Arnold Schönberg Complete Piano Music
MD+G MDG 904 1593-6
1 CD/SACD stereo • 63min • 2009
09.04.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Es liegen 37 Jahre zwischen Schönbergs ersten Klavierwerken von 1894 und dem Abschluss seines Klavierschaffens mit den Opuszahlen 33a und 33b von 1931. 37 Jahre voller mannigfaltiger kompositorischer Ansätze, die einen Überblick über Schönbergs stilistische Entwicklung bieten: von den spätromantischen und noch deutlich den späten Brahms-Sammlungen verpflichteten Drei Klavierstücken über die „Emanzipation der Dissonanz" innerhalb des von freitonalen Strukturen jenseits eines traditionellen Tonartbegriffs und einer funktionalen Harmonik geprägten op. 11, die radikal knappen Gefühlsskizzen aus op. 19, die Annäherung an Reihentechniken in den Fünf Klavierstücken op. 23 bis zur strengen Zwölftontechnik in der Suite op. 25 und den beiden Klavierstücken op. 33a und op. 33b.
Wer nun von einer Einspielung dieses Repertoires in erster Linie Nüchternes, Analytisches, vielleicht sogar Steriles erwartet, den überrascht Hardy Rittner mit einem ganz anderen, wirklich verführerischen Interpretationsansatz. Klanglich taucht der Echo-Klassik-Preisträger sämtliche Werke in ein spätromantisches Licht, wobei ihm das verwendete historische Instrumentarium hilfreich zur Seite steht. Bis Opus 19 spielt Rittner auf einem recht warmen Hammerflügel von Johann Baptist Streicher & Sohn, einem Instrument, das Brahms sehr schätzte und das um 1900 in Wien sehr beliebt war; ab Opus 23 kommt ein etwas präsenter und brillanter klingender Steinway von 1901 zum Einsatz, was der Veranschaulichung der reihentechnischen Aspekte durchaus entgegenkommt. Trotzdem: Selbst in der gerne als Klassiker der Zwölftontechnik bezeichneten stilisierten barocken Tanzsuite op. 25 geht es Rittner unverkennbar um die Musik und nicht um das Sezieren ihrer Konstruktion. Beinahe schwerelos muten auch die Sechs kleinen Klavierstücke op. 19 an, mehr kurze Gesten denn ausgewachsene Charakterstücke, ebenso das kaum als Walzer erkennbare und auf einer strengen Zwölftonreihe basierende letzte Stück aus Opus 23. Geradezu sinnlich formuliert sind die noch tonale Wendungen erkennen lassenden Drei Klavierstücke op. 11. Nicht, dass Rittner die unerwarteten Akzente klanglicher und rein dynamischer Art innerhalb der nachdenklichen Kantabilität der ersten zwei Stücke sowie die fast schon entfesselten Tonmassen des dritten Stücks dieser Sammlung vernachlässigte; er meißelt sie nur nicht so unerbittlich heraus, wie es in anderen Einspielungen der Fall ist und gewinnt damit dieser Musik eine so noch nicht erlebte Gefühlstiefe ab.
Bei aller pianistischen Akkuratesse präsentiert sich Hardy Rittner zuerst als ein überlegener Klangzauberer, der dem Spätromantischen, dem mathematisch Ausgezirkelten, dem Eruptiven, wie auch dem Prozess des Verstummens und Sich-Auflösens nicht allein mit einer fesselnden Ausdrucksintensität begegnet, sondern darin auch ein Fingerspitzengefühl der Extraklasse offenbart. Natürlich darf das klangliche Potenzial der verwendeten Instrumente nicht vernachlässigt werden. Aber auch dieses will erst einmal überzeugend ausgeschöpft werden, was Hardy Rittner denn auch mit einer phänomenalen Anschlagskultur gelingt. Ich könnte diese CD noch so oft hören, an meinem ersten Eindruck wird es nichts ändern: Dieser Schönberg ist nicht in ein wie auch immer geartetes kompositionstechnisches Korsett eingezwängt, dieser Schönberg klingt irgendwie befreit – für mich ganz klar eine Referenzeinspielung.
Christof Jetzschke [09.04.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Arnold Schönberg | ||
1 | Drei Klavierstücke op. 11 | 00:14:20 |
4 | Sechs kleine Klavierstücke op. 19 | 00:07:10 |
10 | Drei Klavierstücke (1894) | 00:07:30 |
13 | Fünf Klavierstücke op. 23 | 00:11:58 |
18 | Klavierstück op. 33a | 00:02:15 |
19 | Klavierstück op. 33b | 00:03:17 |
20 | Suite op. 25 for Piano (1921/1923) | 00:15:02 |
Interpreten der Einspielung
- Hardy Rittner (Klavier)