Friedrich Gulda
the complete musician
Amadeo 472 832-2
3 CD • 3h 41min • 1977, 1978
06.05.2003
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Selten gibt es Anlass, auf eine CD-Revitalisierung einer doch schon älteren LP-Kassette so freudig zu reagieren. Von den hier vorliegenden Gulda-Aufnahmen unter dem absolut nicht zu hoch gegriffenen Motto „The Complete Musician“ war mir seinerzeit nur eine klanglich und fertigungstechnisch etwas dürftige Vorabpressung zugeschickt worden – und doch zählten seither ein paar Nummern dieser Kassette zu meinen absoluten Favoriten. Allen voran die beiden Liedbearbeitungen – genauer gesagt: die werkgetreuen Übertragungen von Lied- und Klaviersatz ohne jeden paraphrasierenden Eigennutz –, deren weltverleugnender Schmerz und zugleich weltbejahende Urgesundheit in Sphären des klavieristischen Liedgesanges führten und noch immer führen, wie sie seit Schumannschen Mondesnächten und Schubertschen Wanderwegen wohl nie wieder angestrebt, geschweige denn erreicht worden sind. Allein der fragend zögerliche, von Einsamkeit und doch von Vertraulichkeit des Sinnlichen und des Körperlichen berichtende Beginn der Mondnacht zeigt in schier ungeheuerlicher, gleichsam passiver Machtfülle die nachprägende Einzigartigkeit eines Interpreten, der sich als Pianist, als Komponist, als Blockflötenspieler und als was sonst noch alles über jede Art der Durchschnittlichkeit erhoben hatte – und auf diesem unbequemen Weg der Selbstfindung auch manche Wunden schlug. Wunden etwa, wie sie im Verlauf von Schuberts a-Moll-Sonate aufbrechen, bluten und im perkussiv, ja destruktiv empfundenen Finalsatz in pure Rücksichtslosigkeit münden. Keine andere mir bekannte Einspielung arbeitet das Ungemütliche, das Entschlackte dieses großen romantischen Musik-/Gedankenspiels so unbarmhezig heraus wie Gulda hier im Rahmen einer Musikreise von überwältigender Vielfalt, von herzzerreißender Intimität und im nächsten Moment im Namen einer Boshaftigkeit, die über Jahrzehnte hinweg ein Echo des Suchens und der Unzufriedenheit mit sich und den Umständen blieb. Nicht nur ein kompletter Musiker tritt uns hier posthum entgegen, sondern auch ein kompletter Mensch mit all seinen Gaben und in all seinen Widersprüchlichkeiten.
Peter Cossé † [06.05.2003]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Maurice Ravel | ||
1 | Gaspard de la nuit | |
Claude Debussy | ||
2 | Reflêts dans l'eau (aus: Images I) | |
3 | La fille aux cheveux de lin (aus: 12 Préludes (Livre I)) | |
Robert Schumann | ||
4 | Mondnacht | |
Franz Schubert | ||
5 | Der Wanderer | |
6 | Klaviersonate a-Moll op. 42 D 845 | |
Johann Strauß (Sohn) | ||
7 | G'schichten aus dem Golowinerwald | |
Johann Sebastian Bach | ||
8 | Präludium und Fuge Nr. 9 E-Dur BWV 878 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch II BWV 870-893) | |
9 | Präludium und Fuge Nr. 20 a-Moll BWV 889 | |
Friedrich Gulda | ||
10 | Für Rico | |
Johann Sebastian Bach | ||
11 | Sonate F-Dur für Altblockflöte und b.c. | |
12 | Sarabande g-Moll BWV 839 | |
13 | Chromatische Fantasie und Fuge d-Moll BWV 903 | |
Friedrich Gulda | ||
14 | Arabisch-zigeunerische Fantasie | |
Dizzy Gillespie | ||
15 | Night in Tunisia | |
Friedrich Gulda | ||
16 | Bassflute Blues | |
17 | The Air From Other Planets | |
Cole Porter | ||
18 | What is this thing called love | |
Friedrich Gulda | ||
19 | Übungsstück Nr. 1 | |
20 | Übungsstück Nr. 9 | |
21 | Prelude and Fugue | |
22 | Für Paul | |
Ludwig van Beethoven | ||
23 | Bagatelle op. 126 Nr. 1 – Andante con moto cantabile e compiacevole | |
24 | Bagatelle op. 126 Nr. 3 – Andante cantabile e grazioso | |
25 | Klaviersonate Nr. 31 As-Dur op. 110 | |
Johann Sebastian Bach | ||
26 | Präludium und Fuge Nr. 17 As-Dur BWV 862 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869) | |
27 | Präludium und Fuge Nr. 1 C-Dur BWV 846 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869) |
Interpreten der Einspielung
- Friedrich Gulda (Klavier)
- Albert Golowin (Gesang)
- Ernst Knava (Gambe)
- Wayne Darlings (Kontrabaß)
- Erich Bachträgl (Drums)