EMI 7243 5 57559 2
2 CD • 1h 50min • 2003
28.08.2003
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Nachdem Simon Rattle erst vor kurzem mit „seinem“ Orchester, den Berliner Philharmonikern, zunächst die Sinfonien Ludwig van Beethovens aufgenommen hat, folgt nun mit dessen einzigem Bühnenwerk Fidelio ein zentrales Stück der Opernliteratur. Opernaufnahmen des britischen Dirigenten Sir Simon Rattle gehören ja bislang eher zu den Raritäten. Und wenn er sich diesem musikalischen Genre zugewandt hat, dann weniger populären Werken: von Manuel de Falla und George Gershwin, Leo Janáek und Arnold Schönberg. Zum erstenmal hat Rattle den Fidelio vor zwei Jahren beim englischen Glyndebourne Festival dirigiert, dann erneut heuer bei den Salzburger Osterfestspielen. Während konzertanter Aufführungen in der Berliner Philharmonie im April 2003 ist diese Aufnahme entstanden.
Was an ihr besticht, ist der unverkrampft-natürliche Umgang Rattles mit einem Werk, dessen hochfliegende Freiheitsprogrammatik allzu oft pathetisch überfrachtete Deutungen provoziert hat. Von solch bekennerischen Dirigaten, die letztlich nicht auf die Musik selbst zielen, sondern auf das angeblich mit ihr Gemeinte, ist Rattle wohltuend weit entfernt. Sein jugendlicher Elan und vitaler Puls, sein nerviger Zugriff und sein frisches Temperament befeuern die fabelhaft disponierten Berliner Philharmoniker zu einem Spiel, das Beethovens Partitur tatsächlich zu ihrem musikalischen Recht kommen lässt, in ihrer reichen Substanz, unverwechselbaren Individualität und – in ihrer originalen Fassung! Denn dieser Aufnahme liegt die neue wissenschaftliche Ausgabe des Notentexts zu Grunde.
Einen essentiellen Beitrag zum lebendigen, spannenden und authentischen Gesamteindruck dieser Einspielung leistet das gleichmäßig auf hohem Niveau stehende junge Sängerensemble. Angela Denoke ist nicht die in der Titelrolle oft zu findende kraftstrotzende, mit stählernem Sopran prunkende, hochdramatische Heroine. Sie porträtiert vielmehr eine sensible, fragile, sehnsüchtig-hoffende Frau, die ohne aufgesetztes Pathos auskommt und auf jeden Anflug von Sentimentalität verzichtet. Gelegentliche Angestrengtheiten verzeiht man ihr, da sie durch ihre Unverstelltheit und Zurückhaltung eine faszinierende Glaubwürdigkeit ausstrahlt. Jon Villars findet in den Verzweiflungsekstasen des eingekerkerten Florestan dennoch zu brillantem tenoralem Auftrumpfen; er meistert die Spitzentöne des gefürchteten allegro-Teils seiner großen Arie mit Bravour und Eindringlichkeit. Mit balsamischen, sonoren Bassklängen veredelt László Polgár Bonhomie und Biederkeit des Kerkermeisters Rocco. Alan Helds charakteristischer Heldenbariton bringt die düsteren und gefährlichen Züge des Schurken Don Pizarro bedrohlich zur Geltung, obwohl – oder gerade weil? – er vordergründige martialische Grimassen gänzlich unterdrückt. Geradezu luxuriös besetzt ist das Buffopaar Marzelline und Jaquino: Juliane Banses mädchenhaft-lyrischer Sopran und Rainer Trosts klangschöner Tenor ergänzen sich zu einer hochkarätigen vokalen Partnerschaft. Das Schlusswort des Ministers Don Fernando erhält durch Thomas Quasthoffs stimmliche Autorität und schlichten Vortrag eine besonders nachhaltige Wirkung und Würde. Kurt Malisch
Kurt Malisch † [28.08.2003]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Fidelio op. 72 (Oper in zwei Aufzügen) |
Interpreten der Einspielung
- Angela Denoke (Leonore - Sopran)
- Jon Villars (Florestan - Tenor)
- Alan Held (Don Pizarro - Bariton)
- László Polgár (Rocco - Baß)
- Juliane Banse (Marzelline - Sopran)
- Rainer Trost (Jacquino - Tenor)
- Thomas Quasthoff (Don Fernando - Bariton)
- Thomas Ebenstein (Don Fernando - Bariton)
- Arnold Schoenberg Chor Wien (Chor)
- Berliner Philharmoniker (Orchester)
- Sir Simon Rattle (Dirigent)