven-Schülers, Ferdinand Ries (1784-1838), als Pianist und Komponist müssen nach zahlreichen Rezensionen seines völlig zu Recht wieder in den Fokus gelangten Schaffens auf dieser Plattform nicht mehr verteidigt werden. Waren die meisten Veröffentlichungen der letzten 30 Jahre Ersteinspielungen, legt nun Ondine die bereits zweite CD einer Neuaufnahme aller acht Symphonien Ries’ mit der Tapiola Sinfonietta unter Janne Nisonen vor.
2024 haben nicht nur einige wichtige Komponisten einen runden Geburtstag, sondern wir gedenken ebenso des 100. Todestages von Busoni, Fauré, Puccini, Stanford – und (Franz) Xaver Scharwenka (1850–1924). Als Schüler Theodor Kullaks stieg der aus der Nähe von Posen stammende Künstler mit deutsch-polnischen Wurzeln rasch zum gefeierten Klaviervirtuosen auf, wurde von Liszt gefördert, machte aber bald auch als durchaus erfolgreicher Komponist von sich reden; sein Ruf als Pädagoge war lebenslang geradezu legendär. Anders als die häufig in sich gekehrte Musik seines jüngeren Bruders Philipp sind gerade Xavers wenige Orchesterwerke – darunter vier Klavierkonzerte – völlig extrovertiert. [...]
Wenn Johann Christian Schickhardt (1682 – 1762) es im Barock auf über 30 im Druck veröffentlichte, teils umfängliche Sonaten-Sammlungen brachte, muss seine Musik wohl zu Recht beliebt gewesen sein. Das Ensemble Epoca Barocca, dessen Einspielung von Loeillet-Triosonaten von mir bereits empfohlen wurde, hat sich jetzt dessen klanglich äußerst reizvollen 6 Sonaten für 2 Blockflöten, Oboe und Basso continuo op. 22 angenommen und präsentiert sich mit diesen Werken wiederum als stilistisch feines Ensemble der Extraklasse.
Was für Dimensionen! Präludium und Fuge heißt das Es-Dur Opus von Franz Schmidt, das der Churer Domorganist Andreas Jetter im Rahmen der zweiten Folge seiner Einspielung von Orgelwerken Schmidts aufgenommen hat. Wer sich da jetzt ein kompaktes Werkchen vorgestellt hat, liegt falsch. Geschlagene 37 Minuten dauert das Opus, allein die Fuge beansprucht über 20 Minuten. In der Zeit könnte man manche Choralphantasie von Max Reger glatt zwei Mal spielen, so gigantisch ist dieses riesenhafte Werk, das man beim ersten Hören kaum zu begreifen imstande ist. Auf eine vertiefende Analyse verzichtet Jetter im sehr lesenswerten Booklet wohlweislich, das hätte den Rahmen garantiert gesprengt.
Es hat vier Jahre gebraucht, bis das cpo Label aus Osnabrück die zweite Folge der wichtigsten Orchesterwerke Franz Schrekers (1878–1934) mit den Bochumer Symphonikern unter dem amerikanisch-israelischen Dirigenten Steven Sloane herausgebracht hat. Die Aufnahmen selbst sind gar gut zehn Jahre alt. Das Repertoire diesmal enthält die vielleicht interessantesten Werke des österreichischen Opernkomponisten für den Konzertsaal überhaupt.
Wie machen sie das nur, Sivan Silver und Gil Garburg, dass sie nicht nur die Noten spielen, sondern auch die Empfindungen zwischen den Noten und sogar die Nicht-Noten, nämlich die bedeutsamen Generalpausen mit Empfindung füllen? Etwas geheimnisvolles haftet dem Spiel des israelischen Piano-Duos an, das auf dieser Doppel-CD vornehmlich Werke von Franz Schubert aus seinen letzten Jahren spielen.
Das Schubert-Spiel von Elisabeth Leonskaja zu rühmen hieße scharenweise Eulen nach Athen zu tragen, hat sie sich doch lebenslang damit auseinandergesetzt und alle Schubert-Sonaten eingespielt. „Klaviermusik“ heißt diese Zusammenstellung von oft und weniger oft gespielten Werken Schuberts. Viele Interpreten versuchen, das einsam-tragische Leben Schuberts in seiner Musik wiederzufinden, betonen die seelische Zerrissenheit, den Weltschmerz. Elisabeth Leonskaja gibt hier Schuberts Musik die Würde, die sie verdient, sucht den Wohlklang, die melodiöse Erfindungskraft und deren motivische Verarbeitung.
