Voices of Angels
BIS 2344
1 CD/SACD stereo/surround • 64min • 2017, 2018, 2019
08.10.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das Stockholm-Syndrom-Ensemble liebt es, seinen Konzerten als Leitfaden ein bestimmtes Thema zugrunde zu legen und davon ausgehend Stücke verschiedener Epochen und Stile einander gegenüberzustellen. Der Reiz wechselnder Besetzungen ist dabei ausdrücklich erwünscht, wozu auch gern weitere Musiker eingeladen werden. Das Programm der vorliegenden CD ist ganz in diesem Sinne entworfen und bringt unter dem Motto „Engelsstimmen“ vokale, instrumentale, und vom Vokalen inspirierte instrumentale Stücke von Johann Sebastian Bach bis zur Gegenwart zusammen. Zu den Mitgliedern des Ensembles treten hinzu: Andrej Power, Violine, Lawrence Power, Viola, und Christianne Stotijn, Mezzosopran.
Wertvolles Klavierquintett
Knapp die Hälfte der Gesamtspielzeit einnehmend, eröffnet dasjenige Stück die Vortragsfolge, das der gesamten CD den Namen gegeben hat: Brett Deans 1996 komponierte Voices of Angels können mit Fug und Recht als Bereicherung der Klavierquintettliteratur in der Besetzung des Schubertschen Forellenquintetts angesehen werden. Die Engel sprechen in den beiden ungefähr gleich langen Sätzen des Werkes auf vielfältige und abwechslungsreiche Weise zu uns. Der erste Satz entwickelt sich ganz allmählich aus dem Wechselspiel stockender Tonrepetitionen und abwärts rutschender Glissandi, wobei die Töne des Klaviers längere Zeit durch Berühren der Saiten mit einem Paukenschlägel erzeugt werden, steigert sich dabei immer mehr in eine Stimmung nervöser Unruhe hinein. Im zweiten Satz dominieren stampfende Tanzrhythmen in unregelmäßigen Metren, aber auch die Glissandi kehren wieder. Beide Sätze münden in einen langsamen Abgesang, der in der Höhe entschwindet. Das ganze Werk stellt seinem Komponisten ein exzellentes Zeugnis im Hinblick auf formale Abrundung und klangliche Gestaltung aus.
Klangliche Feinabstufungen
Nach Dean hat Sofia Gubaidulina den größten Anteil am Programm. Ihrer Meditation über Vor Deinen Thron tret ich hiermit für Cembalo und Streichquintett ist sinnvollerweise der entsprechende Bach-Choral vorangestellt worden, den man als „Notdach“ der Kunst der Fuge kennt. Wie in Deans Quintett so zeigen die Musiker auch in Gubaidulinas Meditation ein treffliches Gespür für klangliche Feinabstufungen, so dass zwischen Bachs Motiven und den Veränderungen, denen sie von Gubaidulina im Verlauf ihrer Meditation unterzogen werden, ein geschmeidiges Ineinanderfließen entsteht. Auch Alfred Schnittkes Hymne für Violoncello und Kontrabass wird als tiefpoetisches Stück vorgestellt, das Herausschälen aus der Stille ebenso fesselnd dargeboten wie das Anwachsen zum Choral. Der Komponist hat die Möglichkeiten der beiden Instrumente so geschickt ausgenutzt, dass man mitunter meinen könnte, ein kleines Streichorchester zu hören.
Licht und Schatten im Vokalen
Zwischen den instrumentalen Werken singt Christianne Stotijn zwei Klavierlieder von Rachmaninoff und den Engel aus Wagners Wesendock-Liedern. Dazu kommt Ein Engel von Gubaidulina, ein Stück für Gesang und Kontrabass; originell insofern, als dass die Sängerin nur minimal durch das Instrument gestützt wird, und der Kontrabass nach ihrem Verstummen sein eigenes Lied ohne Worte anstimmt. Stotijns Vortragsstil ist von einem unbedingten Willen zum Ausdruck geprägt. In ihren Gesang mischt sie Annäherungen an gesprochene Sprache und erzeugt dadurch schauspielerische Wirkungen. Zu Gubaidulinas nicht eigentlich melodischem Engel, worin sie über längere Strecken vom Instrument in der Stille alleingelassen wird, passt dies sehr gut. In den Klavierliedern wirken jedoch rhythmische Verschleppungen, Untermalung einzelner Wörter durch plötzliches starkes Vibrato, sowie Veränderungen des Timbres hin zum Blässlichen als der Musik aufgedrängte Manieren, und machen eher den Eindruck eines gezwungenen Ausdrucksvoll-sein-Wollens. Es klingt, als hätte die Sängerin kein rechtes Vertrauen in ihre kraftvolle Stimme gehabt, mit der sie besonders in den tiefen Lagen beeindrucken kann.
Trotz dieser Einschränkung liegt eine gelungene Veröffentlichung vor, die namentlich Freunden zeitgenössischer Kammermusik warm empfohlen sei.
Norbert Florian Schuck [08.10.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Brett Dean | ||
1 | Voices of Angels | 00:27:59 |
Sofia Gubaidulina | ||
3 | Ein Engel | 00:06:35 |
Sergej Rachmaninow | ||
4 | Muzyka op. 34 Nr. 8 | 00:02:27 |
Johann Sebastian Bach | ||
5 | Vor deinen Thron tret ich hiermit BWV 668 (Orgelchoral) | 00:03:43 |
Sofia Gubaidulina | ||
6 | Meditation über den Bach-Choral "Vor Deinen Thron tret' ich hiermit" | 00:12:05 |
Richard Wagner | ||
7 | Der Engel (aus: Wesendonck-Lieder) | 00:02:32 |
Sergej Rachmaninow | ||
8 | Zdes' khoroso (Hier ist es schön) op. 21 Nr. 7 | 00:01:53 |
Alfred Schnittke | ||
9 | Hymnus II für Violoncello und Kontrabass | 00:05:45 |
Interpreten der Einspielung
- Christianne Stotijn (Mezzosopran)
- Andrej Power (Violine)
- Lawrence Power (Viola)
- Stockholm Syndrome Ensemble (Ensemble)