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Besprechung CD

Mozart and his Europe

Anna Khomichko

Genuin GEN 23841

1 CD • 81min • 2022

15.09.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Unter dem Titel „Mozart and his Europe“ veranstaltet die Pianistin Anna Khomichko, die aus einer belarussisch-ukrainischen Familie stammt und in Weimar und Köln studiert hat, ein virtuelles Treffen europäischer Komponisten, die sich alle gekannt haben: Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Christian Bach, der „Mailänder“ Bach, Muzio Clementi und Mozart. Carl Philipp hat seinen jüngeren Bruder Johann Christian unterrichtet, Mozart schätze Carl Philipp und hatte Johann Christian kennengelernt, und Clementi bestritt ein für Mozart ärgerliches Wettspielen vor dem Kaiser Joseph II. Über den „Hamburger“ Bach Carl Philipp soll Mozart gesagt haben: „Er ist der Vater, wir sind die Bubn.“ Also versammelt Anna Khomichko hier konsequent Musik des Vaters und seiner „Bubn“. Die Auswahl begründet im Booklet, das deutsch/englisch gehalten ist, Cris Posslac humorvoll, pointiert und schlüssig.

Energische Eindeutigkeit

Ebenso schlüssig spielt die Pianistin, mit Überzeugungseifer und vor allem mit energischer Eindeutigkeit. Ob banale Melodien oder ein „mutvolles musikalisches Würfelspiel“ (so das Booklet über das das Rondo von C.Ph.E. Bach), ob rauschendes Rankenwerk oder Tonkaskaden: Anna Khomichko stellt das das Fantasievolle, Verblüffende, ja Exaltierte in den beiden Werken von C.Ph.E. Bach ins grelle Licht. Das berühmte „singende Allegro“ von Johann Christian Bach singt wirklich und die kleinen Moll-Verschattungen werden deutlich herausgestellt. Nichts weniger als eine Ehrenrettung für den von Mozart als „bloßen Mechanikus“ titulierten Muzio Clementi ist das Spiel in dessen Sonate: Es ist leis brodelnde Musik mit dann harmonischen Ausschweifungen, die von der Pianistin mit klug eingesetztem Pedal in ein weiches Sfumato gesetzt werden, machtvoll tritt die Linke in den Bassfiguren hervor – als wollte die Pianistin Mozart korrigieren, der von Clementis Spiel sagte: „Er spielt gut, wenn es auf Exekution der rechten Hand ankömmt.“ Nein – auch die „Exekution“ der linken Hand überzeugt.

Ein Mozart mit Gewicht und Gewichtung

Wenn Anna Khomichko schließlich am Ende der CD Werke von Mozart spielt, hört man, wieviel Mozart den beiden Bachs verdankt. Khomichkos Mozart ist ein Mozart mit Gewicht und Gewichtung, nichts ist beiläufig oder nur spielerisch, nichts ist verzärtelnd oder gar sentimentalisierend, auch nicht das Andante cantabile in der Sonate KV 333: Das ist schlicht schön gesungen in leuchtendem Ton, die harmonischen Kühnheiten (die ja schon C. Ph. E. Bach so häufig verwendet) und auch melancholischen Eintrübungen sind betont. Das Allegretto grazioso ist nicht bloß graziös, sondern durchaus bedeutungsvoll mit glitzernden, ja lodernden Trillern, die Pianistin versteht es, die spielerischen Energien zu den Zielpunkten hin zu ballen.

Existentielle Verlorenheit

Tief versenkt sich Anna Khomichko schließlich in das Adagio KV 540, eines der „vollendetsten, empfundensten, trostlosesten“ (Alfred Einstein) Werke Mozarts, setzt sich in ihrem Spiel dieser existentiellen Verlorenheit ganz aus. Humorvolle Späße beschließen diese CD mit den Variationen über „Unser dummer Pöbel meint“, die die Melodie mit brummigen Trillern oder klirrigen Verzierungen oder splittrigen Läufen fast ganz auflösen und sich in alle möglichen harmonischen Abwege „verirren“ – eine glanzvolle Persiflage des Textes dieses Singspiel-Liedchen, das ja sagt, dass der „dumme Pöbel“ an das Armutsversprechen der Franziskaner glaubt…

Beim Anhören der CD glaubt man fast mit der Pianistin auf dem Klavierschemel zu sitzen, ist so nahe dran, dass man sogar die Geräusche der die Tasten drückenden Finger hört – ein paar Zentimeter mehr Abstand täte da gut.

Rainer W. Janka [15.09.2023]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Carl Philipp Emanuel Bach
112 Variationen über La folia d'Espagne d-Moll Wq 118/9 H 263 00:08:01
2Rondo Nr. 1 C-Dur Wq 56,1 H 260 00:06:25
Johann Christian Bach
3Klaviersonate Nr. 5 A-Dur op. 17 Nr. 5 00:08:43
Muzio Clementi
5Klaviersonate f-Moll op. 13 Nr. 6 00:14:31
Wolfgang Amadeus Mozart
8Klaviersonate Nr. 13 B-Dur KV 333 KV 315c 00:19:52
11Adagio h-Moll KV 540 00:09:55
12Zehn Variationen über "Unser dummer Pöbel meint" von Christoph Willibald Gluck G-Dur KV 455 00:13:45

Interpreten der Einspielung

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