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Besprechung CD

Edition Klavier-Festival Ruhr Portraits V

CAvi-music 8553174

6 CD • 7h 44min • 2009

23.12.2010

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Während die Folge 26 der Edition Klavierfestival Ruhr schon vorliegt, steht hier die sechsteilige Ausgabe Nr. 25 zur Diskussion. Wie stets in solider, fachlich verlässlich kommentierter, von Intendant Franz Xaver Ohnesorg euphorisch empfehlend begleiteter Ausstattung, was die Live-Technik, aber auch das ganze Informationswesen der Einzel-CDs und der gesamten Box anbelangt. Das Repertoire spannt einen weiten Bogen von Buxtehude, Frescobaldi und Bach bis Strawinsky – und auch zwei aktuelle Stücke aus den Jahren 2005 und 1997/2004 von Francesco Tristano Schlimé (The Melody, Ground Bass /Chaconne) finden sich immerhin im reichen Angebot, das tatsächlich einen Überblick über den bewährten, reichen Segen der bedeutendsten Klavierkomponisten gibt.

Der bekanntermaßen intelligente, vor allem auch intelligent spielende Schlimé ist einer der (noch) wenigen, der sich mit eigenen Arbeiten an die Öffentlichkeit wagt und damit an die seinerzeit selbstverständlichen Gepflogenheiten der großen Klaviervirtuosen anknüpft. Im Martinstift von Moers dürfte er die Hörer mit seiner bunten, mutig durch die Klavierepochen vagabundieren Programmwahl überrascht haben: Strawinsky, Bach, Haydn, Frescobaldi, Strawinsky, Schlimé, Buxtehude! Bachs a-Moll-Partita regelt er ohne stilistische Auffälligkeiten, aber plastisch genug in der Erkundung der Tanzsätze, technisch zuverlässig in den raschen Passagen. Haydns jugendliche C-Dur-Sonate (Hob. XVI/1) und das so genannte Ochsenmenuett (Hob. IX/27) geben Hör- und Einblicke in die gehobene Haus- und Unterhaltungsmusik des 18. Jahrhunderts, während die beiden Frescobaldi-Toccaten in Schlimés Lesart trotz knapper Spieldauer Belege von höchster kompositorischer Eigenwilligkeit, ja visionärer Kraft sind.

Mit der Petruschka-Suite von Strawinsky gerät Schlimé – vor allem im dritten Teil – an die Grenzen seiner manuell-physischen Belastbarkeit. Im schönen, unwiderruflichen Moment des Konzerterlebens mag eine solche Wiedergabe ihre Berechtigung haben, im Kreis der vielen Einspielungen von Weissenberg, Pollini bis hin zu Sokolov bleibt diese Leistung doch allzu blass.

Ihre gute pianistische Statur und ihr ausgeprägtes Verständnis für die je speziellen Werkerfordernisse beweist die russische Gililov-Schülerin Olga Scheps mit den kapitalen Fantasien von Schubert (D 760) und Schumann (op. 17). Elegant, geschmeidig auch ist im Dortmunder Harenberg-City-Center ihre Behandlung des beliebten Rondo capriccioso von Mendelssohn Bartholdy. Monochromer, bisweilen artig bemüht wirkt auf mich der Vortrag ihres russischen Kollegen Konstantin Shamray, dem ich beispielsweise wünschen würde, die Szenenfolge des Schumannschen Carnaval stärker zu ordnen, das heißt: die Dramaturgie dieses Werkes durch bald enge, bald weniger enge Bindungen kenntlich zu machen. Kundig – sozusagen in russischer Umgangssprache – gelingen ihm die ausgewählten Scriabin-Préludes und -Etüden, flott und zutreffend arbeitsfreudig das zugegebene Spinnerlied aus dem Fliegenden Holländer in der Liszt-Übertragung.

Wie Schlimé traut sich auch die Japanerin Mizuka Kano an eine Bach-Partita – in diesem Fall (konkret: im Düsseldorfer Schumann-Saal) an die ausgreifend konzipierte D-Dur-Partita (BWV 828). Sie entledigt sich dieser Aufgabe mit Anstand, hält die Ouvertüre auf Kurs und betont am Ende die Gigue als kleines, mobiles Glanzstück. Es ist interessant, einmal die elf Bagatellen op. 119 von Beethoven zu hören. Mizuka Kano eröffnet diese Möglichkeit, aber es fehlt ihr für diesen Miniaturkosmos der pianistischen (Ab)Sonderlichkeiten eine Portion Humor, Sinn für das Abwegige und Ungebärdige. Mit ihrem Vortragsduktus im Sinne guten Benehmens erzielt sie bei Mendelssohn und auch in den meisten Schumann-Passagen (op. 18, op. 20) befriedigendere Ergebnisse.

