Nigel Kennedy
EMI 3 95373 2
1 CD • 78min • 2007
27.05.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Auf den Booklet-Fotos ist vorn und hinten Nigel Kennedy zu sehen, wie er einen Berg besteigt; auf der Rückseite des Inlays ist er schließlich oben angekommen. Leider läßt sich nicht behaupten, daß er auch jenen Giganten erklommen hätte, den wir als Beethovens Violinkonzert kennen. Die Interpretation weiß nämlich nicht so recht, wo sie hin will; das Werk zerfällt in langatmige Episoden und wirkt nie so atemberaubend und zerbrechlich, wie es beispielsweise Thomas Zehetmair oder Christian Tetzlaff spielen. Ja, diese Neueinspielung hält nicht einmal jener Live-Aufnahme stand, die Nigel Kennedy 1992 mit dem NDR-Orchester unter Klaus Tennstedt beim gleichen Label vorlegte! Schon die Exposition des ersten Satzes gibt das Kommende vor: Spannungsarme Phrasierungen, viel Sostenuto-Spiel, bei lauten Stellen ein unangenehmer Streicherklang, wann immer die Musiker “echt russisch” tief in die Saiten drücken und zum Steg rutschen. Noch dazu sticht der Konzertmeister immer wieder unangenehm heraus. Vielleicht rächt sich hier auch, daß der Solist auch als Orchesterleiter auftritt: Er versteht es nicht recht, die Orchesterpassagen musikalisch zu gestalten; das Orchester improvisiert infolgedessen immer wieder ähnlich drauf los wie der Solist. Kennedy schien im Kopfsatz auch nicht in Höchstform: Lebendigere Stellen liefert er oberflächlich auftrumpfend, lyrische Partien wirken leicht gelangweilt. Das Larghetto bringt zumindest ein wohltuendes pianissimo nach der oftmaligen “Bolzerei” im ersten Satz, ist allerdings fast unerträglich langsam. Auch das Finale will nicht wirklich zünden, weil die Artikulation recht weich gezeichnet ist. Der Eindruck einer pauschalen Interpretation verstärkt sich durch die über Gebühr betonten Außenstimme. Ein besseres Endergebnis konnte nicht einmal mit Hilfe der bekanntlich sehr guten Akustik der Christus-Kirche in Berlin-Dahlem erreicht werden, die man als Aufnahmeort gewählt hatte.
Mozarts Violinkonzert klingt insgesamt überzeugender, allerdings streut Kennedy merkwürdige Manieriertheiten ein: Warum etwa gibt es die merkwürdigen Schwelltöne im Thema-Nachsatz des Kopfsatzes (Tr. 4, 0’15 etc.)? Die ansonsten klarere Artikulation bei Mozart hätte auch Beethoven gut getan, man sollte vielleicht nachvollziehen können, dass Beethoven sein Werk nur knapp 15 Jahre nach Mozarts Tod schrieb…
Als “Zugabe” erklingt Kennedys Arrangement der Bop-Nummer Creepin' In von Horace Silver, begleitet nur von Michal Baranski am Kontrabaß. Das macht viel Spaß, reicht aber nicht als Kaufanreiz. Schade, daß der weltbekannte Geiger mit solchen Nummern weit mehr zu überzeugen vermag als mit klassischen Violinkonzerten in Wiedergaben, denen es hörbar an geistiger Durchdringung fehlt.
Dr. Benjamin G. Cohrs [27.05.2008]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Konzert D-Dur op. 61 für Violine und Orchester | 00:47:59 |
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
4 | Violinkonzert Nr. 4 D-Dur KV 218 | 00:25:15 |
Horace Silver | ||
7 | Creepin' In | 00:04:40 |
Interpreten der Einspielung
- Nigel Kennedy (Violine, Leitung)
- Polish Chamber Orchestra (Orchester)