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Besprechung CD

Emil Gilels plays Beethoven

SWRmusic 94.221

1 CD • 76min • 1980

22.04.2013

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Leider hatte ich nie die Gelegenheit, Emil Gilels live zu erleben. Aber der Mitschnitt eines Konzerts, das Gilels im Rahmen der Ludwigsburger Schlossfestspiele am 21.09.1980 im Ordenssaal des Ludwigsburger Residenzschlosses gab, lässt mich erahnen, wie elektrisiert ich von der interpretatorischen Souveränität, der ungeheuren Ausdrucksintensität und Gestaltungskraft, von dem durchweg erzählenden Tonfall seines Beethoven-Spiels an diesem Abend gewesen wäre – und mit welch hoch gespannter Konzentration das Publikum gerade in den 1970er- und 1980er-Jahren jedes Gastspiel dieser großen Künstlerpersönlichkeit verfolgt haben muss. In einer Zeit, in der sich der 1985 verstorbene Pianist „vom jungen Tastenstürmer […] hin zu einem nachdenklichen, mehr inwendig musizierenden Künstler" entwickelt hatte, zu einem „Musiker, der in den letzten zwei Jahrzehnten seiner Karriere so geistvoll und erklärend die ihm anvertrauten Partituren übermittelte, als konzertiere er nicht auf einem Klavierstuhl, sondern auch von einem imaginären Lehrstuhl herab" (Peter Cossé in seinem vorzüglichen und nachdenkenswerten CD-Einführungstext). Damit ist keine akademische Pingeligkeit gemeint. Vielmehr nimmt Gilels auf diesem Live-Dokument mit einem wissenden Beethoven-Spiel zwischen Texttreue, geschliffener Rhetorik sowie konzentrierter Innigkeit und einem unbändigen Ausdruckswillen gefangen – man höre nur gleich zu Beginn des Konzerts den Presto-Kopfsatz der Sonate Nr. 7 D-Dur op. 10 Nr. 3. Natürlich macht sich auch Gilels berühmt-berüchtigte Löwenpranke bemerkbar, unter der der Flügel hin und wieder an seine dynamischen und klanglichen Grenzen zu gelangen scheint: etwa in dem unter den Fingern des Russen einem wahren Freudentaumel gleichenden Wiedersehens-Finale der Sonate Nr. 26 Es-Dur op. 81a (Les Adieux) und in den Eroica-Variationen op. 35, deren zum Zerreißen gespannte Kräfte Gilels in einen großen epischen Atem einbettet. Seine gelegentlichen „Unpässlichkeiten im Bereich der Treffsicherheit" (Peter Cossé) sind zwar nicht von der Hand zu weisen. Doch weder irritieren sie noch beeinträchtigen sie die ungeheure Dringlichkeit und Spannung in Gilels Kunst, die von einem faszinierenden Formsinn geprägt ist. Für mich bricht sich hier ein Beethoven-Spiel von bezwingender Logik Bahn. Stets weiß man, in welchen Bauabschnitten des jeweiligen Werks man sich gerade befindet. Alles klingt so selbstverständlich, so, als könne es gar nicht anders klingen. Das derb Tänzerische im Kopfsatz der Sonate Nr. 25 G-Dur op. 79 genauso, wie die eruptiven Momente und die von Gilels unerbittlich gesetzten schroffen Akzente und Kontraste in der zwischen düsterer Depression und strahlendem Glanz pendelnden D-Dur-Sonate op. 10 Nr. 3, und dort besonders die von Gilels bedrückend ausgebreitete Klage des Largo e mesto, worin sich der Künstler – deutlicher noch, als in seinen Beethoven-Sudioaufnahmen – als Großmeister der dynamischen und klangfarblichen Gestaltung zeigt.

Ich kann mich Peter Cossé nur anschließen: „Ein bedeutender Klavierabend auf dem Podium des Ludwigsburger Schlosses.ì In der achtzigjährigen Geschichte der Ludwigsburger Schlossfestspiele gab es derer viele, denkwürdige und solche, die Interpretationsgeschichte geschrieben haben. Auf jeden Fall zahlreiche, die es wert wären, auf CD veröffentlicht zu werden; ich denke dabei auch an das triumphale Gastspiel Claudio Arraus im Jahr 1987, sein letztes bei den Schlossfestspielen. Vielleicht gibt es ja im Hause Hänssler und beim Südwestrundfunk (SWR) schon Überlegungen in dieser Richtung; lohnens- und wünschenswert wäre eine Klavieredition der Ludwigsburger Schlossfestspiele allemal. Doch zurück zu dem vorliegenden Konzertmitschnitt: Diese Verööffentlichung ist ein absolutes Muss nicht nur für Emil-Gilels-Fans, sondern für jeden Beethoven-Interessierten, ja für den Klavierenthusiasten schlechthin.

Christof Jetzschke [22.04.2013]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ludwig van Beethoven
1Klaviersonate Nr. 7 D-Dur op. 10 Nr. 3 00:23:39
5Variationen und eine Fuge über ein eigenes Thema Es-Dur op. 35 (Eroica-Variationen) 00:23:35
22Klaviersonate Nr. 25 G-Dur op. 79 00:10:21
25Klaviersonate Nr. 26 Es-Dur op. 81a (Les Adieux) 00:16:33

Interpreten der Einspielung

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