Julia Lezhneva
Händel
Frühe italienische Werke 1707-1709

Decca 478 9230
1 CD • 70min • 2015
11.12.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die russische Sopranistin Julia Lezhneva habe ich zum ersten Mal vor sechs Jahren beim Gesangswettbewerb Mirjam Helin in Helsinki gehört, wo sie – zu Recht – den ersten Preis errang (ich habe auf klassik-heute.de darüber berichtet). Damals war sie 19 Jahre alt. Mittlerweile ist sie ein Weltstar und legt jetzt bei Decca ihr zweites Solo-Album vor. Und die Firma scheint ihre Vita als bekannt vorauszusetzen, jedenfalls gibt sie keine Informationen dazu. Entdeckt und gefördert wurde die junge Sängerin von der unlängst verstorbenen großen Mezzosopranistin Elena Obraztsova (der sie dieses Album gewidmet hat). Die riet ihr, sich auf Rossini und den romantischen Belcanto zu spezialisieren. Durch Cecilia Bartolis Vivaldi-Album (Decca) kam sie auf die Idee, sich näher mit der Barockmusik zu beschäftigen und wurde auf diesem Weg wesentlich unterstützt von Giovanni Antonini, mit dessen Orchester Il Giardino Armonico sie häufig zusammen auftrat und das ihr auch bei diesem aktuellen, in Cremona aufgenommenen Recital zur Seite stand.
Es ist dem jungen Georg Friedrich Händel gewidmet, der mit 21 Jahren nach Rom kam, um Italien als Opernkomponist zu erobern. Das war aber nicht einfach, da ein päpstlicher Bann öffentliche Opernaufführungen untersagte. Händel wußte sich zu helfen, indem er sein dramatisches Talent und Temperament auf die zugelassene Gattung des Oratoriums richtete. Il Trionfo del Tempo e del Disinganno (1707), in diesem Album gleich mit vier Arien vertreten, ist ein theologischer Traktat, der im Wortwechsel auf vier allegorische Figuren verteilt ist: Die Schönheit, ihre Vergänglichkeit vor Augen habend, läßt sich vom Vergnügen dazu anleiten, weiterhin ein sorgloses Leben im Diesseits zu führen, während Zeit und Erkenntnis ihr Verfall und Tod in Aussicht stellen und sie zur Reue und eine Ausrichtung auf das ewige Leben anhalten. Viele der bravourösen Nummern hat Händel später in anderen Werken wieder verwendet. Am populärsten wurde die Arie „Lascia la spina“, die später in Rinaldo als „Lascia ch’io piangi“ Furore machte. Julia Lezhneva gestaltet sie mit großer Innigkeit und Zärtlichkeit.
Man spürt bei dieser Sängerin, dass sie sich bei der Bartoli einiges abgehört hat, aber das helle Timbre der Stimme, der „keusche“ und sehr vibratoarme Gesang erinnern eher an die englische Barock-Queen Emma Kirkby. Lezhnevas Koloraturtechnik ist stupend, aber nicht weniger beeindrucken ihre Musikalität und ihr Stilgefühl. Ihre Stimme hat, was bei Sängerinnen dieses Fachs nicht sehr häufig ist, auch in der Mittellage viel Substanz, was ihr Ausdrucksmöglichkeiten eröffnet, die sie hier in den geistlichen Nummern Dixit Dominus und Salve Regina, wo instrumentales Singen gefragt ist, nur begrenzt anwenden kann. Im erwähnten Trionfo dagegen meistert sie gleich zwei Partien, Bellezza und Piacere (eine Mezzo-Partie). Als Bonustrack liefert sie jubilierend die Arie „Rejoice“ aus dem Messiah und kündigt damit möglicherweise schon ein weiteres Album mit englischen Händel-Arien an.
Die Sängerin und die Musiker des Giardino Armonico haben gleich mit der einleitenden Arie aus La Resurrezione, wo der Engel die Pforten der Hölle sprengt, einen furiosen Einstieg. Sie finden auch in den folgenden Stücken zu einem harmonischen Zusammenspiel, wobei die Soloinstrumente (Traversflöte, Oboe, Violine) oft einen der Singstimme gleichberechtigten Part einnehmen.
Ekkehard Pluta [11.12.2015]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Disserratevi, o porte d'Averno (Aria dell'Angelo) | 00:04:50 |
2 | Per dar pregio all'amor mio | 00:09:08 |
3 | Lascia la spina, cogli la rosa (Aria del Piacere) | 00:06:34 |
4 | Dixit Dominus Domino meo HWV 232 for vocal soloists, Choir and Orchestra | 00:02:49 |
5 | Agrippina HWV 6 | 00:03:53 |
6 | Salve regina HWV 241 | 00:12:37 |
10 | Pensieri, voi mi tormentate | 00:06:32 |
11 | Un pensiero nemico di pace (Aria della Bellezza) | 00:03:57 |
12 | Felicissima quest'alma | 00:05:54 |
Interpreten der Einspielung
- Julia Lezhneva (Sopran)
- Il Giardino Armonico (Orchester)
- Giovanni Antonini (Dirigent)