Brahms
Violin Concerto & Sonata No. 1
BIS 2172
1 CD/SACD stereo/surround • 72min • 2015
19.07.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Eine von einem Pianisten sekundierte Violinsonate und ein von einem großen Orchester begleitetes Violinkonzert, beide Werke vom gleichen Komponisten: In dieser reizvollen Kompilation kann sich der russische Geiger Vadim Gluzman, Jahrgang 1973, ausgebildet in Israel und in den USA, zweimal unter ganz veränderten Bedingungen entfalten. Sein Ton, der dem Rezensenten schon vor längerer Zeit ein wenig flächig vorkam, ändert sich hierbei zwar nicht wesentlich, auch nicht seine reflektierte, sensible, technisch ohnehin absolut souveräne Spielweise. Doch das Umfeld ist jeweils ein anderes und auch die Art und Weise, wie Gluzman darauf reagiert.
Für das Violinkonzert D-Dur von Johannes Brahms stellt der amerikanische Dirigent James Gaffigan eine luxuriöse Kulisse bereit. Das Luzerner Sinfonieorchester bildet einen im Großen und Ganzen idiomatischen Klang aus, Gaffigan gibt schön schwere Tempi vor: Samt und weinrote Farben allerorten. Ein Manko ist freilich die wenig konzentrierte Linienführung in den Streichern, deren Phrasen immer wieder ungebündelt zu ihren Enden hin auslaufen. Weil auch die Holzbläser eher gediegen als gewitzt in Erscheinung treten, wirft das Orchester oft bloße Schatten anstatt eine eigenständige, nicht nur umgebende Kulisse herzustellen.
Wie man auch schon in Konzerten beobachten konnte, gehört Gaffigan zu denjenigen Dirigenten der jüngeren Generation, die sich – irritiert von den Historisierern – offenbar scheuen, eine Linie oder einen Klang auch einmal energisch festzuhalten, zumindest bei Musik, die als historisch aufgefaßt wird. Pointiert gesagt, wird von allen Spielern tendenziell einen Tick zuviel gesäuselt. Weil ihm im Violinkonzert nicht immer eine ausgleichend distinkte Phrasierung gelingt, ist das Orchester hier trotz der wie bei BIS gewohnt klaren und räumlichen Aufnahmetechnik eher als Begleitung denn als eigene Welt konzipiert.
Das ändert sich dann im kammermusikalischen Teil dieser Produktion. Schon anhand der späten Violinsonate von Schostakowitsch vor einigen Jahren hatten Gluzman und seine Duopartnerin (und Ehefrau) Angela Yoffe demonstriert, wie ungewöhnlich stark sie ihre so heterogenen Instrumente einander anzunähern verstehen. Auch in ihrer aktuellen Darstellung der Violinsonate Nr. 1 G-Dur von Brahms verschmelzen sie klanglich fast bis zur Ununterscheidbarkeit: Gluzman spielt im langsamen Satz etwa außergewöhnlich weich und satt, Yoffe etabliert einen darauf perfekt abgestimmten, gedeckten Brahms-Ton, der nur in Einzelfällen vielleicht einmal etwas heller strahlen, spitzer angeschlagen, vielleicht sogar aggressiver sein könnte. Doch dafür höre man, wie einträchtig und damit wirkmächtig der Höhepunkt in der Durchführung des ersten Satzes herbeigeführt wird, wie telepathisch die beiden aber dann auch vor allem das unsichere Zerfasern koordinieren, gleichsam aus einer einzigen Hand. Dies ist keine Realisierung, die auf Vielschichtigkeit oder gar Brüche setzt, die es wohlgemerkt bei Brahms auch gibt, doch genau in ihrer lebendigen und durchaus kontrastreichen Abgestimmtheit auf einsamer Höhe steht.
Prof. Michael B. Weiß [19.07.2017]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Konzert D-Dur op. 77 für Violine und Orchester | 00:39:12 |
4 | Sonate Nr. 1 G-Dur op. 78 für Violine und Klavier (Regenlied-Sonate) | 00:27:07 |
7 | Scherzo aus der Violinsonate FAE "Frei, aber einsam" c-Moll | 00:05:25 |
Interpreten der Einspielung
- Vadim Gluzman (Violine)
- Angela Yoffe (Klavier)
- Luzerner Sinfonieorchester (Orchester)
- James Gaffigan (Dirigent)