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Besprechung CD/SACD stereo/surround

BIS 2054

1 CD/SACD stereo/surround • 56min • 2013

03.12.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 6
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Wenn ich mich an dieser Stelle einmal enttäuscht zu äußern traue, dann auch deshalb, weil in zahlreichen Schriften und Besprechungen bekundet ist, mit welcher Hochachtung, zuweilen auch mit Begeisterung ich die Einspielungen und generell die künstlerischen Leistungen des Pianisten Ronald Brautigams verfolgt und kommentiert habe. Hier nun in Anbetracht dieser neuen Einspielung von zwei Mozart-Klavierkonzerten sind – wie ich meine – doch ein paar deutliche Worte unerlässlich. Nicht auszuschließen ist es freilich, dass der Solist und seine willig mitgehenden Kölner Akademie-Partner mit den Ecksätzen des C-Dur-Konzerts einfach nichts anzufangen wussten. Nicht anders scheint es mir erklärlich, wenn Mozarts kostbare, im Ausdruck so variable, im Kopfsatz zwischen Marschbestimmtheit, artiger Melodik und mobiler Nervigkeit vermittelnde Konzertsprache so entschieden als beliebiges Material serviert wird. Schier rücksichtslos wird hier auf das imaginäre Gaspedal gedrückt und so sind viele, allzu viele Details nur mehr verzerrt zu erleben oder kaum noch zu identifizieren.

In den beiden Rahmensätzen haben Brautigam und Michael Alexander Willens – von einer gewissen Absprache darf man ja wohl ausgehen – eine hohe Schlagzahl gewählt, wodurch der Maestoso-Charakter des ersten Satzes bereits unterwandert wirkt. Hinzu kommt die überschlanke, Vibrato zahme Diktion der Streicher, die einer bei thematischem Bedarf förderlichen Klangentfaltung entgegensteht. Brautigam nun blendet sich mit piksigem Hammerflügel-Klang(geräusch) auf höchst nervöse, selbst im Leisen unwirsch anmutende Weise ein, um dann im weiteren Satzverlauf einer auf mich lieblos wirkenden, hastigen, gehetzten Vorgehensweise treu zu bleiben. Furchtbar wirr dann einige Passagen der Solokadenz, die ein Maß an Ruppigkeit erreichen, dass man als ein mit dem musikalischen Lebenswandel des Pianisten vertrauter Hörer nur als vorübergehende, aber leider dokumentierte Unpässlichkeit entschuldigen möchte.

Unter solchen Umständen forcierten Vorwärtsdranges geraten zwangsläufig die kleinen Noten – jene also, die den melodischen Hauptnoten ausschmückend vorangesetzt sind – in arge Zeitnot. Sie werden von Brautigam immer wieder zerquetscht oder nur herauskatapultiert. Es mangelt mithin an Atem, es gebricht an Raum, sich in der Partitur gleichsam umzusehen und damit auch an Möglichkeit zu artikulieren!

Im zweiten Satz KV 467 – dem berühmten „Elvira Madigan“-Andante – darf man in Bezug auf ein beschleunigtes Zeitmaß durchaus positive Schlüsse ziehen, denn die Aufführungstradition (und –imitation!) hat die schöne, gefühlvolle Musik in die Nähe einer schier überirdischen Gesangsszene gerückt. In besonders gedehnten Versionen scheint die Kantilene ja schon die romantischen „Adagietto“-Dekadenzen einer bestimmten Mahler-Sinfonie vorauszunehmen. Brautigam und das locker und geschwind mit den repetierten Begleitharmonien vorbereitende Orchester kühlen diese Musik sozusagen auf Normaltemperatur ab. Die Folge ist: die weitgespannte Oberstimme erklingt nun gemäß eines natürlich pulsierenden Andante-Prozesses und nicht wie in den Konkurrenzaufnahmen schon die stark abgebremste Begleitung. Eine Ausnahme im Kreis der C-Dur-Interpreten KV 467 ist – soweit ich den reichen Katalog überblicke – die EMI-Einspielung von Christian Zacharias, der sich schon vor etlichen Jahren Gedanken über diesen Satz und die allerorten vertretene Tempomodifikation gemacht hat.

Der Verlauf des Es-Dur-Konzerts (KV 449) wirkt in dieser Ausgabe nüchtern, zuweilen rabiat, wenn man will: tendenziell lieblos. Schwerlich denkbar unter diesen Umständen, auf diese Einspielung angesichts des Angebots von Anda bis Zacharias noch einmal zurück zu greifen. So bleibt die Berücksichtigung und der tüchtige, in den Zeitmaßen und in der Diktion für mein Empfinden angemessene Vollzug der kunstvoll-konzertanten Arie „Ch’io mi scordi di te?“ als ein Pluspunkt dieser Edition zu vermelden. Brautigam erlaubt sich im recht anspruchsvollen Obligato-Klavierpart keine Unduldsamkeiten, bleibt wie auch das Orchester der in der Höhe etwas fülligen, aber „rhetorisch“ glaubhaften englischen Sopranistin Carolyn Sampson elastisch auf der Spur.

Vergleichseinspielungen: KV 467: Weissenberg – Giulini (EMI LP 1C 065-16289 Q bzw. EMI CDM 7 63155 2) Zacharias –Zinman (EMI CDC 7 49899 2), Gulda –Swarowsky (Pearl SHE 560 bzw. Preiser 90021 bzw. Concert Hall LP SMS- 2319), Gulda – Abbado (DG 2530 548); András Schiff – Végh (Decca 430510-2); Nicholson (Hammerklavier) – Kraemer (Capriccio 10 372); van Immerseel (Channel classics CCS 2391); Jarrett – Russell Davies (ECM 449 670-2); KV 505: Hendricks, Pires –Eichenholz (EMI CDC 7 54007 2); Bartoli, András Schiff – György Fischer (Decca LP 430 513-2), Schwarzhaupt, Vichi – Skou Larsen Salzburg (Dino classics LP 9075 602); Norman, Brendel – Marriner (Live 1978 – Philips LP 6768 050), Schwarzkopf, Anda – Ackermann (Testament SBT 1178); Evangelatos, A. Schiff A. – Végh (Orfeo C 741 073 D); Danco, Maria Bergmann – Rosbaud (Hänssler 93.064); Fink, Zacharias (MDG 340 0967-2); Schäfer, Pires – Abbado Berliner Philharmoniker (DG 457582-2)

Peter Cossé † [03.12.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Wolfgang Amadeus Mozart
1Konzert Nr. 21 C-Dur KV 467 für Klavier und Orchester 00:24:38
4Ch'io mi scordi di te - Non temer, amato bene KV 505 00:10:14
5Klavierkonzert Nr. 14 Es-Dur KV 449 00:20:07

Interpreten der Einspielung

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