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Besprechung CD

Tribute to Rachmaninoff

150th Anniversary

Ars Produktion 38 365

1 CD • 82min • 2023

19.01.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Das gerade vergangene Jahr 2023 markierte unter anderem den 150. Geburtstag von Sergej Rachmaninow, und aus diesem Anlass hat die georgischstämmige, in Moskau geborene Pianistin Shorena Tsintsabadze seiner Musik ein durchaus persönlich gefärbtes Album gewidmet. Die beiden zentralen Werke, die zugleich den Rahmen des Programms bilden, sind die Moments musicaux op. 16 sowie das Klavierkonzert Nr. 2 mit dem Russischen Nationalorchester unter der Leitung von Vakhtang Jordania. Ergänzt wird das Album durch eine Auswahl kürzerer Stücke, vier davon Transkriptionen aus Rachmaninows Feder von eigenen und fremden Werken, und schließlich zwei der Präludien op. 23.

Energisches, kraftvolles Spiel

Tsintsabadzes Spiel ist in seiner grundsätzlichen Ausrichtung energisch, passioniert zupackend und von einem relativ kräftigen Anschlag geprägt, es handelt sich also um eher direkte, robuste Lesarten. So überzeugen in Rachmaninows 1896 entstandenen Moments musicaux speziell die Stücke mit den geraden Nummern: die drängende Unruhe, das Brodelnd-Virtuose (in Nr. 2&4) liegt der Pianistin. Das abschließende Maestoso (Nr. 6) gerät dabei sogar verhältnismäßig zurückhaltend, jedenfalls lässt sich Tsintsabadze auch im dreifachen Forte noch Raum für Abstufungen und weiß so die Bögen, die Steigerungen dieser Musik gekonnt zu realisieren. Im einleitenden Andantino könnte man dagegen noch stärker differenzieren, sowohl im Ausreizen dynamischer Kontraste (etwa das Pianissimo beim zweiten Erscheinen des Hauptthemas) als auch im Anschlag (wie Tsintsabadze es dann in den Echoeffekten des fünften Stücks sehr wohl vermag). Die Girlanden von Sechzehntel-Triolen im Andantino con moto-Abschnitt von Nr. 1 sieht die Pianistin nicht nur als Ornamente, als Atmosphäre stiftend, sondern hebt auch die darin verborgene Grundmelodie hervor, nicht ganz so exquisit wie Vladimir Ashkenazy, aber doch mit wachem Blick für die Struktur dieses Stücks zwischen Nocturne und Variationssatz. Im Trauermarsch (Nr. 3) arbeitet sie vor allem das Klagende, die Seufzergesten heraus. Was dabei allerdings in den Hintergrund gerät, ist der Charakter eines (langsamen) Marsches, was zum einen an Tsintsabadzes recht großzügigen Rubato liegt, zum anderen aber auch daran, dass sie die Länge der Pausen (typischerweise auf dem dritten Viertel) tendenziell ziemlich frei (oft etwas zu kurz, mal aber auch mit Fermate) gestaltet.

Großzügiges Rubato

Ein ähnliches Bild ergibt sich in den kleineren Stücken, so etwa dem Präludium op. 23 Nr. 6. Die erste Hälfte dieses Stücks gelingt überzeugend, kantabel und beseelt gespielt. Wenn sich die Musik nach dem Forte-Aufschwung wieder beruhigt, versieht Tsintsabadze den Rest des Präludiums kontinuierlich mit viel Rubato, wodurch auf die Dauer der Puls der Musik zu sehr ins Stocken gerät und die weiteren (melodischen) Linien aus dem Blickfeld geraten: hier klingt zu viel schon nach finaler Verbreiterung. Grundsätzlich kann sich Tsintsabadze dabei auf die Interpretationen des Komponisten berufen, die selbst von manchen agogischen Freiheiten gekennzeichnet sind, es bleibt aber trotzdem eine Frage der Dosis. Wenn zum Beispiel in der Polka de W. R. (nach einer Polka von Franz Behr) schließlich das Polkathema wiederkehrt, dann steht in den Noten zwar Tempo I, doch auch Rachmaninow am Klavier geht hier ein gutes Stück zurück und verleiht dem Thema durch dieses Moment der Verzögerung einen gewissen Schmäh. Tsintsabadze geht allerdings noch einen Schritt weiter und begreift diese Episode faktisch als langsamen Einschub, m.E. auf Kosten der Balance. Dass all dies grundsätzlich gutklassige Interpretationen sind, steht dabei außer Frage.

Tsintsabadzes erste CD-Aufnahme

Eine Sonderstellung nimmt die Aufnahme des Zweiten Klavierkonzerts ein: wurde der Rest des Programms erst jüngst im August 2023 eingespielt, so handelt es sich beim Konzert um Tsintsabadzes erste CD-Aufnahme, entstanden 2000 im Alter von erst 18 Jahren, damals noch unter der Leitung von Vakhtang Jordania (die Vita im Beiheft versäumt übrigens darauf hinzuweisen, dass Jordania bereits 2005 nur 62-jährig verstarb). Insgesamt recht ordentlich gelungen ist der erste Satz; dass das Orchester nicht immer ganz sauber intoniert, schlägt besonders im zweiten Satz negativ zu Buche, zumal ausgerechnet die Klarinetten nicht ganz rein gestimmt sind. Verstehen Tsintsabadze / Jordania die ersten beiden Sätze eher zügig, so wirkt das Finale (gerade am Beginn) fast ein wenig zurückhaltend und (u.a. in der Artikulation) nicht immer völlig präzise. Im Kontext dieses Albums auch ein interessantes Dokument von der Entwicklung Tsintsabadzes, das insgesamt von einer nicht unbeträchtlichen Kontinuität ihres Zugangs zu dieser Musik zeugt.

Ausführlicher Begleittext

Die Klangqualität der Aufnahmen unterscheidet sich: entsprechen die neu entstandenen guten aktuellen Standards, so klingt das Konzert etwas mulmig zu Lasten einiger Details der Orchestrierung wie z.B. den Pizzicato-Triolen der ersten Violinen im 2. Satz bei Ziffer 18 gemeinsam mit der Klarinette. Den ausführlichen, von Enthusiasmus getragenen (und recht blumigen) Begleittext hat Tsintsabadze selbst verfasst.

Holger Sambale [19.01.2024]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Sergej Rachmaninow
1Moment musical b-Moll op. 16 Nr. 1 00:07:33
2Moment musical es-Moll op. 16 Nr. 2 00:03:06
3Moment musical h-Moll op. 16 Nr. 3 00:05:02
4Moment musical e-Moll op. 16 Nr. 4 00:03:17
5Moment musical Des-Dur op. 16 Nr. 5 00:03:50
6Moment musical C-Dur op. 16 Nr. 6 00:05:13
7Lilacs op. 21 Nr. 5 00:02:27
8Gänseblümchen op. 38 Nr. 3 00:02:16
Fritz Kreisler/Sergej Rachmaninow
9Liebesleid (Bearb. für Klavier) 00:04:32
Sergej Rachmaninow
10Prelude Es-Dur op. 23 Nr. 6 – Andante 00:03:23
11Polka de V. R. (Transkription von Franz Behrs Lachtäubchen op. 303) 00:04:26
12Prelude D-Dur op. 23 Nr. 4 – Andante cantabile 00:04:30
13Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 18 00:32:38

Interpreten der Einspielung

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