Franz Schubert hatte ein untrügliches Gespür für Lyrik, die er zur Vertonung auswählte, und so bestimmte er für seine beiden Liederzyklen Die schöne Müllerin und Winterreise Dichtungen seines Generationsgenossen Wilhelm Müller (1794-1827), jenes romantischen Dichters, der seinem Einsatz für den Freiheitskampf der Griechen gegen das Osmanische Reich den Beinamen „Griechenmüller“ verdankte. Auch der Dichterfürst Goethe hat Schubert verschiedentlich zu Vertonungen inspiriert; dafür wusste der Olympier dem fast 50 Jahre jüngeren Tonsetzer allerdings keinen Dank: Sein Geschmack goutierte die Musik der Romantiker ebensowenig wie ihre Dichtkunst – ein Besuch Müllers 1827 veranlasste Goethe zu dem Kommentar „unangenehme Personnage”.
Selbst wenn Cornelis Floriszoon Schuyt (1557-1616) heute als Komponist weitgehend unbekannt ist, gehört er zu den unbestreitbar großen Meistern aus der Epoche, in der sich die Musik der späten Renaissance zum Frühbarock wandelte und stellt sozusagen einen älteren Bruder von Heinrich Schütz dar. Der Vater Floris Corneliszoon Schuyt (1529/30–1601) war Organist zweier Kirchen in Leiden, der Pieterskerk und der Hooglandse Kerk; die Ausbildung des Sohns Cornelis war für damalige Zeiten hochklassig, wurde sie doch durch einen Studienaufenthalt in Italien gekrönt, dem Mutterland der Renaissance.
Johann Sebastian Bach bleibt das Maß aller Dinge in der Orgelmusik, und zugleich – ausschließlicher als in jeder anderen Gattung – die modernste Musik, aller Ambitionen von Max Reger, Louis Vierne, Wilhelm Middelschulte, Leo Sowerby Olivier Messiaen usw. eingedenk. Der einzige, der vielleicht ebenso zeitlos gegenwärtige Musik für die Orgel geschrieben hat, ist Jean-Louis Florentz (1947-2004), und ihn haben die Organisten außerhalb Frankreichs noch lange nicht entdeckt. Wenn nun also der am Ende seines Lebens in Oberbayern heimisch gewordene Weltenbummler US-amerikanischer Nationalität Gordon Sherwood (1929-2013) auf dem vierten Sherwood-Album von Sonus Eterna mit seinem beinahe gesamten Orgelschaffen in Ersteinspielung porträtiert wird, so wird sofort klar, dass er gar kein Hehl daraus macht, dass Bach Alpha und Omega der Orgelmusik ist
Diese CD ist nicht nur etwas für Musikenthusiasten, sondern auch für Hifi-Afficionados. Es gibt sie nämlich gleich doppelt: einmal als „normale“, nur geringfügig lauter ausgesteuerte Stereo-CD, aber auch als Audio Blu-ray, die von Dolby Atmos bis zu 7.1.4 Auro-3D verschiedene Audio-Formate vereint. Der Hörvergleich ist in der Tat beeindruckend: bei der Blu-ray hat man den Eindruck, man säße direkt im Konzertsaal, der Klang ist in feinste Nuancen aufgefächert, durchhörbar und ebenso klar wie natürlich. Aber auch, wenn man „nur“ die Stereo-CD hört, bleibt das klangliche Erlebnis erstklassig. Das liegt an der exzellenten Aufnahme, in erster Linie aber natürlich am Onyx Klavierduo, das hier sein Debüt vorlegt und dafür mit einer ebenso feinnervigen wie sensiblen Anschlagskultur Werke von Barber, Smit, Ravel und Mozart eingespielt hat.
Auf der vorliegenden CD aus der Reihe MDG-Denon präsentiert das Philharmonieorchester Tokio (Tokyo Philharmonic Orchestra) unter der Leitung seines Chefdirigenten Andrea Battistoni zwei Werke, die sich als Apotheose des Tanzes im 20. Jahrhundert wohl beschreiben lassen: Igor Strawinskijs Ballett Le Sacre du Printemps und Leonard Bernsteins Symphonische Tänze aus dem Musical West Side Story. In beiden Fällen hat sich eine für die Bühne gedachte Musik aus dem ihr ursprünglich zugewiesenen Zusammenhang gelöst und sich höchst erfolgreich als eigenständige Konzertmusik bewährt. Man kann durchaus von Symphonischen Tanzdichtungen sprechen.
