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Besprechung CD

Tchaka

Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn • Tobias Stückelberger

Rondeau ROP6263

1 CD • 78min • 2024

11.03.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Es gibt die Regensburger Domspatzen, den Leipziger Thomanerchor, den Dresdner Kreuzchor, die Wiener Sängerknaben – alles traditionsreiche Knabenchöre. Und dann gibt es einen ebenso traditionsreichen Knabenchor, der etwas unter dem Radar fliegt: die Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn. Dieser Knabenchor gründet auf der mittelalterlichen Schola des St. Ursenstiftes, die bereits 742 erstmals erwähnt werden, ist damit der älteste Knabenchor der Schweiz und mit einer der ältesten Knabenchöre Europas. Bis weit ins 20. Jahrhundert beschränkte sich der Chor darauf, einstimmig die lateinische Messe zu singen. Erst Peter Scherer baute ab 1971 den Knabenchor zu einem repräsentativen Chor aus, 2007 leitete Andreas Reize den Chor, der dann Leiter des Thomanerchores wurde, seit 2021 leitet Tobias Stückelberger die Singknaben von Solothurn. Auf dieser CD präsentieren die Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn sich als Chor mit breitgefächertem Programm: „Tchaka“ heißt die CD, wie der traditionelle gut gewürzte Eintopf aus Haiti, und Tchaka heißt der erste Programm-Titel, er vereint symbolisch „die unterschiedlichsten Zutaten zu einem meisterhaften Ganzen – und bleibt dabei unverwechselbar in ihrem Geschmack“, wie es im Booklet heißt.

Männerstimmen mit Gold-Auszeichnung

Auch wenn es ein wenig ironisch wirkt: Zuerst möchten nicht die Knaben-, sondern die Männerstimmen dran sein. Sie tragen einen gewichtiger Programmteil (Tracks 12-13, 17-18) und sie sind hier zum ersten Mal als eigenständiges Ensemble verewigt, nachdem sie beim Schweizer Chorwettbewerb in ihrer Kategorie den Sieg mit dem höchsten Prädikat „Gold mit Auszeichnung“ errungen haben. Durchaus mit Recht, wie die CD zeigt: Preiswürdig sind die Homogenität, Kompaktheit und der gut abgemischte Wohlklang aus hellen, locker geführten Tenören und unauffällig-wohligsatten Bässen. Anrührend in seiner Heimatliebe ist die Hymne auf den Schweizer Jura (Track 12) ebenso wie Loch Lomond, ein schottisches Heimatlied im Arrangement von Jonathan Quick (Track 17), hoch beeindruckend die Interpretation des Incantatio maris aestuosi (Track 13) von Veljo Tormis, das mit Geflüster, Pfeifen und stürmischem Heulen den Untergang der Fähre „Estonia“ im Sturm beschreibt. Und so geheimnis- wie spannungsvoll gestalten die Sänger Goethes Gesang der Geister über den Wassern (Track 18) mit immer wieder symbolisch gezischten „sch“-Lauten – allenfalls die Konsonanten der ragenden Klippen im Sturze könnten schärfer akzentuiert werden.

Heller Vokalklang

All dies ist Ergebnis einer fortlaufenden professionellen Stimmbildung – die bei den Knabenstimmen aber noch anders wirkt. Auch sie sind sehr geschlossen und sehr homogen im Chorklang, wirken aber kindlicher als vergleichbare Knabenchöre. Grund dafür sind die hellen, offenen Vokale: Man hat den Eindruck, die Knaben singen nicht mit gerundetem, sondern breitgezogenem Mund. Das macht auch den Forte-Klang in der Höhe etwas grell – was auch die Tonregie nicht glättet oder rundet. Hervorzuheben sind aber die immer klaren und geraden Stimmen, wie sie vor allem in den Solo-Stellen zu hören sind. Erkennbar ist, dass die Aussprache den flüssigen Klang bevorzugt ohne Glottis-Schlag bei einem Wort, das mit einem Vokal beginnt („fürundfür“). Und das Legato ist oft nicht in sich gegliedert, was dann zum Verschleifen neigt. Hochachtbar sind die geistlichen Gesänge, die sich bis in Oratoriums-Teile erstrecken (Teil aus Brahms‘ Deutschem Requiem, Track 8). Manche Einsätze sind bei den Knaben minimal unentschieden, was man vor allem bei dem sehr heiklen Os justi von Bruckner bemerkt – das aber auch für Erwachsenenchöre heikel ist. Dafür halten die jungen Sänger wacker die Dissonanzen durch im Kyrie von Ugis Prauliņš (Track 2).

Dynamischer Impetus und vokale Energie

Unwiderstehlich ist der dynamische Impetus im Cantique de Jean Racine von Gabriel Fauré (Track 7), mitreißend und nervenvibrierend ist die vokale Energie, die die Sänger realisieren: beginnend schon im Jauchzet dem Herrn von Mendelssohn Bartholdy (Track 4), besonders dann, gemischt mit rhythmischer Agilität, in Kaikki maat von Mia Makaroff (Track 15), einer Vertonung des Psalms 100, und The Code von Nemo im Arrangement ihres Dirigenten Tobias Stückelberger (Track 16) – und natürlich im titelgebenden Tchaka (Track 1), dieser Ode an die Vielseitigkeit, die die Vielseitigkeit dieses altehrwürdigen Knabenchors aufs Schönste zeigt.

Rainer W. Janka [11.03.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Sydney Guillaume
1Tchaka 00:04:45
Ugis Praulinš
2Missa Rigensis 00:03:41
Felix Mendelssohn Bartholdy
3Veni Domine op. 39 Nr. 1 00:03:48
4Jauchzet dem Herrn alle Welt op. 69 Nr. 2 (Psalm 100, Motette, 1847) 00:03:47
Anton Bruckner
5Os justi meditabitur sapientiam WAB 30 (Graduale) 00:04:59
Heinrich Kaminski
6Psalm 130 00:04:18
Gabriel Fauré
7Cantique de Jean Racine op. 11 N 42 00:05:18
Johannes Brahms
8Wie lieblich sind deine Wohnungen (aus: Ein deutsches Requiem op. 45) 00:05:21
Tobias Stückelberger
9Vögel über Solothurn 00:01:39
10Dr Heimetvogel 00:03:03
Eugen Meier
11Juranacht 00:01:48
Paul Miche
12Terre Jurassienne 00:03:49
Veljo Tormis
13Incantatio Maris Aestuosi 00:06:27
Jaakko Mäntyjärvi
14Pseudo-Yoik 00:02:15
Mia Kristine Makaroff
15Kaikki maat, te riemuitkaatte 00:03:12
Tobias Stückelberger
16The Code 00:04:06
Jonathan Quick
17Loch Lomond 00:04:44
Franz Schubert
18Gesang der Geister über den Wassern für Männerchor und Streicher 00:10:51

Interpreten der Einspielung

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