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Besprechung CD

Johann Nepomuk David

Five String Trios

cpo 555 412-2

1 CD • 60min • [P] 2020

11.01.2021

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Unter Organisten ist Johann Nepomuk David (1895-1977) ein Begriff, und mittlerweile rücken auch seine Symphonien dank der Initiative von cpo wieder etwas mehr ins Bewusstsein. David hat auch einiges an Kammermusik geschrieben, darunter Solo- und Duowerke sowie eine ganze Menge an Trios, unter welchen die Streichtrios in der klassischen Besetzung für Geige, Bratsche und Cello mit vier Beiträgen den größten Schwerpunkt bilden. Es liegen ein frühes Streichtrio in G (1928-31) sowie die vier gewichtigen Werke des Opus 33 (entstanden 1945 und 1948) vor, und sie alle sind nun hier vom David-Trio (Sabine Reiter, Violine; Peter Aigner, Viola; Andreas Pözlberger, Cello) in Linz zu ungenanntem Zeitpunkt aufgenommen worden und als einstündige Übung in höchster Spiel- und Hörkonzentration veröffentlicht. Das ist wirklich herausfordernde Kost für jeden, und man sollte schon einige Freude am Verfolgen komplex überlagernder und oft in unorthodoxer Weise verteilter kontrapunktischer Linienführung mitbringen, um hieran seine Freude zu haben. Dann allerdings kann diese Freude immens sein.

Fern vom Vorbild Max Reger

Das frühe Streichtrio steht noch am offenkundigsten in einer post-romantischen Tradition und ist als einziges viersätzig (den finalen Allegro deciso-Satz vergisst die Auflistung im Booklet, aber eingespielt ist er hier schon…). Bereits hier zeigt sich David als Freund unerhörter kontrapunktischer Kunststückchen am laufenden Band, und ihn mit Max Reger zu vergleichen, auch mit dem späten Reger, ist dann bei allem Wohlwollen doch etwas weit hergeholt, wo so wenig Schwärmerei und so viel stimmführerische Spannung als tragendes Element involviert ist.

Immanente Gesetzmäßigkeit und heikle Quintparallelen

Grandiose Gattungsbeiträge sind die reifen vier Trios allesamt. David hat sie den Geigenbauerlegenden Amati, Stradivari, Guarneri del Gesù und Jacob Stainer im Gedenken zugeeignet und sagt damit auch insofern schon einiges über den musikalischen Geist aus, als es eben überhaupt keine außermusikalisch-programmatischen Aspekte in dieser Musik gibt, die nur aus den ihr innewohnenden Kräften der Anziehung und Abstoßung, der Dissonanz und Konsonanz ihren Seinsimpuls bezieht, die einzig immanenter Gesetzmäßigkeit gehorcht. Effekt als Selbstzweck existiert nicht, auch wenn in den späteren Trios (zum letzten hin rapide zunehmend) ausgiebiger Gebrauch von ungewöhnlichen Farbgebungen und besonders herausfordernden Spieltechniken gemacht wird. Besonders schwierig etwa sind – sie kommen auch in schnellem Tempo in sprunghafter Abfolge vor! – per Doppelgriff hergestellte Quintparallelen, eine der heikelsten Aufgaben überhaupt für einen Geiger, und sie werden hier von Sabine Reiter mit beeindruckender Intonationssicherheit gemeistert. Wenn man diese Werke genauer studiert, stellt man schnell fest, dass die Häufung von technisch Unbequemem, im anvisierten Tempo gelegentlich kaum Spielbarem mit ein Grund sein dürfte, warum sie eigentlich nie gespielt wurden und längst vergessen sind – was sich natürlich jetzt ändern könnte.

Gegenposition zum Klangreiz der Avantgarde

Ein anderer Grund, warum diese Musik es nicht in die Konzertprogramme schaffte, ist die aller Effekthascherei abholde, ganz in der Kontinuität des organischen Formbaus und im emphatischen Ausdrucksgehalt der Linienführung sich artikulierende Musik, die damit schon bald völlig konträr zu den Moden und Trends der 1950er Jahre und folgenden Jahrzehnte stand. Auch hier können wir nur hoffen, dass die Zeiten der Vorherrschaft unzulänglicher Dogmen aus und vorbei sind. Denn noch ist innerer, erlebter und erlebbarer Zusammenhang diejenige Eigenschaft, die der neuen Musik weiterhin fremd ist – dies vielleicht der einzige einende Faktor der heutigen sogenannten Avantgarde.

Da ist David, dieser weitgehende klangliche Asket von hoher Informationsdichte des linearen Satzes, ein Trendsetter in entgegengesetzter, auf die alten Meister weit vor Bach zurück verweisender Weise, der eine radikale Gegenposition zum Klangreiz der ‚Avantgarde‘ exponiert.

Kein Gespür für die Tondauern

So sehr sich das David-Trio für seinen Namensgeber engagiert und in einiger Hinsicht eine technisch erstaunlich perfektionierte Gesamtaufnahme vorlegt, so sehr bedaure ich, dass die Aufmerksamkeit für die Tondauern frappierend rudimentär ist. Dieser Mangel lässt mich das Ganze nur beschränkt genießen, und ich verstehe nicht, wieso man so nachlässig mit einem zentralen Aspekt verfährt, der in jener Epoche, so unmissverständlich differenziert notiert, gar nicht der interpretierenden Willkür anheim gestellt ist. Man fängt die Töne ja auch zusammen zum rechten Zeitpunkt an, wieso denkt man dann nicht daran, sie auch zur rechten Zeit zu beenden, sei dies nun abrupt oder ausklingend? Ich muss natürlich hier zugleich konzedieren, dass diese Schwäche symptonatisch für unsere Zeit ist (sie ist eine natürlich Folge falsch verstandener ‚historischer Aufführungspraxis‘).

Übrigens kann ich auch nicht hören, dass die drei Musiker über das Kontrapunktische hinaus einen plausiblen Ausdruck für die Harmonik, den harmonischen Spannungsverlauf fänden. Es erscheint mir, als hätte man sich über die sich einstellenden Spannungsverhältnisse vielleicht Gedanken gemacht, jedoch hat man nicht die Möglichkeit der sinnlich erlebbaren Umsetzung gefunden.

Die Aufnahmetechnik (Uwe Walter) scheint das Ganze recht authentisch wiederzugeben, man hört jedenfalls fast immer alle drei Stimmen gut. Matthias Wamsers Booklettext konzentriert sich weitgehend auf die populärverträgliche Analyse, über den Komponisten selbst wird hier wenig berichtet. Aller mindernden Umstände eingedenk ist dies jedoch eine gewichtige Tat aller Beteiligten.

Christoph Schlüren [11.01.2021]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Nepomuk David
1Streichtrio op. 33 Nr. 1 DK 383 (Nicolò Amati in memoriam) 00:12:36
4Streichtrio op. 33 Nr. 2 DK 384 (Antonio Stradivari in memoriam) 00:17:21
7Streichtrio op. 33 Nr. 3 DK 396 (Giuseppe Guarneri del Gesù in memoriam) 00:17:07
10Streichtrio op. 33 Nr. 4 DK 397 (Jacobo Stainer in memoriam) 00:19:44
13Streichtrio G-Dur DK 267 00:12:52

Interpreten der Einspielung

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