Das Mannheimer Wunderwerk 100 Jahre Steinmeyer-Orgel in der Christuskirche Mannheim
Ambiente ACD 1050
1 CD/SACD stereo/surround • 65min • 2011
20.12.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Orgelportraits sind meist vor allem für Fachleute interessant oder für ein Publikum, das mit den vorgestellten Instrumenten direkt zu tun hat. Diese Jubiläums-CD zur Feier des hundertjährigen Geburtstags der Steinmeyer-Orgel in der Christuskirche Mannheim ist jedoch interpretatorisch, repertoirepolitisch und nicht zuletzt akustisch so faszinierend geraten, dass sie sich auch an nicht einschlägig vorgebildete Hörer wendet, die einmal vorgeführt bekommen wollen, welche Effekte mit einer modernen Orgel möglich sind. Denn die zusammen mit der Kirche im Oktober 1911 geweihte Steinmeyer-Orgel besitzt nicht nur die typische romantische Disposition mit all ihren symphonischen Klangwirkungen, sondern auch spezifisch moderne Mixturmöglichkeiten, die geradezu impressionistische Effekt registrierbar machen, sowie als besonderen Clou ein in der Kirchenkuppel unsichtbar eingebautes Fernwerk, dessen doppelte Schwelljalousien (so der hervorragende Text im Beiheft) den Klang ins Unhörbare verschwinden lassen können.
Der Tonmeister Toms Spogis hat sich dazu entschlossen, die extreme Distanz des Fernwerks realistisch abzubilden. Auch, wenn man die CD nicht auf einer Surround-Anlage hört, ist die Immaterialität dieser wahren Himmelsmusik frappierend. Phantasie und Fuge op. 52/2 über Wachet auf von Max Reger werden in einer dynamischen Konstrastweite gespielt, die noch nicht einmal für jedes Orchester selbstverständlich ist; Johannes Matthias Michel traut sich echte Adagio-Tempi zu und phrasiert selbst tiefstgründelnde Stimmen, etwa in der Phantasie, sehr distinkt.
Am übrigen ausgewählten Repertoire, Raritäten von Sigfrid Karg-Elert sowie einem ausgreifenden Variationszyklus des ersten Organisten der Steinmeyer-Orgel, Arno Landmann, ist besonders zu loben, dass die Komponisten die Orgel selbst sehr gut kannten und eine wirkliche Beziehung zu ihrer Klangvielfalt hatten. So überrascht die Partita retrospettiva Karg-Elerts nicht nur durch eine geradezu phänomenale Farbigkeit der Registrierungen, sondern auch durch einige Kompositions- und Geräuscheffekte, die an Jahrmarkts- oder Kinoorgeln erinnern und nicht zuletzt die konzeptionelle Ausweitung des Schreibens für Orgel in der Moderne herausarbeiten. Arno Landmanns Variationszyklus über Wer nur den lieben Gott läßt walten op. 12 ist ein gewichtiges Werk, dessen Reichtum an Situationen weit über das übliche Tonsetzen der hauptamtlichen Organisten und Kirchenmusiker hinausreicht. Hier ist eine Empfehlung angebracht.
Prof. Michael B. Weiß [20.12.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sigfrid Karg-Elert | ||
1 | Partita retrospettiva op. 151 | 00:23:43 |
5 | Impression op. 86 Nr. 9 | 00:06:03 |
Arno Landmann | ||
6 | Variationen über den Choral "Wer nur den lieben Gott lässt walten" op. 12 | 00:17:24 |
Max Reger | ||
7 | Fantasie und Fuge über den Choral "Wachet auf, ruft uns die Stimme" op. 52 Nr. 2 | 00:17:39 |
Interpreten der Einspielung
- Johannes Matthias Michel (Orgel)