
cpo 777 458-2
1 CD • 60min • 2011
26.11.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Auf der ersten Innenseite des Beiheftes sehen wir sie alle an einem Tisch, die Herren Professoren, die Ende des 19. Jahrhunderts dem Musikalischen Senat der Kgl. Akademie der Künste in Berlin angehörten, und gleich wünschte man sich, es platzte in diese würdige Runde, aus deren Vollbärten die gesamte Spatzenpopulation der Reichshauptstadt ihre Winterquartiere hätte häkeln können, so ein schräger Vogel wie Quincy Wagstaff (Groucho Marx), der in den „Horse Feathers” die akademische Truppe zur Polonaise trieb.
Unter denen, die sich da im Lichte ihrer glänzenden Roben sonnen, sind freilich einige, für die das Senatorengewand ein Kostüm gewesen sein muß. Am wenigsten dürfte es Ernst Rudorff gepaßt haben, dem Komponisten und engagierten Umweltschützer, der kurz nach dem Erscheinen der Photographie sein sechzigstes Lebensjahr vollendete, damals bereits zwei seiner drei Sinfonien mit einigem Erfolg herausgebracht und mit seinen 1875 abgeschlossenen Variationen über ein eigenes Thema op. 24 berechtigtermaßen hohes Ansehen errungen hatte: Wenn auch andere Kreationen qualitativ nur annähernd diesen bald halbstündigen Veränderungen oder gar der 1911 uraufgeführten dritten Sinfonie ähneln, dann sollte es doch mit dem diabolus in musica zugehen, wenn wir nicht spätestens zum einhundertsten Todestag des eigenwilligen Mannes (1916) eine mittlere Entdeckung zu feiern hätten.
Dabei will ich gar nicht verhehlen, dass mir die Sinfonie nur langsam einging. Anfangs wurde die Begegnung von einigen rätselhaften rhythmischen Stolperern im Kopfsatz des Opus 50 beeinträchtigt, deren Sinn und Zweck mir erst durch die Zuhilfenahme der Partitur aufging – dann aber so gründlich, dass ich nach der dritten „Einvernahme” des Werkes (Sherlock Holmes spricht hier vom Drei-Pfeifen-Problem) die Irregularitäten nicht mehr nur erwartete, sondern erfreut herbeiwünschte. Dieses mitunter durch verblüffende Taktwechsel erzeugte Hinken, das wir nach einer vorzüglichen Marcia funebre und einem zauberhaften Allegretto dann wieder besonders im anachronistischen Swing des Finalsatzes beobachten, gibt der Musik auch dort, wo sie in den Orbit der Zentralfigur Johannes Brahms geraten will, eine erfrischend echte Widerborstigkeit, die Frank Beermann am Pult der Bochumer Symphoniker mit vielem Elan herausmeißelt, während er andererseits bei den feinen motivischen Fortspinnungen und filigranen Idyllen ein treffliches Quantum an Fingerspitzengefühl walten läßt, von dem auch die vielleicht noch gewöhnungsbedürftigeren, nach einer Weile jedoch rundum entzückenden Variationen im höchsten Maße profitieren.
Rasmus van Rijn [26.11.2014]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ernst Rudorff | ||
1 | Sinfonie Nr. 3 h-Moll op. 50 | 00:34:41 |
5 | Variationen über ein eigenes Thema op. 24 | 00:25:36 |
Interpreten der Einspielung
- Bochumer Symphoniker (Orchester)
- Frank Beermann (Dirigent)