Ferdinand Ries
Violin Sonatas
cpo 777 676-2
1 CD • 62min • 2011
28.12.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Hätte ich den Beipackzettel, sprich: die Einlegekarte dieser Veröffentlichung vor der Einnahme der Musik gelesen, wäre mir die vorläufige Verstimmung zweifellos erspart geblieben. Doch ich mußte ja, um mich der Produktion in gewohnter Weise so unvorbelastet wie möglich zu nähern, die Scheibe sofort einlegen – weshalb der Klang des leicht klimpernden Fortepianos im Verein mit der kraftvoll gestrichenen Violine mich zunächst in einen leichten Schrecken versetzte. Der sich allerdings recht bald verlor, als sich das Ohr erst einmal auf die unerwarteten Verhältnisse eingestellt hatte, und einer immer größeren Anteilnahme an den hier versammelten Werken Platz machte. Spätestens im zweiten Satz der 1807 entstandenen F-Dur-Sonate op. 8 Nr. 1, einem hinreißend spritzigen Scherzo nebst wunderbar kantablen Trio, verlor ich mich völlig in der trefflich vorgetragenen Komposition, aus der – wie bei Ries nun mal nicht anders möglich – gelegentliche Nachklänge an Beethoven hervorstechen, ohne freilich die eigene Handschrift so sehr zu übermalen wie etwa in den Symphonien: Der dritte Satz scheint mit eigenen Worten „die Himmel rühmen“ zu wollen, bevor er sich nach kurzer Weile, der Introduzione der Waldsteinsonate folgend, ins Finale ergießt, das dann einen recht flapsigen Tanz mit einem Hauch von „Gegenliebe“ darstellt.
Ähnlich spielerisch gibt sich in ihren Ecksätzen die etwas ältere Sonatenschwester op. 16 Nr. 2 in B-Dur, deren abschließende Polonaise umso unterhaltsamer wirkt, als die beiden Interpreten ein überaus differenziertes Empfinden für die Valeurs und Temporelationen an den Tag legen und zudem mit ganz leiser Ironie die kleinen dramatischen Aufschwünge ins modische rumta-rumta umschwenken lassen. Das zentrale, knappe Larghetto ist eine Kostbarkeit, die als seufzerhaltige Begleitmusik zu einer Werther-Szene ohne weiteres durchgehen könnte.
Sechs Jahre später schrieb Ferdinand Ries in St. Petersburg seine cis-Moll-Sonate op. 71, die nun die gestalterischen Fähigkeiten von Ariadne Daskalakis und Wolfgang Brunner endgültig im allerbesten Lichte erscheinen läßt und ihrerseits von der obwaltenden Innerlichkeit und Überzeugungskraft ungemein profitiert. Derselbe Komponist, der mit so vielem Modeflitter sein Geld verdiente und es einem oft genug schwer macht, unter all diesen Schnurren die wertvollen Dinge zu entdecken, und der zudem von mancherlei leichtfertigen Raritätenschindern maltraitiert wird – dieser ungeheuer fleißige Mann tritt dank einer sehr ernsthaften, innigen Auseinandersetzung mit seiner letzten Geigensonate aus dem selbstgeschaffenen Schatten heraus, um sich zeitweilig in geradezu bekenntnishafte Höhen zu erheben. Dass er bei diesem Aufstieg zwangsläufig die eine oder andere Formel seines großen Freundes nachspricht, fällt zwar auf, nicht aber ins Gewicht, und ist völlig vergessen, wenn das Duo Daskalakis-Brunner das Adagio anstimmt – ein „Ave Maria“ avant la lettre, das um einiges anrührender gesungen wird als das Evergreen, zu dem der wehrlose Johann Sebastian Bach die Begleitung hat liefern müssen.
Rasmus van Rijn [28.12.2015]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ferdinand Ries | ||
1 | Sonate F-Dur op. 8 Nr. 1 für Violine und Klavier | 00:26:01 |
5 | Sonate cis-Moll op. 71 für Violine und Klavier | 00:17:44 |
8 | Sonate B-Dur op. 16 Nr. 2 für Violine und Klavier | 00:18:05 |
Interpreten der Einspielung
- Ariadne Daskalakis (Violine)
- Wolfgang Brunner (Klavier)