Florian Leopold Gassmann
Oboe Quartets & Quintets
cpo 555 528-2
1 CD • 67min • 2021
20.03.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Da fragt man sich doch glatt, ob das sein kann: Aufnahmen mit Lajos Lencés aus dem Jahr 2021. Und man denkt an die Schulzeit in den 70ern zurück, in der man selbst auf der Oboe dilettierte und in der Lencés bereits neben Heinz Holliger ein absoluter Star der Holzbläser-Szene war. In jedem Fall straft diese Einspielung das gern von Streichern verbreitete Gerücht Lügen, dass Oboisten – wegen des hohen Drucks im Kopf – im Alter „etwas wunderlich“ würden. Denn wer kurz vor Vollendung des 80. Lebensjahrs noch so wundervoll musikalisch bläst, muss noch alle Sinne beieinander haben.
Der Lehrer des vermeintlichen Mörders
Florian Leopold Gassmann (1729-1774) stammte aus Brüx (heute: Most) am Rande des Erzgebirges im deutschsprachigen Teil Böhmens. Er riss mit 13 Jahren von daheim aus, um Musiker zu werden und brachte sich zunächst als wandernder Harfenist durch. Über Venedig erreichte er Bologna, wo sich Padre Giambattista Martini seiner annahm und ihn an seinem Liceo musicale unterbrachte. 1757 nach Venedig zurückgekehrt, wirkte er als Opernkomponist, Chorleiter und Organist. Dort lernte er auch den jungen Antonio Salieri (1750-1825), den vermeintlichen Mozart-Mörder und Lehrer Beethovens, Schuberts und Liszts kennen und lud ihn nach Wien ein, wo er seit 1763 als Ballett-Direktor, hochangesehener Kammerkompositeur Josephs II. und ab 1772 als Hofkapellmeister wirkte.
Gassmanns Oboenquartette und -quintette sind in ihrer teils höchst gesanglichen und teils spritzig-tänzerischen Faktur wundervolle Beispiele für den Übergang vom späten „Galanten Stil“ zur frühen Wiener Klassik. Da sie größtenteils Bearbeitungen nach eigenen Opernarien sind, sollte dies auch nicht verwundern. Das ist brillante und geistreiche Unterhaltungsmusik auf höchstem Niveau, die sich kompositorisch klar auf Augenhöhe zu Mozarts berühmtem Oboen-Quartett befindet.
Lencsés als Entdecker
Wie schön, das Lajos Lencsés sich seine Neugier bewahrt hat und noch immer auf Entdeckungsreisen geht! Dass er sein Instrument immer noch so mühelos-locker beherrscht, kann man getrost als Wunder betrachten. Seine Phrasierung ist von klassischer Eleganz, sein Ton immer noch farbig, Vibrato wird wie bei einem Barock-Oboisten nur als Ornament verwendet. Perfekter und klüger kann man diese Musik nicht gestalten. Dass das die Kollegen vom Szigeti-Quartet animiert, nimmt nicht wunder. Zum umwerfenden Höhepunkt gerät dabei das Finale des Divertimentos in B-Dur (Track 12).
Optimale Präsentation
Die Klangtechnik entspricht dem stellaren Niveau der Interpretation. Eckart van den Hoogen gelang ein außerordentlich elegant formulierter, höchst ausführlicher Booklet-Text, der den Kontext zu den Arien, die als Vorlage dienten, ausführlich beleuchtet. Dies hätte in schlechterem Umfeld zu einer – hier ohnedies maximal erreichten – Aufwertung beim „Gesamteindruck“ geführt.
Fazit: Heitere Kammermusik in perfekter Interpretation. Modellhaftes Oboenspiel. Intuitive Ensemble-Arbeit. Dringendst empfohlen!
Thomas Baack [20.03.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Florian Leopold Gassmann | ||
1 | Quintett B-Dur H 571 für Oboe und Streichquartett (nach Amor und Psyche) | 00:11:13 |
4 | Quintett B-Dur H 573 für Oboe und Streichquartett (nach Amor und Psyche) | 00:11:25 |
7 | Quartett Es-Dur H 482 für Oboe und Streicher (Divertimento) | 00:11:57 |
10 | Quartett B-Dur H 483 für Oboe und Streicher (Divertimento) | 00:23:09 |
13 | Quartett D-Dur H 486 für Oboe und Streicher (Divertimento) | 00:09:19 |
16 | Cassatio H 532 für 2 Englischhörner, Fagott und 2 Hörner | 00:10:44 |
Interpreten der Einspielung
- Lajos Lencsés (Oboe)
- Lena Gersbacher (Englischhorn)
- Wolfgang Wipfler (Horn)
- Josef Weissteiner (Horn)
- Libor Šima (Fagott)
- Szigeti Quartet (Streichquartett)