Nur über uns die Linde rauscht
Eichendorff-Lieder
Spektral SRL4-22198
1 CD • 71min • 2022
31.05.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Romantiker Joseph von Eichendorff (1788-1857) gehört zu den meistvertonten deutschen Dichtern. Die Online-Datenbank LiederNet weist nicht weniger als 1640 Adaptionen von 340 seiner Gedichte nach, die Galerie der Komponisten, in der kaum ein prominenter Name fehlt, reicht von Felix Mendelssohn-Bartholdy bis zu Hanns Eisler. Am bekanntesten geworden ist Robert Schumanns Liederkreis op. 39, der Sänger aller Stimmfächer herausgefordert hat und natürlich auch in dem hier vorliegenden Album im Zentrum des Programms steht, eingebettet in Arbeiten von großen und kleinen Meistern.
Verachtet mir die Kleinmeister nicht!
Zu denen zählt der glücklose, durch Freitod geendete Friedrich Theodor Fröhlich (1803-1836). Er gilt zwar als einer der wichtigsten frühromantischen Komponisten der Schweiz, doch von seinen 700 Kompositionen liegen bis heute nur sehr wenige im Druck vor. Seine Version des Lieds Wem Gott will rechte Gunst erweisen (das uns bei Schumann unter dem Titel Der frohe Wandersmann begegnet) ist so populär geworden, dass sie gemeinhin für ein Volkslied gehalten wird. Auch Das zerbrochene Ringlein („In einem kühlen Grunde“) ist von melodischer Einfachheit. Der vor allem durch seine Klavierkompositionen bekannt gewordene Friedrich Kiel (1821-1885), selbst ein erfolgreicher Pianist und Pädagoge, geht in seinem Liederkreis op. 31 offensiver an Eichendorffs Poesie heran. In Sage mir, mein Herz, was willst du? lässt er im Klavierpart Stürme toben, wo der Text von unausgesprochenem und ungestilltem Verlangen spricht. Der Schweizer Komponist und Pianist Rudolf Lutz (Jg. 1951) bildet, unmittelbar auf drei Lieder von Hugo Wolf folgend, mit Sieben Lieder nach Gedichten von Joseph Freiherr von Eichendorff einen durchaus ansehnlichen Abschluss des Programms. Stilistisch steht er ganz in der Tradition der Vorgänger, ohne deshalb als Epigone zu erscheinen. Er hat sich offenbar tief in die Dichtungen eingegraben und nach adäquaten musikalischen Umsetzungen gesucht. Die hat er auch gefunden.
Der Dichter steht im Mittelpunkt
Als Liedbegleiter, besser: Partner des Tenors zeigt Lutz dieselbe Sensibilität gegenüber den Texten Eichendorffs. Und Georg Poplutz, der vor Jahren (gemeinsam mit Hilko Dumno) schon eine sehr gute Einspielung von Schumanns Dichterliebe herausgebracht hat, kann auch bei dessen Liederkreis op. 39 mit den Interpreten aus der ersten Reihe mithalten. Wichtiger noch ist, dass er auch die weniger genialen Arbeiten der Sammlung mit demselben Ernst und derselben Aufmerksamkeit in den Details gestaltet. Der Dichter steht in diesem Recital deutlich im Mittelpunkt. Poplutz ist ein Sänger von Eichendorffs Gnaden, „reinen Herzens, ohne Verstellung, weltoffen und begeisterungsfähig“, wie Elisabeth Binder den jungen Dichter charakterisiert. Ihren ausführlichen, kenntnisreichen und zu weiter gehender Beschäftigung anregenden Essay „Wozu Dichter in ‚gnadenloser Zeit‘? finden wir im Booklet neben den Liedtexten sowie Gedanken von Ingo Müller zur literarischen Konzeption des Liederzyklus von Richard Lutz. Diese Beiträge sind eine zusätzliche Empfehlung zur Anschaffung des Albums – auch für diejenigen, die schon mehrere hochkarätige Aufnahmen von Schumanns Zyklus im Regal haben.
Ekkehard Pluta [31.05.2023]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Rudolf Lutz | ||
1 | Wünschelrute | 00:01:13 |
Robert Schumann | ||
2 | Frühling op. 45 Nr. 2 | 00:01:04 |
Hugo Wolf | ||
3 | Der verzweifelte Liebhaber | 00:01:01 |
Rudolf Lutz | ||
4 | Wem Gott will recht Gunst erweisen | 00:01:17 |
Robert Franz | ||
5 | Der vielschönen Fraue op. 10 Nr. 4 | 00:01:52 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
6 | Es weiß und rät es doch keiner op. 99 Nr. 6 | 00:02:37 |
Hugo Wolf | ||
7 | Heimweh | 00:02:13 |
Robert Schumann | ||
8 | Der frohe Wandersmann op. 77 Nr. 1 | 00:01:54 |
9 | In der Fremde op. 39 Nr. 1 | 00:01:43 |
10 | Intermezzo op. 39 Nr. 2 | 00:01:37 |
11 | Waldesgespräch op. 39 Nr. 3 | 00:02:18 |
12 | Die Stille op. 39 Nr. 4 | 00:01:37 |
13 | Mondnacht op. 39 Nr. 5 | 00:03:23 |
14 | Schöne Fremde op. 39 Nr. 6 | 00:01:26 |
15 | Auf einer Burg op. 39 Nr. 7 | 00:02:33 |
16 | In der Fremde op. 39 Nr. 8 | 00:01:33 |
17 | Wehmut op. 39 Nr. 9 | 00:02:12 |
18 | Zwielicht op. 39 Nr. 10 | 00:02:12 |
19 | Im Walde op. 39 Nr. 11 | 00:01:22 |
20 | Frühlingsnacht op. 39 Nr. 12 | 00:01:20 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
21 | Nachtlied op. 71 Nr. 6 | 00:02:26 |
Friedrich Kiel | ||
22 | Sage mir, mein Herz, was willst Du? op. 31 Nr. 2 | 00:01:27 |
23 | Bist Du manchmal auch verstimmt op. 31 Nr. 12 | 00:01:58 |
Friedrich Theodor Fröhlich | ||
24 | Das zerbrochene Ringlein | 00:02:20 |
Rudolf Lutz | ||
25 | Vesper | 00:01:08 |
Hugo Wolf | ||
26 | Unfall | 00:01:14 |
27 | Der Scholar | 00:02:11 |
28 | Der Musikant | 00:02:05 |
Rudolf Lutz | ||
29 | Morgen | 00:01:08 |
30 | Waldlust | 00:02:27 |
31 | Wechsel | 00:01:57 |
32 | Verloren | 00:01:30 |
33 | Am Abend | 00:01:22 |
34 | Abend | 00:01:10 |
35 | Nachruf | 00:03:30 |
Interpreten der Einspielung
- Georg Poplutz (Tenor)
- Rudolf Lutz (Klavier)