Luís de Freitas Branco ć Joly Braga Santos Quarteto Tejo
decurio DEC-101
1 CD • 60min • 2023
07.07.2024 • 10 10 10
2018 mit dem ausdrücklichen Ziel gegründet, sich besonders der Musik Portugals zu widmen, hat sich das junge Quarteto Tejo für sein Debütalbum sinnigerweise Streichquartette zweier der bedeutendsten portugiesischen Komponisten des 20. Jahrhunderts ausgesucht, nämlich Luís de Freitas Branco (1890–1955) und Joly Braga Santos (1924–1988). In beiden Fällen handelt es sich um frühe Werke ihrer Schöpfer, geschrieben mit Anfang Zwanzig, und Braga Santos’ Quartett ist obendrein Freitas Branco gewidmet, der sein Lehrer und Mentor war.
Wohl nur wenige Komponisten konnten sich ihre Schaffenskraft bis ins achte Lebensjahrzehnt erhalten, ohne auf alte Muster zurückzugreifen. Viele erreichten dieses Alter gar nicht erst. Die, die es wie Heinrich Schütz, Richard Strauss und Igor Strawinsky erreichten, griffen auf bereits Bewährtes zurück. Anders Georg Philipp Telemann (1681-1767), der die literarischen Strömungen in jeder Lebensphase aufmerksam verfolgte. Als die Dichtung von Oden im erhabenen Stil durch F. G. Klopstock und Johann Andreas Cramer modern wurde, nutzte er Texte dieses antikisierenden Genres für seine späten Kompositionen und passte kompositorisch seinen Stil der zeitgenössischen Dichtung an.
trio sonatas & quartets compagnia transalpina • andreas böhlen
Aeolus AE-10366
1 CD • 71min • 2022
20.01.2024 • 10 10 10
Eine vollständige Sammlung aller Triosonaten für Blockflöte, Oboe und Basso continuo zusammen mit den Quartetten für Blockflöte, Oboe, Violine und Basso continuo legt das Ensemble compagnia transalpina unter Führung des Flötisten Andreas Böhlen beim Label Aeolus vor: eine springlebendige Aufnahme. Bekanntlich ist Georg Philipp Telemann der wohl produktivste Barock-Komponist. Dabei hat er auch die Kammermusik reichlich bedacht, auch die Trio-Formation mit Blockflöte. Das dreisprachige Booklet zitiert den durchaus selbstbewussten Telemann dazu: „Aufs Triomachen legte ich mich hier insonderheit, und richtete es so ein, daß die zwote Partie die erste zu seyn schien, und der Baß in natürlicher Melodie, und in einer zu jenen nahe tretenden Harmonie, deren jeder Ton also, und nicht anders seyn konnte, einhergieng. Man wollte mir auch schmeicheln, daß ich hierin meine beste Krafft gezeiget hätte.“
Welch tollkühnes Unterfangen den kompletten Kantaten-Jahrgang für das Kirchenjahr 1714/15 mit 72 Einzelwerken von Georg Philipp Telemann aufzunehmen! Mittlerweile haben Felix Koch, die Gutenberg Soloists und sein hervorragender Neumeyer Consort mit Vol. 3 das erste gute Drittel geschafft und zusätzlich Orgelbearbeitungen von Choralmelodien zu kleinen Choralkantaten arrangiert. Auch dies ist durchaus hörenswert und könnte Anregung für kleine Gemeinden ohne die Möglichkeit, die großbesetzten Kantaten aufzuführen, bieten.
Differenzierungsvermögen, Klang- und Formsinn sowie ausgehört subtile Dynamik bei ganz unterschiedlichen Musikstilen bilden den gemeinsamen Nenner der drei Interpreten dieser Aufnahme, die in Georgien aufgewachsen sind. Pianistin Ketevan Sepashvili und Flötist Temo Kharshiladze leben heute in Wien, Cellist Sandro Sidamonidze vornehmlich in New York, wo 1961 der Komponist Lowell Liebermann, der auch als Pianist und Dirigent tätig ist, geboren wurde. Der über 60jährige zählt zu den vielleicht meistaufgeführten US-amerikanischen Komponisten. Sein Trio op. 87, 2004 komponiert, nimmt sich mehr als zwanzig Minuten musikalische Raumzeit, das Werk klingt mal episch ausladend, mal orientalisch verschlungen; später in der 10. und 15. Minute wird es fast statisch, auf der Stelle tretend, nurmehr auf geringster Fläche bewegt.
Das wahrlich international zusammengesetzte Pacific Quintet mit Aliya Vodovozova, Flöte, Fernando José Martinez Zavala, Oboe, Liana Leßmann, Klarinette, Kenichi Furuya, Fagott, und Haeree Yoo, Horn, wählte für sein CD-Debüt bewusst keine klassische Harmoniemusik, sondern Werke aus den Jahren 1923-2023, die teilweise extra für diese Projekt beauftragt wurden. Das ist mutig und verdient Respekt, zumal eine Stunde anregender Musik dabei herauskam.
