Mikhail Pochekin
J.S. Bach - Sonatas & Partitas BWV 1001-1006
Solo Musica SM 298
2 CD • 2h 14min • 2017, 2018
25.01.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
George Enescu, bedeutender Violinvirtuose und berühmterer Komponist, bezeichnete Johann Sebastian Bachs je drei Sonaten und Partiten für Solo-Violine als den „Himalaya für Geiger“. Eine sehr treffende Bemerkung, erfordern diese Werke doch neben einer geschliffenen, makellosen Technik, bedingt durch die Länge einzelner Sätze, vor allem Kondition und Übersicht. Bach selbst bezeichnete die Werke als „Sei Solo“ anstatt „Sei Soli“, was im biographischen Zusammenhang mit dem Tod seiner ersten Frau, Maria Barbara, durchaus als „Du bist allein“ gedeutet werden kann.
Drei Sonaten im Stil der italienischen Sonata da Chiesa (Stark verziertes Präludium im phantastischen Stil – Fuge – Cantabile – schnelles Finale) stehen drei Suiten im französischen Stil gegenüber. Sie sind also neben dem zweiten Teil der Klavierübung eine Gegenüberstellung der im Barock hauptsächlichen „Gouts“. Höchst individuell verwendet Bach den Begriff „Double“ in der h-Moll-Partita, der normalerweise eine verzierte Variation bezeichnet, hier aber – möglicherweise als Beispiel für den „vermischten Stil“ – die Auflösung der dem vorausgehenden Tanzsatz zugrundeliegenden Harmonien in eine gleichförmige Bewegung meint. Die Fuge der C-Dur Sonate ist mit knapp 10‘ Spieldauer länger als die meisten seiner Fugen für Tasteninstrumente. Dies zum Thema Kondition, was natürlich noch stärker für die berühmte Chaconne gilt.
Der 28-jährige russische Geiger Michail Pochekin verfügt über eine exzellente Technik, einen männlich-brillanten Ton und eine äußerst saubere Intonation. Seine Tempowahl ist zumeist schlüssig. Sehr gut gelingen die Partiten in d-Moll und E-Dur, letztere in ihrer spritzigen Eleganz sogar auf Referenzniveau. Aber auch die C-Dur Sonate ist interpretatorisch durchaus gelungen. Allerdings artikuliert Pochekin, im Bestreben möglichst viel Klang zu erzeugen, häufig zu dicht, so dass Auftakte, die bei Tanzsätzen durchaus auf die „Eins“ des übernächsten Taktes zielen können, oft zu gewichtig daherkommen. Hemiolen werden gelegentlich übersehen, was dazu führen kann, dass eine agogische Dehnung, die auf „guten“ Taktzeiten natürlich wirken würde, auf den unbetonten Teil einer unbetonten Taktzeit fällt, was dann manieriert wirkt und den Fluss zerreißt. Bei den Doppelgriffen könnte man sich eine stärkere dynamische Differenzierung vorstellen. Diese würde im Andante der a-Moll- und im Siciliano der g-Moll-Sonate den gesanglichen Charakter von Aria bzw. Duett über Begleitbass verdeutlichen.
Pochekin führt alle Wiederholungen in den Tanzsätzen nebst deren Doubles aus, belässt sie aber unverändert. Dieses Vorgehen ist stilistisch durchaus fragwürdig, da wir aus Schülerabschriften der Klavierwerke wissen, dass Bach im Unterricht eine erhebliche Anzahl „wesentlicher Manieren“ ergänzen ließ. Dass er diese im Autograph der Violinsoli nicht vermerkte, heißt nicht, dass er sie nicht improvisierte.
Klangtechnisch ist die Aufnahme ausgezeichnet. Das Booklet ist informativ, da hier der Interpret selbst zu Wort kommt. Liebhaber einer nicht zu barocken, gelegentlich romantisierenden Bach-Auffassung können hier unbesorgt zugreifen, den anderen seien eher die Aufnahmen von Rachel Podger oder Armandine Beyer anempfohlen.
Thomas Baack [25.01.2019]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Sonate Nr. 1 g-Moll BWV 1001 für Violine solo | 00:15:48 |
5 | Partita Nr. 1 h-Moll BWV 1002 für Violine solo | 00:27:27 |
9 | Sonate Nr. 2 a-Moll BWV 1003 für Violine solo | 00:21:47 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Partita Nr. 2 d-Moll BWV 1004 für Violine solo | 00:28:17 |
6 | Sonate Nr. 3 C-Dur BWV 1005 für Violine solo | 00:21:36 |
10 | Partita Nr. 3 E-Dur BWV 1006 für Violine solo | 00:17:58 |
Interpreten der Einspielung
- Mikhail Pochekin (Violine)