Salon de Vienne
Thomas Albertus Irnberger
Gramola 98903
1 CD/SACD stereo/surround • 65min • 2010
24.01.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Dass die leichte Muse in Wirklichkeit die schwerste Kunst sei, ist eine Binsenweisheit, doch man kann sie ins Konkrete übersetzen: Violinisten, die Salonmusik spielen, müssen Solisten von allererster Qualität sein, sonst kann man sie als Künstler kaum ernst nehmen. Dem jungen Salzburger Geiger Thomas Albertus Irnberger ist jedoch mit seinem Album Salon de Vienne ein solches Kunststück gelungen. Er entwirft, quasi als Exkurs zu seinen Einspielungen von Mozart, Schuberts und Schumanns Hochkunst (ebenfalls von Jörg Demus begleitet bei Gramola erschienen), das facettenreiche Bild eines Wiener Salons, wie er um die Zeit der Jahrhundertwende erblüht sein könnte. Das beweist schon Irnbergers eigener, sehr kenntnisreicher Einführungstext, noch mehr jedoch seine bestechende Repertoire-Auswahl.
Denn „Salo"ì ist hier assoziativ nicht etwa gleichzusetzen mit Schmäh und Schlager; das wäre eher der Salon der 1920er, 1930er Jahre. Nein, Irnberger und Demus gehen quasi umgekehrt vor und umrahmen die einschlägigen Stücke Kreislers und Lehárs mit Tanz- und Liedbearbeitungen solch seriöser Komponisten und ausgewiesener Avantgardisten wie Bartók und Janácek. Das schafft einen frischen und klischeefreien Einstieg, weil Bartóks Rumänische Volkstänze (in der Transkription von Zoltán Székely) mit ihrer avancierten Rhythmik und Harmonik geradezu modernistisch wirken; Irnberger und Demus spielen diese sehr kurzen Stücke überaus blutvoll, und Irnbergers Flageolett- und Doppelgriffspiel ist so zupackend wie blitzsauber intoniert. Die romantischen Beiträge, Brahms' Ungarischer Tanz Nr. 17 sowie Dvoráks Romantische Stücke op. 75, entfalten auf engem Raum in nuce praktisch die gesamte Kunst dieser beiden Komponisten, und Irnberger läßt soviel agogische Raffinesse und tonliche Feinheit hören, als ob er es mit ausgewachsenen Violinsonaten zu tun hätte.
Sein Ton ist überhaupt bei aller Fülle in seinem Druck sehr genau dosiert, farbenreich und sprechend, und die eigentlichen Salon-Piècen von Kreisler, Strauß Sohn und Léhar erfordern darüber hinaus noch ein ausgezeichnetes Timing, um die geforderten Drücker und Portamenti geschmackvoll auszuführen; man höre etwa an den vier Kreisler-Stücken, wie umstandslos Irnberger innerhalb einer schmelzenden Phrase wieder energisch werden kann. Eine eigene Auszeichnung gebührt für dieses Album dem Begleitpianisten Jörg Demus, der aufgrund der Fakturen dieser Stücke tatsächlich einmal hauptsächlich begleiten muss, mit Ausnahme der Rosenkavalier-Walzer nach Richard Strauss (Bearbeitung von Vása Príhoda), bei denen ein gestandener Klavierauszug zu bewältigen ist.
Der Salon, den Irnberger und Demus hier zum Leben erwecken, ist eigentlich derjenige der gleichnamigen Künstlertreffen im Paris der Jahrhundertmitte: ebenso vornehm wie niveauvoll.
Prof. Michael B. Weiß [24.01.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Béla Bartók | ||
1 | Sechs Rumänische Volkstänze Sz 56 für Klavier | 00:06:11 |
Johannes Brahms | ||
7 | Ungarischer Tanz Nr. 17 fis-Moll für Orchester | 00:03:59 |
Antonín Dvořák | ||
8 | Vier romantische Stücke op. 75 | 00:13:30 |
Johann Strauß (Sohn) | ||
12 | Ischler Walzer A-Dur op. posth. | 00:07:43 |
Fritz Kreisler | ||
13 | Marche miniature viennoise | 00:03:12 |
14 | Schön Rosmarin | 00:02:04 |
15 | Liebesleid | 00:03:22 |
16 | Liebesfreud | 00:03:19 |
Franz Lehár | ||
17 | Frasquita Serenade | 00:02:42 |
Richard Strauss | ||
18 | Der Rosenkavalier op. 59 (Walzerfolge Nr. 1) | 00:07:45 |
Gustav Mahler | ||
19 | Wer hat dies Liedlein erdacht (aus: Des Knaben Wunderhorn) | 00:01:54 |
Karl Goldmark | ||
20 | Romanze A-Dur op. 51 für Violine und Klavier | 00:04:53 |
21 | Gute Nacht! | 00:03:15 |
Interpreten der Einspielung
- Thomas Albertus Irnberger (Violine)
- Jörg Demus (Klavier)