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Besprechung CD

The Cosmos of Paul Ben-Haim

Orchestral & Chamber Music

cpo 555 621-2

2 CD • 2h 22min • 2023

17.02.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Der 1897 als Paul Frankenburger in München geborene Komponist hatte sich bereits vor der Emigration 1933 nach Palästina musikalisch zu seinen jüdischen Wurzeln bekannt. Doch erst dort – wo er sich auch in Ben-Haim umbenannte - lernte er, vor allem durch die jemenitische Sängerin Bracha Zephira, echte Volksmusik sephardischer Herkunft kennen, die dann zunehmend sein Werk bestimmen sollte. So gesehen ist der Titel des von der Geigerin Liv Migdal kuratierten neuen cpo Doppelalbums „The Cosmos of Paul Ben-Haim‟ etwas irreführend, denn die hier eingespielte Musik lässt den noch stark an Wagner und vor allem Mahler orientierten Stil des jungen Komponisten außer Acht.

Yizkor endlich mit der originalen Kadenz

Das „Poem“ für Violine und Orchester Yizkor (1942) – ein „Totengebet“ für den kurz zuvor verstorbenen Geiger Andreas Weissgerber – knüpft noch an westliche Konzerttraditionen an, expressiv dramatisch und in Sonatenform. Liv Migdal erweist sich hierbei als feinfühlige, technisch unangreifbare Interpretin, die sich zudem die Mühe gemacht hat, Ben-Haims Originalkadenz auszugraben: gegenüber der verlegten von Jascha Heifetz ein wenig lang, dafür musikalisch kohärenter. Anders als die klare, dennoch hochemotionale Wiedergabe Itamar Zormans, gerät Migdals Darbietung mit vielen Portamenti und anderen romantischen Zutaten – in gleicher Richtung noch bestärkt von der Staatskapelle Weimar unter Jesko Sirvend – streckenweise fast zum Breitwandkino, was den Rezensenten aufgrund der offenkundigen Ehrlichkeit des Ausdrucks letztlich überzeugen konnte. Auch die Tontechnik macht da mit und bezaubert mit einem weichen, leicht halligen, zugleich durchsichtigen Klang; angenehmer als der trocken-analytische Eindruck der BIS-Aufnahme.

Drei Lieder ohne Worte: gleich viermal

Etwas irritierend scheint zunächst, dass Migdal die Anfang der 1950er Jahre entstandenen Drei Lieder ohne Worte – nun gänzlich aus sephardischen Quellen schöpfend – in gleich vier verschiedenen Übertragungen auf die Doppel-CD bannen ließ: für Violine (bzw. Fagott) und 12 Streicher sowie für Violoncello (bzw. Klarinette) und Klavier. Die Version für Violine und Klavier findet man übrigens auf besagter Zorman-CD. Natürlich handelt es sich dabei um identisches, stets melodisch dominiertes Material. Es spricht aber sehr für diese Musik, dass sie lediglich durch unterschiedliche Instrumentalkombinationen stets neue Aspekte hervortreten lässt: faszinierend. Bei den drei Etüden für Violine solo – in Ben-Haims Todesjahr 1984 für Yehudi Menuhin komponiert – gelingt Migdal die zentrale Fuge konzentrierter und inniger als Zorman, dessen Ecksätze wiederum innervierter wirken.

Interessante Orchesterwerke und Klavierlieder

Die Weimarer Staatskapelle und Sirvend meistern die beiden bislang nur auf sehr alten LPs erhältlichen Orchesterwerke To the Chief Musician (1958) – dabei wird eine Melodie ständigen Metamorphosen unterworfen, wie man es etwa von Hindemith kennt – und Dance and Invocation (1960) fast schon kongenial: Alles bleibt verständlich, transparent und begeistert – wo angeboten – mit staunenswert orientalischer Farbigkeit: Da wird klar, warum Ben-Haim seinen Stil gerne auch „mediterran“ genannt hat. Die kurze Interpretation eines Bach-Chorals („Wer nur den lieben Gott lässt walten“) ist eine willkommene Zugabe. Ein wenig problematischer erscheinen die Klavierlieder. Hier wie bei den kleineren Werken für Violine und Klavier ist Daniel Gerzenberg ein kompetenter Begleiter. Die Mezzosopranistin Hagar Sharvit versteigt sich jedoch bei den drei Liedern Kochav nofal auf Texte des jung gefallenen Dichters Matti Katz allzu sehr ins Opernhafte. Viel adäquater agiert sie in den Fünf Melodien aus dem Osten und Bat Yonim, das für Liv Migdal eine Initialzündung ihrer Liebe zu Ben-Haims Musik war, wie sie im Vorwort des hervorragenden Booklets – der Haupttext stammt von Oliver Fraenzke – eindringlich beschreibt. Alles in allem eine intelligente Zusammenstellung auf höchstem Niveau, die sich hören lassen kann.

Vergleichsaufnahme: [Yizkor, 3 Etüden, Berceuse sfaradite] Itamar Zorman, BBC National Orchestra of Wales, Philippe Bach (BIS-2398, 2017).

Künstlerische Qualität: 10 Klangqualität: 10 Gesamteindruck: 10

Martin Blaumeiser [2.2.2025]

Martin Blaumeiser [17.02.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Paul Ben-Haim
1Yizkor (Evocation) 00:24:10
2Arioso (aus: Drei Lieder ohne Worte) 00:03:54
3Ballade (aus: Drei Lieder ohne Worte) 00:02:56
4Sephardische Melodie (aus: Drei Lieder ohne Worte) 00:03:39
5Arabic Song 00:03:12
6Berceuse Sfaradite 00:04:10
7Dance and Invocation 00:10:19
8Arioso (Lied ohne Worte für Fagott und 12 Streicher) 00:03:48
9Ballade (Lied ohne Worte für Fagott und 12 Streicher) 00:02:45
10Sephardische Melodie (Lied ohne Worte für Fagott und 12 Streicher) 00:03:29
11My Mind Wasn't Set on the Matter (aus: Kochav nofal) 00:03:46
12A Star Fell (aus: Kochav nofal) 00:02:08
13At Sundown (aus: Kochav nofal) 00:02:19
CD/SACD 2
1To The Chief Musician 00:15:06
2Arioso (Lied ohne Worte für Violoncello und Klavier) 00:04:48
3Ballade (Lied ohne Worte für Violoncello und Klavier) 00:02:47
4Sephardische Melodie (Lied ohne Worte für Violoncello und Klavier) 00:04:02
5Bat Yonim 00:04:08
6Ani Tzame (aus: Five Melodies From The East) 00:02:38
7Kumi Tz'i (aus: Five Melodies From The East) 00:03:12
8Im Nin'alu Dalte'i Nedivim (aus: Five Melodies From The East) 00:02:44
9Tiyelu Kichwassim (aus: Five Melodies From The East) 00:02:06
10Elohe'i Tsidki (aus: Five Melodies From The East) 00:03:37
11Interpretation of Bach's Choral Prelude 00:03:49
12Tale (aus: Two Easy Pieces) 00:02:09
13Small Parade (aus: Two Easy Pieces) 00:01:15
14Arioso (Lied ohne Worte für Klarinette und Klavier) 00:03:59
15Ballade (Lied ohne Worte für Klarinette und Klavier) 00:02:42
16Sephardische Melodie (Lied ohne Worte für Klarinette und Klavier) 00:04:02
17I. Vivo (aus: Three Studies für Violine) 00:03:10
18II. Fuga (aus: Three Studies für Violine) 00:03:47
19III. Presto e molto leggiero (aus: Three Studies für Violine) 00:01:00

Interpreten der Einspielung

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