Schaut man sich die fünf Herren auf dem CD-Cover an, so wundert man sich, dass das Ensemble wirklich erst seit 2022 bestehen soll. Doch tatsächlich handelt es sich bei der Gründung des Reinhold Friedrich Brass Quintetts um einen langgehegten Lebenstraum des Namensgebers. Dem Trompeter Reinhold Friedrich ist es gelungen, mit Jeroen Berwaerts (Trompete), Lasse Mauritzen (Horn), Ian Bousfield (Posaune) und Thomas Roisland (Tuba) die internationale Spitzenklasse ihrer Instrumente zusammenzubringen. Und mit diesen Vertretern spielen zugleich auch ein Deutscher, ein Belgier, ein Däne, ein Brite und ein Norweger zusammen – da passt der Titel UNITY für die Platte doch perfekt. Bei dieser handelt es sich zwar um die Debüt-CD, die bei Solo Musica erschienen ist, die aber gar nicht so klingt. [...]
Romantische Lieder • Romantic Songs Klaus Mertens • Volodymyr Lavrynenko
Rondeau ROP6256
1 CD • 66min • 2023
05.07.2024 • 10 10 10
Der zeit seines Lebens in Wien tätige Johann Vesque von Püttlingen (1803-1883) war eine singuläre Doppelbegabung. Er galt als einer der profiliertesten Juristen Österreichs, dessen stetige Karriere ihn bis zum Rang eines Geheimen Rats führte, aber er war von den Zeitgenossen nicht weniger geschätzt als Komponist von Liedern in der Tradition Franz Schuberts. In seinem Salon, wo regelmäßig Hauskonzerte stattfanden, waren die bedeutendsten Tondichter seiner Epoche zu Gast – Berlioz, Liszt, Meyerbeer, Mendelssohn-Bartholdy, Loewe, das Ehepaar Schumann und viele andere. Ein Dilettant war Vesque von Püttlingen keineswegs, vielmehr hatte er eine gründliche musikalische Ausbildung genossen (u.a. bei Ignaz Moscheles) und trat gelegentlich auch erfolgreich als Sänger hervor.
The Norwegian Seasons Ragnhild Hemsing • Barokkanerne
Berlin Classics 0303416BC
1 CD • 56min • 2024
19.12.2024 • 10 10 10
Antonio Vivaldis Violinkonzerte Die vier Jahreszeiten sind mit Abstand sein bekanntester Werk-Zyklus. Und das bei einem Komponisten, dem (böse) Kritiker nachsagen, er habe ein Konzert gleich mehrere hundert Male geschrieben, weil sie sich so ähneln. Stellt sich also durchaus die Frage, ob und wenn ja, was man bei Vivaldi denn noch Neues entdecken kann. Und doch ist dies der jungen norwegischen Geigerin Ragnhild Hemsing mit ihrer neuen Aufnahme gelungen. Denn bereits zu Beginn ihrer Karriere zeichnete es sie aus, dass sie gleichermaßen auf der Hardangerfidel als auch auf der klassischen Violine konzertierte – gerne auch mal in ein und demselben Konzert. Da sie parallel zu ihrer Karriere in der klassischen Welt immer auch in der norwegischen Folklore unterwegs und zu Hause war, entstand die Idee für ihr neues Projekt: Wie würden Vivaldis wohlbekannte Vier Jahreszeiten wohl auf der Hardangerfidel klingen?
The Voice of My Beloved The Earliest Settings of the Song of Solomon (10th - 15th century)
Tacet S 270
1 CD/SACD stereo/surround • 67min • 2022
13.01.2024 • 10 10 10
Wenn man dieses ebenso schöne wie faszinierende Album mit mittelalterlichen Vertonungen des Hohenliedes im Zusammenhang hört, stellt sich ein fiktives Ganzes ein, das ein wenig an die spekulativen Rekonstruktionen von musikalischen Gottesdiensten, wie sie beispielsweise im Italien des 16. oder im Deutschland des 17. Jahrhunderts stattgefunden haben könnten, erinnert. Tatsächlich aber wäre eine Kompilation wie „Vox dilecti mei“ vor gut 1000 Jahren kaum möglich gewesen: Die einzelnen Werke stammen aus einem immensen Einzugsgebiet, das von Oberbayern über Frankreich, Italien und das alte Schlesien bis nach England, in einem besonders schillernden Fall sogar bis nach Island reicht.
