Jazzissimo
Jazz in Classic Music
Genuin GEN 22972
1 CD • 49min • 2021, 2022
05.01.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Frei sein. Sich selbst und andere befreien, um nicht nur die Einmaligkeit des Künstlers zu dokumentieren, sondern im und aus dem Moment heraus über sich hinaus zu verweisen“ – so definiert Ralf Dombrowski in den Linernotes zur dieser CD das, was Musikmachen und noch mehr die künstlerische Freiheit dabei ausmacht. Es dürfte kein Zufall sein, dass der Geiger Matthias Well und die Pianistin Lilian Akopova dieses Statement im Booklet ihrer CD „Jazzissimo“ ausgewählt haben. Wie vielen Musikern und ergeht es auch diesem Duo: Die Konventionen des klassischen Konzertbetriebs fühlen sich oft allzu eng an. Dennoch haben viele Komponisten des 20. Jahrhundert gerne über vermeintliche Grenzen der musikalischen Lager geblickt und genau das demonstriert dieses Duo auf durchweg höchstem spielerischen Niveau auf dieser Aufnahme.
Ein hellwaches Gespür für alles Freiheitliche
Komponisten wie Maurice Ravel, George Gershwin, Astor Piazzolla und Darius Milhaud waren freiheitlich gesinnt und offen für alle Einflüsse ihrer Zeit – vor allem, wenn sie gerade in Paris, diesem kreativen „Melting Pot“ ansässig waren.
Wenn Alexander Rosenblatt sich der Carmen-Fantasie von George Bizet annimmt, dann kommt das auf ideale Weise der klangsinnlichen Spiellust von Matthias Well und Lilian Akopova zugute. Trickreich vereint diese Carmen-Fantasie zwei der prägnantesten Themen aus dem Opern-Hit. Damit sich nicht zu viel Wiedererkennungswert breit macht, holt Matthias Well alle subtilen Nuancen an die Oberfläche, insbesondere da, wo Alexander Rosenblatt neue rhythmische und harmonische Umgebungen hergestellt hat. Vor allem die ausgiebigen Glissandi- und Bending-Effekte zeigen, dass es für diesen Musiker erst jenseits festgefügter Tonhöhen richtig spannend wird. Bestärkt wird er durch das kraftvolle Klavierspiel von Lilian Akopova, sodass diese Musik auch ordentlich „swingt“ und groovt, wenn es sein muss. Astor Piazzollas Stück Nightclub aus der Histoire du Tango gehen die beiden zügig an, das gibt der Musik den frischen Drive.
Verwandtschaft zwischen Impressionismus und Jazz
Maurice Ravels feingliedrige Violinsonate überrascht mit einem tiefgründigen Blues im Mittelsatz – dieses Essential darf bei einem solchen Unterfangen nicht fehlen. My Man's gone now aus Gershwins Musical Porgy and Bess wird mit deutlich mehr dynamischem Druck zum Lamento, in dem sich beide Instrumente in ihrem intensiven Gesang überbieten. Darius Milhauds Le boeuf sur le toit legt offen, wie jazzige Strukturen oft aus der Gebrauchsmusik für frühe Stummfilme geboren wurden. Und wenn beide Interpreten schon mal so viel Substanz vorfinden, sind auch Neuentdeckungen ein gute Sache: Vladislav Cojocarus Kaleidoskop aus dem Jahr 2020 lotet so manche Wesensverwandtschaft zwischen Impressionismus und Jazz auf. Beides sind Etiketten, die der Musik oft von außen aufgedrückt werden, wo es doch Kern nur um Originalität und Empfindung geht. In diesem Geiste spüren Matthias Well und Lilian Akopova vieles Freiheitliche auf, wie es überall in der Kunstmusik des 20. Jahrhunderts lebt. Damit wird der Tatbestand „Jazz“ dann doch locker erfüllt.
Stefan Pieper [05.01.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Alexander Rosenblatt | ||
1 | Carmen Fantasy | 00:09:47 |
Astor Piazzolla | ||
2 | Night Club 1960 | 00:05:18 |
Maurice Ravel | ||
3 | Sonate Nr. 2 G-Dur op. 7 für Violine und Klavier | 00:17:09 |
George Gershwin | ||
6 | My man‘s gone now | 00:04:11 |
Vladislav Cojocaru | ||
7 | Kaleidosocpe (dedicated to Matthias Well and Lilian Akopova) | 00:05:18 |
Darius Milhaud | ||
8 | Le Bœuf sur le toit op. 58b (Cinéma-Fantaisie) | 00:07:34 |
Interpreten der Einspielung
- Matthias Well (Violine)
- Lilian Akopova (Klavier)