Reflections
Mozart | Beethoven | Chopin
Joseph-Maurice Weder Klavier
Ars Produktion ARS 38 692
1 CD • 65min • 2025
04.11.2025
Künstlerische Qualität:![]()
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Gesamteindruck:![]()
„Reflections“ nennt Joseph-Maurice Weder seine dritte CD: ein in der Tat wahrhafter Titel für die Art, wie dieser jetzt 37-jährige schweizerische Pianist spielt, der seine Karriere 2013 mit dem Gewinn des Swiss Ambassador’s Award gestartet hat, der weltweit gastiert und auch weltweit unterrichtet. Immer ist sein Spiel hörbar reflektiert, durch Überlegungen, Erwägungen, gedankliche Vertiefungen geprägt. Er will seine Hörer durch Vertiefen gewinnen, nicht durch Überrumpeln, will durch Ernsthaftigkeit überzeugen, nicht durch gleisnerische Virtuosität blenden. So wählt er für seine „Reflections“-CD die scheinbar nur heitere C-Dur-Sonate KV 330 von Mozart, von Beethoven die As-Dur-Sonate op. 110 mit ihrer „zarten Unsterblichkeit“ (Joachim Kaiser) sowie von Chopin die Sonate mit dem Trauermarsch, die Sonate in b-Moll op. 35.
Leichtigkeit mit gedanklicher Schwere
Die Mozart-Sonate ist eine Mischung aus leichter Hingetupftheit und Nachdenklichkeit, Joseph-Maurice Weder verleiht der vermeintlichen C-Dur-Leichtigkeit gedankliche Schwere. So schwächt er zum Beispiel anfangs die aufsteigende C-Dur-Akkordfigur ab, indem er sie nach oben hin dynamisch zurücknimmt – fast ein bisschen vorsichtig, jedenfalls nicht triumphal, dies ein wenig erst in der Reprise. Das ist gut durchdacht und im Klang geradezu strahlend klar. Der Mittelsatz kommt nicht schwermütig schluchzend oder gar schwerblütig, sondern schlicht singend, wie vor sich hinsingend, das Finale als wirbelnder, strudelnder und sprudelnder Kehraus.
Viel Klangsinn und Klangsinnlichkeit
Die Beethoven-Sonate gestaltet der Pianist nicht als getrennte Abfolge musikhistorischer Reminiszenzen, also Mozarthaftigkeit, überraschender Gassenhauer, Passions-Rezitativ und Anklang an das Gambensolo aus Bachs Johannespassion und Bachischer romantisch-enthusiastischer Fuge: Joseph-Maurice Weder betont den Zusammenhang dieser anscheinend disparaten Teile, das Prozesshafte, wie es Jürgen Uhde in seiner Monografie über Beethovens Sonaten vorschlägt. So verlängert er im gassenhauerischen 2. Satz die Schlussfermate schier bis ins Unendliche, um dann ins Geheimnis des Adagios des Finales überzuleiten mit dem vielmals bebenden As: als „erwartete Überraschung“, wie Joachim Kaiser formuliert. Schon den Sonatenbeginn spielt Weder mit tiefer innerer Ruhe und viel Klangsinn und Klangsinnlichkeit.
Erregtheit geläutert durch Klarheit
Große Erregtheit herrscht im Kopfsatz der Chopin-Sonate, aber gemischt mit, bzw. geläutert durch große Klarheit. Diese Erregtheit ist nicht so hektisch jagend wie z. B. bei Martha Argerich, die diesen Satz auch wesentlich rasender spielt (6:42 gegen Weders 8:11!). Sehnsüchtig-berückend klingt dann das Seitenthema, bezaubernd liedhaft auch das Trio des Scherzos und in seliger, aber völlig sentimentalfreier Rührung die Trostmelodie des Trauermarsches (3. Satz). Den beginnt Joseph-Maurice Weder in eher ruhiger Resignation. Das Presto-Finale bringt Weder wieder sehr kontrolliert, nicht hemmungslos hingerissen, ohne den „Nachtwind über den Gräbern“, die Anton Rubinstein hier zu hören glaubt. „Zwei Augen brüllen auf: / Spritzt nicht das Blut von Chopin in den Saal!“ ruft es in dem Gedicht von Gottfried Benn namens „Nachtcafé“ – ein bisschen Blut möchte man in diesem Satz aber schon spritzen sehen. „Reflections“ sind gut, aber manchmal sollte man sie einfach vergessen.
Rainer W. Janka [04.11.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
| Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss | 
|---|---|---|
| CD/SACD 1 | ||
| Wolfgang Amadeus Mozart | ||
| 1 | Klaviersonate Nr. 10 C-Dur KV 330 KV 300h | 00:19:17 | 
| Ludwig van Beethoven | ||
| 4 | Klaviersonate Nr. 31 As-Dur op. 110 | 00:20:18 | 
| Frédéric Chopin | ||
| 7 | Klaviersonate Nr. 2 b-Moll op. 35 | 00:26:12 | 
Interpreten der Einspielung
- Joseph-Maurice Weder (Klavier)
 
