Gdansk Organ Landscapes Vol. 1
Like a Phoenix from the Ashes
MDG 906 2157-6
1 CD/SACD stereo/surround • 68min • 2019
09.10.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
„Wie ein Phönix aus der Asche“ lautet der Untertitel dieses Albums. Das geht über einen Werbeslogan hinaus, weil der Anlass für dieses alles andere als gewöhnliche Instrumentenportrait tatsächlich ein besonderer ist: Präsentiert wird zumindest auf Tonträger zum ersten Mal die frisch restaurierte Hauptorgel der franziskanischen St.-Trinitatis-Kirche zu Gdansk, der ehemaligen Freien Stadt Danzig, die seit 1945 wieder Teil Polens ist.
Die Geschichte der Orgel ist im lesenswerten Beiheft von Andrzej Mikolaj Szadejko dokumentiert. Ihre Originalgestalt wurde zwischen 1616 und 1618 vom Danziger Meister Merten Friese geschaffen, gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch einen Cimbelstern erweitert und 1703 von Tobias Lehmann umgebaut. Obwohl immer wieder verändert, blieb das Instrument bis 1914 grosso modo erhalten, bis es in diesem Jahr, wie im Begleittext geurteilt wird, „praktisch ausgetauscht wurde“. Es dauerte bis 2007, bis der Entschluss gefasst wurde, das ursprüngliche Instrument wieder herzustellen. Unter den vorgelegten Konzepten setzte sich das von Andrzej Mikolaj Szadejko, Professor für Orgel an der Musikhochschule Gdansk, durch – dem Organisten dieses Albums. Die Grundlage für die Restaurierung durch die Dresdner Orgelwerkstatt Wegscheider und den polnischen Orgelbauer Szymon Januszkiewic, die 2018 abgeschlossen wurde, war der Zustand von 1703, unter Berücksichtigung von bis 1757 vorgenommenen Erweiterungen – und damit wohlgemerkt eines Instrumentes, das 1943 vollständig abgebaut worden war.
Wechselvolle Historie
Überblickt man die wechselvolle Historie, ist Szadejko zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, dass man den Klang der Orgel 75 Jahre lang nicht hören konnte. Es ist ein Glücksfall dieses Albums, dass Andrzej Mikolaj Szadejko, der das mühsam und von Grund auf rekonstruierte Instrument kennt wie kein Zweiter, diese somit bedeutsame Neu-Vorstellung übernimmt. Das Repertoire ist für diesen Zweck treffend ausgewählt. Es legt, mit einer eindrucksvollen Phantasie aus der Danziger Tabulatursammlung von 1591 beginnend, seinen Schwerpunkt im 17. Jahrhundert (Girolamo Frescobaldi, Johann Froberger, Georg Muffat, Johann Caspar Kerll, Dietrich Buxtehude), demonstriert jedoch an der eher selten gespielten Fantasie und Fuge a-moll BWV 561 von Johann Sebastian Bach auch, wie geeignet das Instrument für späteres Repertoire ist.
Wiederbegegnung mit einem besonderen Instrument
Szadejko spielt alle diese kurzen Stücke ruhig und in klarer Anordnung, hält sich bei Verzierungen angenehm zurück, scheut sich aber auch nicht, etwa in der 6. Veränderung von Jan Pieterszoon Sweelincks Variationen über einen Polnischen Tanz einen reizvollen Registrierungs-Effekt wie den bereits erwähnten Großen Cimbelstern einzusetzen. Das Thema der Passacaglia von Andreas Nicolaus Shade ist bekannt aus der späteren und ausführlicheren Verarbeitung c-moll von Johann Sebastian Bach. Eine durchaus willkommene Abwechslung bietet der Einsatz einer Choralschola in Girolamo Frescobaldis Ricercare und im Magnificat Primi Toni BuxWV von Dietrich Buxtehude. So erlebt man im Ganzen eine geradezu historische Wiederbegegnung mit einem barocken Instrument, das in der gewohnt natürlichen Aufnahmetechnik von MDG klingt wie gestern eingeweiht.
Prof. Michael B. Weiß [09.10.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Anon. | ||
1 | Phantasia Primi Toni (Danziger Tabulatur 1591) | 00:02:06 |
Jan Pieterszoon Sweelinck | ||
2 | Variations on Poolsche Dans | 00:08:29 |
Girolamo Frescobaldi | ||
10 | Ricercare con l'obbligo della quinta parte (Fiori Musicali 1635) | 00:03:21 |
Johann Jakob Froberger | ||
11 | Toccata Nr. 3 in G FbWV 103 (Libro Secundo 1649) | 00:03:08 |
12 | Capriccio in G FbWV 506 (Libro di capricci e ricercari c. 1658) | 00:04:38 |
Johann Caspar Kerll | ||
13 | Toccata quinta (Tutta de salti) | 00:03:44 |
Georg Muffat | ||
14 | Toccata quarta (Apparatus Musico Organisticus) | 00:05:20 |
Georg Böhm | ||
16 | Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Choralpartita) | 00:09:32 |
Johann Sebastian Bach | ||
24 | Fantasie und Fuge in a BWV 561 | 00:08:21 |
Dietrich Buxtehude | ||
25 | Durch Adams Fall ist ganz verderbt BuxWV 183 | 00:03:29 |
26 | Magnificat primi toni BuxWV 203 | 00:10:39 |
Andreas Nicolaus Shade | ||
27 | Passacaglia in d con thema di Buxtehude il magniera di Bach d-Moll | 00:05:14 |
Interpreten der Einspielung
- Andrzej Mikołaj Szadejko (Orgel)