cpo 777 403-2
2 CD • 1h 38min • 2008
28.07.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im zwölften Jahr ihres Entstehens ist die Gesamteinspielung der Orgelwerke Johann Sebastian Bachs durch Gerhard Weinberger an ihrem Endpunkt, bei der Kunst der Fuge angelangt. Das Werk gilt gemeinhin als der krönende Abschluss von Bachs Lebenswerk. Es beschäftigte den Komponisten während seines letzten Lebensjahrzehnts, in dem er sich, von den Alltagsgeschäften des Leipziger Amtes weitgehend zurückgezogen, der Sichtung und systematischen Aufbereitung seiner musikalischen Hinterlassenschaft widmete. So nahm er auch die Kunst der Fuge, eine offensichtlich bereits früher begonnene Arbeit, wieder auf: Eine erste Version von zwölf Fugen und zwei Kanons wurde ab 1747 einer eingehenden Revision unterzogen und um zwei Fugen und zwei Kanons erweitert. Obwohl Bach in seinen letzten Lebensjahren unter einer fortschreitenden Erblindung durch grauen Star litt, hat er die Drucklegung der Kunst der Fuge ab 1748 bis zur 13. Fuge vermutlich selbst überwacht, die letzte Fuge ist unvollendet geblieben – Sohn Philipp Emmanuel Bach vermerkte Jahre später auf dem Manuskript: „Über dieser Fuge, wo der Name BACH im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfasser gestorben.“ Christoph Wolff schreibt in seiner Bach-Biographie: „Selbst in unvollendetem Zustand präsentiert sich die ,Kunst der Fuge’ als das umfassendste Resümee der Instrumentalsprache des betagten Bach. Zugleich kann sie als sehr persönliche Aussage gelten; die Buchstabenfolge B-A-C-H, in den letzten Satz eingewoben, ist weit mehr als einfach eine kuriose Signatur. Theorie und Praxis verschmelzen in diesem Werk.“
Bach hat die Kunst der Fuge nicht mit der Angabe eines bestimmten Instruments versehen, die heutige Musikforschung geht aufgrund der Notation des Werks als Partitur und stilistischer Eigenheiten allerdings davon aus, dass die Komposition für Tasteninstrument gedacht war. Gustav Leonhardt, der achtzigjährige Jubilar dieses Jahres und als Bach-Interpret eine hohe Autorität, tritt nachdrücklich für das Cembalo ein. Weinberger berücksichtigt diese These, indem er bei seiner Einspielung weitgehend auf die Verwendung des Pedals verzichtet. Die 2006 nach eingehender Restaurierung wiedereingeweihte, in den Jahren 1733-35 entstandene Creutzburg-Orgel in St. Cyriakus zu Duderstadt erwies sich nach Weinbergers Bekunden von Größe und Disposition her als ideales Instrument zur Umsetzung seines interpretatorischen Ansatzes. Mit einer farbigen Registrierung vereint er die klangliche Vielfalt von Einspielungen des Werks durch ein Instrumentalensemble mit der musikalischen Stringenz einer solistischen Darbietung – lediglich in den vier Spiegelfugen wurde der Einsatz eines zweiten Spielers erforderlich, um den Einsatz des Pedals zu vermeiden. Kraftvoll bringt Weinberger die Klangvielfalt der Orgel zur Geltung, lässt es dabei allerdings nie an der Klarheit fehlen, die der Struktur dieser komplexen Musik angemessen ist.
Das Klangbild der Aufnahme unterstützt Weinbergers Intentionen mit einer guten Darstellung des Instruments im Kirchenraum. Die Klangschönheit der herrlichen Orgel und die erforderliche klangliche Präzision des kontrapunktischen Geflechts finden in einem guten Kompromiss zusammen.
Als besonderer Glücksfall zum Abschluss dieser Gesamteinspielung kann die kürzliche Entdeckung der Choralfantasie Wo Gott der Herr nicht bei uns hält BWV 1128 gelten. Das Werk, von dem nur fünf Takte bekannt waren, tauchte am 15. März 2008 in einer Abschrift aus dem Jahr 1877 auf, die in intensiven musikwissenschaftlichen Studien als echte Komposition Johann Sebastian Bachs erwiesen werden konnte. So erhält dieser Abschluss von Gerhard Weinbergers Gesamtaufnahme neben dem Schlußstein des Bachschen Lebenswerks durch die Einspielung des jüngsten entdeckten Orgelstückes auch noch einen aktuellen Bezug.
Detmar Huchting [28.07.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Wo Gott der Herr nicht bei uns hält BWV 1128 (Choralfantasie) | 00:06:32 |
2 | Die Kunst der Fuge BWV 1080 | 01:37:58 |
Interpreten der Einspielung
- Gerhard Weinberger (Orgel)