Rolf Wallin (Jahrgang 1957) hat sich längst als einer der bedeutendsten lebenden Komponisten Norwegens etabliert. Nach Studien in Oslo prägten ihn später in den USA Größen wie Roger Reynolds und Vinko Globokar. Seine Musik nutzt einen ungewöhnlich breiten Erfahrungsschatz, der von flexiblen mathematischen Modellen (Chaostheorie) über Jazz- und Rockmusik bis hin zu fernöstlicher Mystik reicht. Für die drei hier vorgelegten konzertanten Werke konnten jeweils Weltklassesolisten gewonnen werden.
„Warum toben Völker“, die erste Zeile aus dem Psalm 2 spricht alle Menschen an, die Frieden suchen, und sie gibt das Motto vor für ein Gemeinschaftsprojekt von Annette Schavan und Julius Berger. Im Mittelpunkt steht neben ausgewählten Psalmen aus der hebräischen Bibel Musik des Komponisten Ernest Bloch (1880 – 1959), dessen Tonsprache jüdische Quellen mit der europäischen Kunstmusik zusammen führt. Annette Schavan trägt zehn Psalmen mit klarer, ernster Stimme und ganz ohne aufgesetztes Pathos vor, der Cellist Julius Berger und das Duo GRAD, das aus dem Vibraphonisten Andrei Pushkarev und dem Marimba-Spieler Pavel Beliaev besteht, spielen in eigenen Bearbeitungen Ausschnitte aus Werken Blochs.
Der 1950 geborene Menachem Wiesenberg gehört zu den angesehensten israelischen Komponisten der Gegenwart. Auch als Jazz-Pianist international erfolgreich, hat Wiesenberg während seiner langjährigen Tätigkeit als Dozent an der Jerusalemer Akademie für Musik und Tanz eine Abteilung für interdisziplinäres Musizieren ins Leben gerufen und sich intensiv mit jüdischer Volksmusik in ihren verschiedenen Ausprägungen beschäftigt. Davon legt auch das vorliegende, mit etwa 40 Minuten ziemlich kurz geratene Album der in Baden bei Wien beheimateten Beethoven Philharmonie Zeugnis ab, das zwei konzertante Werke Wiesenbergs vorstellt.
Vor noch nicht einmal zehn Jahren gab es von der Musik des in Prag geborenen, aus einer jüdischen Familie stammenden Hans Winterberg (1901–1991) weder kommerzielle Einspielungen noch Notenausgaben. Die Gründe dafür sind vielschichtig und in wenigen Zeilen kaum befriedigend wiederzugeben. Zu Winterbergs verschlungenem Lebensweg, der ihn, nachdem er das Ghetto Theresienstadt überlebt hatte, nach Bayern führte, wo er beim Rundfunk eine Anstellung fand, kommt eine komplexe familiäre Konstellation hinzu; sein Stiefsohn versah Winterbergs Nachlass u.a. mit einer Sperrklausel bis zum Jahre 2030. Es ist dem Engagement von Winterbergs leiblichem Enkel Peter Kreitmeir zu verdanken, dass diese Musik der Versenkung und dem Vergessen entrissen wurde.
Erfreute sich auch auf dem Tonträgermarkt eine Zeit lang Musik für Flöte und Orgel – zwar meist in Bearbeitungsform – größerer Beliebtheit, existieren Konzerte für Flöte(n), Orgel und Orchester als Originalkompositionen ab dem 19. Jahrhundert so gut wie nicht. Dem bot nun die Polska Filharmonia Bałtycka im. Fryderyka Chopina w Gdańsku mit gleich vier Auftragskompositionen – entstanden zwischen 2018 und 2022 – Abhilfe: Die Ergebnisse – natürlich sämtlich in Ersteinspielungen – sind höchst ansprechend.
Während Archäologen manchmal Erstaunliches ausgraben mit Schaufeln und feinsten Pinseln, gehört in der europäischen Musikkultur Christoph Schlüren zu den am gründlichsten Schürfenden, nun mit einer Zodiac-Symphonie, deren Realisierung unterstützt wurde von dem Scherber-Enthusiasten Friedemann Grau. Der weithin unbekannte Name des Komponisten Martin Scherber (1907-1974) gibt nun zu denken und zu hören. Seine Dritte erinnert an einen der bedeutendsten Symphoniker: Anton Bruckner (6. Symphonie; bereits in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts hatte ein gewisser Dr. Ferdinand Scherber einiges über Anton Bruckner publiziert in: Signale f. d. musikal. Welt, und über Bruckners Neunte in: Neue Musikzeitung, 1902).