Tudor 7127
1 CD • 69min • 2002
07.12.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Der Interpret, in unserm Falle also der Dirigent, ist nicht imstande, den Wert eines Werkes zu heben; er kann ihn nur gelegentlich heruntersetzen, denn das Beste, was er geben kann, ist lediglich eine dem Werte des Werkes entsprechende Wiedergabe.”
Also sprach Felix Weingartner in seiner denkwürdigen Schrift Über das Dirigieren. Und er setzte hinzu: „Kein Dirigent der Welt bringt es fertig, aus einem schlechten Werk durch seine Interpretation ein gutes zu machen.” Diese Wahrheit ließe sich nun in zweifacher Weise auslegen: Entweder kann man sie als Alibi benutzen, wenn einem ein Stück aufgrund mangelnder Eigeninitiative nicht gelingen will („es lag halt an der Komposition”); oder man stürzt sich auf die Partitur, packt sie, würgt sie, prügelt auf sie ein – und erhält ganz unerwartete Resultate, auch Entdeckungen geheißen, weil’s dem Aufführenden an Einsatzwillen eben nicht gebrach.
Der Schweizer Urs Schneider gehört zu denen, die sich über die gängigen Vorurteile, seinen Landsmann Joseph Joachim Raff betreffend, hinweggesetzt haben, als er vor Jahren einen (von der ersten Sinfonie abgesehen) vollständigen sinfonischen Zyklus herausbrachte. Und auch sein österreichischer Kollege Hans Stadlmair hat bei seinen bisherigen Tudor-Aufnahmen keinen Zweifel daran gelassen, daß er in Raffs Orchesterwerken mehr als die Produkte eines fleißigen Technikers zu erkennen vermag. Mit dieser Prämisse brachte er mit den Bamberger Symphonikern bislang neben den Shakespeare-Ouvertüren und den heiklen Konzerten für Violine und Violoncello die ersten sieben Sinfonien auf einem Niveau heraus, von dem aus er der Konkurrenzunternehmung nicht nur durchweg das Wasser reichen konnte, sondern in manchen Produktionen – besonders in der Dritten (Im Walde) und der Siebten (In den Alpen) – die älteren Veröffentlichungen überflügeln konnte.
Hier setzt er jetzt den vierfachen Schlußakzent mit der Jahreszeiten-Tetralogie, die, wenn sie kräftig angepackt wird, alle Qualitäten (und auch die vermeintlichen Schwächen) Raffs noch einmal in gesteigerter Form zusammenfaßt. Die Gefahr, seine langsamen Sätze bloß vor sich hin laufen zu lassen; manch heikle, nur bei sorgsamer Planung überzeugende Durchführungssequenzen; die scheinbar bürokratische, in Wahrheit aber echte Fröhlichkeit seiner volkstümlichen Finales; dann aber auch die quirligen, unbezahlbaren, oft „programmatischen” Scherzi und vor allem die über alle Werke hinweg ungemein anspruchsvolle Nuancenkunst des vorzüglichen Orchestrators – all das sind Faktoren, die bei dieser Musik bedacht werden müssen und für die Hans Stadlmair stets viel Verständnis mitgebracht hat.
Auch zum Abschluß der Serie leisten Dirigent und Orchester noch einmal recht Bedeutendes. Zwar hätte der Walpurgisnacht, dem Scherzo der Frühlings-Sinfonie, eine etwas größere klangliche Tiefe gut angestanden, und Oberons Zauberhorn in der Elfenjagd des Sommers könnte sich durchaus goldener über die flirrenden Kleinstfiguren legen. Doch wie Hans Stadlmair besonders die herbstlichen Töne herausarbeitet, den Gespenster-Reigen der zehnten Sinfonie in dunkle Tinten taucht und dann bei der abschließenden Jagdszene die schweren Geschütze böllern läßt, das ist schon ausgesprochen faszinierend, faßt noch einmal die hohe Gesamtleistung der letzten Jahre zusammen und sollte eigentlich andere Interpreten herausfordern, der bis heute nicht wirklich ernstgenommenen Musik von Joseph Joachim Raff auf den Grund zu gehen.
Rasmus van Rijn [07.12.2005]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joseph Joachim Raff | ||
1 | Sinfonie No. 8 A major op. 205 (Frühlingsklänge) | |
2 | Sinfonie No. 10 f minor op. 213 (Zur Herbstzeit) |
Interpreten der Einspielung
- Bamberger Symphoniker - Bayerische Staatsphilharmonie (Orchester)
- Hans Stadlmair (Dirigent)