Voces quietis
cpo 777 773-2
1 CD • 57min • 2011
04.02.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Selten vermittelt ein Album auf so überzeugende Weise den Eindruck, dass die darauf versammelte Musik den Musikern ein echtes Herzensanliegen ist, wie „voces quietis“, die neue Platte des österreichischen Vokalquartetts schnittpunktvokal. Das Ensemble besteht aus drei Brüdern: einem Altus und zwei Tenören, sowie einem gleichsam hinzu adoptierten Bass; das professionelle gemeinsame Musizieren geht auf frühe familiäre musikalische Erfahrungen zurück, und tatsächlich vermeint man hören zu können, dass drei Viertel des Quartetts miteinander verwandt sind. Die ungewöhnlich dichte Einheitlichkeit des Ensembleklangs erstreckt sich nicht nur auf die Intonation, das gemeinsame Atmen und Sprechen, sondern auch auf das Timbre der Stimmen. Diese sind sich offenbar tatsächlich durch die Verwandtschaft ähnlicher als etwa die gut harmonierenden Stimmen von bloßen Freunden.
In den beiden Quartetten Franz Schuberts wird dieses Zusammenstimmen wirklich zum Ereignis. Die vier Stimmen vereinigen sich zu magischer, orgelgleicher Homogeneität, nur, dass diese Orgel gleichsam sprechen kann und somit jede Silbe, ja, jeden Buchstaben etwa in Grab und Mond in Klang überführt wird. In allen Stücken nimmt sich das Ensemble Zeit, die Musik aus der Stille der akustisch vorteilhaften kärntner Wallfahrtskirche Maria Waitschach heraus entstehen zu lassen. Im Beiheft, das von schnittpunktvokal selbst verfaßt wurde, wird die Aufnahmesituation so geschildert, als ob sich das Quartett gleichsam zum Singen nur für sich selbst getroffen hätte und das Treffen eher zufällig mitgeschnitten wurde. Manchmal hört man den Interpretationen eine solche Intimität des Musikmachens auch an, wenn nämlich der eigenen Schönheit sehr klangverbliebt nachgelauscht wird.
Zur Identität von schnittpunktvokal gehört die Heimat Kärnten, und diese wird auch geschickt durch die Repertoireauswahl inszeniert. Ein Großteil des Repertoires besteht aus österreichischen Volksweisen, die teils traditionell, teils avanciert arrangiert, zum Teil auch nach Kärntner Texten von zeitgenössischen Komponisten neu geschrieben wurden. Somit ist das Programm auch ästhetisch eher uneinheitlich. Manche Stücke sind durchaus eindrucksvoll, wie etwa „Valassn“ („Verlassen“), eine Studie von Guido Morini mit renaissance-artigen und barockisierenden Effekten, eklektisch zwar, doch sehr konzentriert komponiert, manche auch nur epigonal wie die beiden Sätze von Patricia Van Ness. Einige Gimmicks wie etwa die Gitarrenumspielungen in „Üba die Stapflan“ überschreiten die Grenze hin zum Kitsch deutlich, ab und an leistet man sich Ausflüge ins Sphärisch-Esoterische („Is schon still uman See“), und auch der Jan-Garbarek-Effekt, dass Vokalmusik mit einem improvisierenden Saxophon übermalt wird, wird mehrfach eingesetzt (Martini-Jodler). Vielleicht wäre es interessant gewesen, noch ein wenig mehr klassisches Repertoire geboten zu bekommen, nicht zuletzt angesichts der ausgewachsenen Bonus-CD mit weiteren volksmusikalischen Preziosen zur österreichischen Weihnacht. Doch gleichzeitig gehört für schnittpunktvokal die Verbundenheit mit der Heimat auch zur gemeinsam gepflegten Individualität. Auf diesem Album artikuliert sich also eine ganz eigene und sehr starke Stimme.
Prof. Michael B. Weiß [04.02.2013]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
trad. | ||
1 | Der Tag hat sich geneigt | 00:02:22 |
2 | Üba die Stapflan | 00:03:49 |
Lodovico da Viadana | ||
3 | O Sacrum Convivium | 00:01:35 |
Josquin Desprez | ||
4 | In te Domine speravi | 00:02:26 |
trad. | ||
5 | Martini-Jodler | 00:01:51 |
Guido Morini | ||
6 | Valassn | 00:06:01 |
trad. | ||
7 | Ganz langsam | 00:02:31 |
Johannes Brahms | ||
8 | Da unten im Tale WoO 33,6 | 00:01:57 |
Franz Schubert | ||
9 | Die Nacht D 534 (1817) | 00:03:44 |
10 | Grab und Mond D 893 (1826) | 00:02:56 |
trad. | ||
11 | Marija pomagaj | 00:01:59 |
Guillaume Dufay | ||
12 | Ave Regina coelorum | 00:01:17 |
Patricia van Ness | ||
13 | Caritas | 00:05:29 |
trad. | ||
14 | Is schon still uman See | 00:04:22 |
Patricia van Ness | ||
15 | Üba die Stapflan | 00:04:18 |
trad. | ||
16 | Wo ist Jesus mein Verlangen | 00:02:10 |
17 | I bedank mi für die Hirbig | 00:02:21 |
18 | Muaß wohl furt aus meina Kammer | 00:04:17 |
Interpreten der Einspielung
- Schnittpunkt Vokal (Männerquartett)