Resurrection
Büttner • Mozart • Schwarz-Schilling • Bach
Orquestra Simfònica Camera Musicale • Christoph Schlüren
Aldilà Records ARCD 020
1 CD • 77min • 2021
06.03.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wer innerhalb weniger Minuten Konversation mindestens drei Namen nie gehörter Komponisten erfahren will, die unbedingt wert sind, entdeckt zu werden, muss mit Christoph Schlüren sprechen. Der Dirigent und Musikautor, langjähriger Schüler von Sergiu Celibidache, ist unermüdlich auf der Suche nach unbekanntem und, genauso wichtig, qualitativ höchststehendem Repertoire. Sein aktuelles Album „Resurrection“, das er mit dem noch jungen Orquestra Simfònica Camera Musicae im katalonischen Tarragona aufgenommen hat, sollten sich aber nicht nur bereits fortgeschrittene Sammlerinnen und Sammler anschaffen.
Bekanntes
Gerade die Einspielungen bekannter Stücke in Transkriptionen für Streichorchester lohnen das genaue Hinhören, weil sich in ihnen ein eigentümlich ganzheitliches wie gereiftes Musizieren verwirklicht. Schlüren schätzt, wie schon die entschlossen verdichtete „Kleine“ Fuge g-moll BWV 578 von Johann Sebastian Bach zeigt, einen flächigen Streicherklang mit schöner Schwere des vibratoarmen Tones, und nutzt dessen Tragfähigkeit in Mozarts Orgelfantasie f-moll KV 608 für schlichtweg atemberaubende, durch die Stringenz des konstruktiven Aufbaus gleichsam von Innen gespeiste Steigerungen.
Erinnert die Definition des Streicherkörpers des Orquestra Simfònica Camera Musicae ein wenig an den Musizierstil des Ostrobothnian Chamber Orchestras von Juha Kangas – eine Inspirationsquelle, die Schlüren im ausführlichen und lesenswerten Begleittext auch offenlegt –, könnte das tief empfundene Leben, das der Geiger Joel Bardolet in Bachs Violinkonzert g-moll (rekonstruiert nach dem Cembalokonzert f-moll BWV 1056) jedem Ton einhaucht, bei manchen Assoziationen an die Jahrhundertgeigerin Ida Haendel wecken; zumal Bardolet es gleichzeitig versteht, den unendlichen Reichtum des Augenblicks in langen, unverbrüchlichen Bögen zu integrieren. Intensiv teilt sich im Zusammenspiel des Solisten mit dem Orchester ein akutes gemeinsames Bewusstsein mit für den Ort, den jeder Moment innerhalb der Großform hat, besonders gut im berühmten „Largo“, das, ganz im Sinne des geistlich-existentiellen thematischen Skopus´ des Albums, eine Verbindung zu Bachs Kantate BWV 156 „Ich steh´ mit einem Fuß im Grabe“ herstellt.
Unbekanntes
Doch gerade auch Impresarios und Intendanten sei Christoph Schlürens „Resurrection“-Album empfohlen, zumindest denjenigen, die ihr Repertoire erweitern wollen. Denn die Studie für Flöte, Violine und Streicher Da Jesus an dem Kreuze stund von Reinhard Schwarz-Schilling (1904 – 1985) spricht in ihrer zeitlos-altertümlichen, melancholischen Kontrapunktik jedes Publikum unmittelbar an, ein perfektes Gegenstück etwa zu Samuel Barbers ungleich populärerem Adagio. Eine Alternative zur oft gespielten Streicherserenade E-Dur von Dvořák hingegen wäre das ausgewachsene Streichquartett g-moll von Paul Büttner (1870 – 1943), dem wichtigsten Schüler von Felix Draeseke, tätig als Direktor des Dresdner Konservatoriums, bis ihn die ebenso niederträchtigen wie verläßlich kulturlosen Nazis von dort vertrieben. Christoph Schlüren selbst hat dieses originelle, thematisch dicht gearbeitete, ambitioniert ausgreifende Meisterwerk idiomatisch für Streichorchester bearbeitet und fesselt mit einer aufregend gegenwärtigen, auf den Punkt gebrachten, nicht zuletzt lustvollen Interpretation. Weil auf diesem Album nicht nur Entdeckungen gemacht, sondern auch gleich mustergültig realisiert werden, ist hier eine Empfehlung fällig.
Prof. Michael B. Weiß [06.03.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Fuge g-Moll BWV 578 | 00:03:07 |
Reinhard Schwarz-Schilling | ||
2 | Da Jesus an dem Kreuze stund für Flöte, Violine und Streicher | 00:07:45 |
Johann Sebastian Bach | ||
3 | Cembalokonzert Nr. 5 f-Moll BWV 1056 | 00:10:03 |
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
6 | Fantasie Nr. 2 f-Moll KV 608 für Orgel | 00:13:18 |
Giorgio Federico Ghedini | ||
7 | Canto, o della solitudine (degli Tre Pezzi per Flauto Solo) | 00:04:18 |
Douglas Lilburn | ||
8 | Canzona Nr. 1 für Altflöte und Streicher | 00:03:37 |
Paul Büttner | ||
9 | Streichquartett G-Dur | 00:34:47 |
Interpreten der Einspielung
- Raquele Magalhães (Flöte)
- Joel Bardolet (Violine)
- Orquestra Simfònica Camera Musicae (Orchester)
- Christoph Schlüren (Dirigent)