Claudio Monteverdi
Vespro della Beata Vergine
Arts 47594-2
2 CD • 1h 38min • 1998
01.01.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Bei Monteverdis Marienvesper muß der Interpret zahlreiche Fragen bezüglich der Reihenfolge der Stücke, der Besetzungsstärke und der Tonhöhe beantworten. Diego Fasolis geht pragmatisch vor, indem er die Anordnung des Erstdrucks im wesentlichen beibehält, aber den Psalmen und dem Magnificat jeweils Antiphone voranstellt. Damit verdeutlicht er, daß es sich bei der Marienvesper um ein liturgisches Stück handelt, welches vom Wechsel zwischen ein- und mehrstimmigen Gesängen lebt; zugleich nimmt er in Kauf, daß das Concerto Duo Seraphim nun an einer liturgisch völlig unsinnigen Stelle steht. Welchem Tag des Kirchenjahres die Antiphone zugehören, erfährt man im Beiheft übrigens nicht.
Ein weiteres Problem betrifft die Tonhöhe des Psalms Lauda Jerusalem und des Magnificat, die beide in einer alten Schlüsselung notiert sind, die eine Transposition um eine Quarte nach unten verlangt. Von einigen Praktikern wie John Eliot Gardiner oder René Jacobs wird dies abgelehnt, weil sie die vermeintliche Brillanz der hohen Lage schätzen; der Stand der Forschung spricht aber ebenso gegen die hohe Version wie das Forcieren der Soprane und Tenöre in Fasolis' Aufnahme. Ein dritter Punkt betrifft den "Chor": Die Virtuosität der Partien legt sehr deutlich eine solistische Besetzung nahe, aber Fasolis läßt zumindest die leichten Abschnitte der Psalmen von mehreren Sängern pro Stimme singen, wie es der Chortradition der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts entspricht, in denen die Marienvesper wiederentdeckt wurde (daher übrigens auch die Namensgebung von Gardiners Monteverdi Choir).
Damit ist der interpretatorische Ort dieser Aufnahme bestimmt. Es handelt sich um eine im wesentlichen konventionelle Interpretation, die einem Rundfunkchor Gelegenheit gibt, Monteverdis Musik aufzuführen. Der macht seine Sache auch relativ gut, so daß er in einer lokalen Konzertkritik sicherlich manches Lob verdient hätte. Mit einem Spezialisten-Ensemble wie Andrew Parrotts Taverner Consort kann er sich aber nicht einmal annähernd messen. Auch die Solisten der vorliegenden Aufnahme, die allesamt Chormitglieder sind, lassen sich auf die Musik des 17. Jahrhunderts gut ein, ohne stilistisch jede Feinheit zur Geltung zu bringen. Fasolis' Interpretationsansatz geht von dem ihm zur Verfügung stehenden Klangkörper aus, was den Schwerpunkt auf die insgesamt durchaus respektable Klangkultur legt. Für Monteverdis Marienvesper wäre aber eine dezidiertere Textgestaltung und eine stilistisch stärker differenzierte Ausarbeitung des Affektgehalts dringend nötig. Was die vorliegende Aufnahme hingegen vermittelt, ist auf zweifellos sehr hohem technischen Niveau der indifferente Eindruck einer irgendwie schönen Musik.
Dr. Matthias Hengelbrock [01.01.2001]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Claudio Monteverdi | ||
1 | Vespro della Beata Vergine (Marienvesper, 1610) |
Interpreten der Einspielung
- Solisten ()
- Coro della Radio Svizzera Lugano (Chor)
- Ensemble More Antiquo (Ensemble)
- Concerto Palatino (Ensemble)
- I Barocchisti (Ensemble)
- Diego Fasolis (Dirigent)