Decca 478 6677
1 CD • 56min • 2014
11.06.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Britische Musik scheint es in Deutschland immer noch schwer zu haben – das gilt auch für die Werke von Edward Elgar, die, abgesehen vielleicht von den Konzerten für Violine und Cello, bei uns eher selten auf den Konzertprogrammen stehen. Und auf dem Tonträgermarkt gibt es beispielsweise von den beiden Sinfonien kaum Aufnahmen mit deutschen Orchestern. Zeit, dies zu ändern, dachte sich wohl Daniel Barenboim. Er ist mit Elgars Musik bestens vertraut und hat einige der bedeutendsten Orchesterwerke bereits in den Siebzigerjahren eingespielt, darunter, mit dem London Philharmonic Orchestra, auch die Sinfonien (Sony). Nun legt er mit der Staatskapelle Berlin eine Interpretation der Zweiten Sinfonie vor – eine der beeindruckendsten Schöpfungen Elgars –, und es ist gleich von Anfang an evident, wie sehr diese Musik Barenboim am Herzen liegt: Der enthusiastisch aufjauchzende Beginn erklingt mit aller gebotenen Grandeur, wobei die emotionale Ambivalenz, von der das Werk erfüllt ist, ebenfalls mustergültig verwirklicht ist.
Unterstützt von der fabelhaften Spielkultur und dem warmen, volltönenden Klang der Staatskapelle (sowie, nicht zuletzt, auch von der Tontechnik, die größtenteils für optimale Transparenz sorgt), gelingt Barenboim eine enorm detailreiche Darstellung des Werks. Es ist ihm hörbar daran gelegen, Hörer wie Musiker gleichermaßen wie ein Bergführer durch die musikalische Landschaft zu führen und auf deren zahlreiche Schönheiten aufmerksam zu machen – eingedenk der Tatsache, dass diese Schönheiten außerhalb Großbritanniens allzu wenigen Musikfreunden bewusst sind.
Doch liegt in Barenboims Liebe zum Detail auch das Problem der Einspielung, wenn diese nämlich zu Lasten des Gesamtbilds an die Oberfläche treten. Auch tendiert Barenboim zu einem – zumindest in den ersten beiden Sätzen – vielleicht allzu großzügigen Gebrauch von Rubati und Rallentandi. Wenn etwa im zweiten Thema des Kopfsatzes in jedem zweiten Takt ein (nicht in der Partitur stehendes) Ritardando eingefügt wird, so mag diese Vorgehensweise zwar den seufzenden Charakter dieses Themas untermauern, doch stört sie empfindlich den Fluss.
Zögerlichkeit in der Tempogestaltung ist das Letzte, was man Barenboim im dritten Satz vorwerfen könnte, doch ist zu bedauern, dass er das zerstörerische Schlagzeuggewitter in der Mitte des Satzes – Elgar sprach hier vergleichend von einem "Mann im hohen Fieber" – derart diskret und wohlerzogen intonieren lässt. Am besten gelingt Barenboim das Finale, dessen friedlicher Abschieds-Charakter ebenso adäquat verwirklicht ist wie seine kantigeren, kontrapunktisch geprägten Episoden. Den auf Adrian Boults Vorschlag nachträglich eingefügten Orgelpart, der heute oft gespielt wird, lässt Barenboim übrigens weg.
Fazit: Es ist schön, Elgars sinfonisches Meisterwerk endlich einmal, auf sehr hohem Niveau, von einem deutschen Orchester präsentiert zu bekommen. Doch wer diese Musik kennen lernen möchte, ist mit den Einspielungen von Adrian Boult (EMI) oder, wenn digitale Klangtechnik Vorrang hat, Leonard Slatkin (RCA) und Charles Mackerras (Decca) noch besser bedient.
Thomas Schulz [11.06.2014]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Edward Elgar | ||
1 | Sinfonie Nr. 2 Es-Dur op. 63 | 00:56:01 |
Interpreten der Einspielung
- Staatskapelle Berlin (Orchester)
- Daniel Barenboim (Dirigent)