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Germaine Tailleferre & Darius Milhaud

Mélodies et Chansons Vol. 2

MDG 613 2279-2

1 CD • 61min • 2022

14.01.2024

Künstlerische Qualität:

Klangqualität:

Gesamteindruck:

Im reichen Schaffen von Germaine Tailleferre (1892-1983), der einzigen Frau in der berühmten „Groupe de Six“, der neben ihr George Auric, Louis Durey, Arthur Honegger, Darius Milhaud und Francis Poulenc angehörten, spielt das Klavierlied eine nur marginale Rolle. Man ist geneigt, von Gelegenheitsarbeiten zu sprechen, womit man ihrem ästhetischen Reiz und ihrem „Charme“ aber keinen Abbruch tut. Der Bariton Holger Falk und der Pianist Steffen Schleiermacher sind bei ihrer bei MDG dokumentierten systematischen Erkundung der Vokalmusik jener Gruppe nun bei ihren anregenden Petitessen angelangt und haben sie eingebettet in Liedkompositionen ihres befreundeten Kollegen Milhaud (1892-1974), dem zuvor schon ein eigenes Album (MDG 613 2271-2) gewidmet war.

Mit leichter Hand

Fast ein halbes Jahrhundert umfasst die Auswahl ihrer musikalischen Miniaturen, von denen viele kürzer als eine halbe Minute sind. Die Six Chansons françaises (1929) waren ihr erstes Vokalwerk überhaupt, nachdem sie bereits 20 Jahre in anderen Gattungen erfolgreich war. Basierend überwiegend auf älteren, meist anonymen Texten beschwören sie doch in ihrem frivolen Witz, der mit den von Fritzi Massary etwa gleichzeitig kreierten Songs manche Verwandtschaft aufweist, den Esprit der 20er Jahre. Die Frau zwischen älterem Mann und jungen Liebhaber hat in diesen Chansons einen zentralen Platz. Der apart melancholische Chansonton von La Rue Chagrin (1955) vermittelt die Atmosphäre der Cabaret-Cafés der Nachkriegszeit. Für die avantgardistische Lyrik ihrer Zeitgenossen hatte Tailleferre ein offenes Ohr und ein feines musikalisches Gespür, wie die Vertonungen von Gedichten Robert Pingets, Jean Tardieus und Guillaume Apollinaires zeigen. Dessen L’Adieu du Cavalier (1963) verwendet sie als Epitaph auf ihren Kollegen Francis Poulenc. Es war dies eine Auftragsarbeit für die Sopranistin (und Mäzenin) Alice Swanson Esty, die zuvor schon den elfteiligen Zyklus Pancarte pour une Porte d’Entrée (1959) auf Texte von Pinget bei ihr bestellt hatte – poetische Bagatellen, für die Tailleferre eine angemessen lapidare und pointierte Form fand.

Facetten von Milhaud

Bagatellen-Charakter hat auch der frühe Zyklus Catalogue des fleurs (1920) von Darius Milhaud, in dem verschiedene Blumenarten bis hin zu ihrem Duft kurz und spielerisch beschrieben werden. In den Chants Populaires hébraïques (1925) setzt er dagegen auf melodische und harmonische Einfachheit. Wie andere Mitglieder der Gruppe hat Milhaud auch Gebrauchsmusik fürs Theater geschrieben, Arbeiten für den Tag gewissermaßen, einiges davon, was ihm gelungen schien, aber ausgegliedert und für den Konzertsaal gerettet, so die Chansons aus den Stücken Folle du Ciel und Tu ne m’échapperas jamais (beide 1936). Die im selben Jahr entstandenen Trois Chansons de Troubadour waren Bestandteil eines Balletts, für das der Komponist nach eigener Aussage provençalische Themen des 18. Jahrhunderts verwendete.

Flexibel und idiomatisch

Auch in dieser neuen Folge ihrer Entdeckungsreise durch die Musik der „Groupe de Six“ sind den Künstlern wieder idiomatische Interpretationen gelungen. Dabei erstaunt die stimmliche Flexibilität von Holger Falk immer wieder, den man als einen Tenor-Bariton bezeichnen könnte, wie er in der französischen Vokalmusik nicht selten gefordert ist. Er erfasst präzise die unterschiedlichen Stimmungen der Lieder, die hier sehr kontrastreich angeordnet sind. Die stimmliche Wandlungsfähigkeit erweist sich besonders in der Vocalise-Étude (1929) von Germaine Tailleferre, die als Teil einer Sammlung von Übungsstücken entstand, die der Dichter und Gesangslehrer Amédée Landely Hettich in mehreren Bänden herausgab. Falk surft da durch alle Stimmlagen, vom Sopran zum Tenor, vom Mezzo zum Bariton. Steffen Schleiermacher ist ihm in allen 45 Titeln des Albums ein animierender und brillanter Begleiter. Die französischen Liedtexte finden sich im Beiheft mit englischer, allerdings nicht mit deutscher Übersetzung.

Ekkehard Pluta [14.01.2024]

Komponisten und Werke der Einspielung

Interpreten der Einspielung

• Holger Falk (Bariton)
• Steffen Schleiermacher (Klavier)