Die pianistisch brillanteste Leistung der Kassette bietet der aus Shanghai stammende Jue Wang mit einem technisch höchst anspruchsvollen Programm. Zwar bleibt er mit den Ungarischen Tänzen Nr. 1-10 von Brahms im Schatten des damals wie entfesselt spielenden Julius Katchen (Decca), aber: Respekt vor einem Chinesen, der sich in vielen Belangen auf die Eigenheiten dieser ungarisch-zigeunerischen Musiktypen einzustellen vermag. Mutig auch seine Idee, als Zugabe Liszts Chromatischen Galopp zu bieten. Keine Frage: Unerreicht bleiben die verschiedenen Einspielungen von György Cziffra, aber Wang zeigt deutlich mehr Angriffslust als Jorge Bolet (Decca), ganz zu schweigen von der eher trabenden Gangart eines Leslie Howards (Hyperion)!

Auf CD 6 wird der aus Rostock kommende, u. a. von Markus Schirmer und Matthias Kirschnereit ausgebildete Clemens Berg vorgestellt. Eine erfreuliche Talent- und Gestaltungsprobe mit Schwerpunkt Beethoven (op. 28 und op. 101). Manches in der Pastorale-Sonate sollte er noch verfeinern, nämlich in der Ausarbeitung der verschiedenen Stimmungen, in der Behandlung etwa der einleitenden Modulationen des ersten und vierten Satzes, aber auch im atmosphärischen Wechsel der Quasi-Variationen des Andante. Ich verweise in diesem Fall immer wieder auf die frühe EMI-Einspielung Bruno Leonardo Gelbers! Gleichwohl: Clemens Berg ist auf dem Weg – wie er ihn geht, das macht Lust, denselben zu verfolgen.

Peter Cossé † [23.12.2010]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Robert Schumann
1Fantasie C-Dur op. 17 00:32:10
Franz Schubert
4Fantasie C-Dur op. 15 D 760 (Wandererfantasie) 00:22:16
Wolfgang Amadeus Mozart
8Rondo a-Moll KV 511 00:11:14
Felix Mendelssohn Bartholdy
9Rondo capriccioso E-Dur op. 14 00:06:47
CD/SACD 2
Igor Strawinsky
1Piano Rag Music 00:03:08
2Ragtime 00:04:44
Johann Sebastian Bach
3Partita Nr. 3 a-Moll BWV 827 00:15:33
Joseph Haydn
10Klaviersonate Nr. 10 C-Dur Hob. XVI:1 00:10:59
14Toccata Nr. 9 00:04:40
Girolamo Frescobaldi
15Toccata Nr. 8 00:01:36
Igor Strawinsky
16Tango für Klavier (1940) 00:03:03
17Danse russe 00:02:40
18Chez Petrouchka 00:04:56
19La semaine grosse 00:08:58
Francesco Tristano Schlimé
20The Melody (2005) 00:04:14
21Ground Bass (Chaconne - 2005) 00:06:57
Dietrich Buxtehude
22Präludium a-Moll BuxWV 153 00:05:42
CD/SACD 3
Robert Schumann
1Carnaval op. 9 (Scènes mignonnes sur quatre notes) 00:26:58
Alexander Scriabin
23Etüde cis-Moll op. 2 Nr. 1 00:02:42
24Zwei Préludes op. 27 00:02:27
26Drei Etüden op. 65 00:06:29
Sergej Prokofjew
29Klaviersonate Nr. 6 A-Dur op. 82 00:26:07
33Spinnerlied (Bearb. für Klavier - aus: Der fliegende Holländer) 00:05:28
34Isoldes Liebestod (Bearb. für Klavier) 00:07:11
CD/SACD 4
Johann Sebastian Bach
1Partita Nr. 4 D-Dur BWV 828 00:19:21
Ludwig van Beethoven
8Elf Bagatellen op. 119 00:14:03
Felix Mendelssohn Bartholdy
19Lied ohne Worte op. 67 No. 4 (Spinnerlied) – Presto 00:01:55
20Präludium und Fuge f-Moll op. 35 Nr. 5 00:06:31
Robert Schumann
22Arabeske C-Dur op. 18 00:05:36
23Humoreske B-Dur op. 20 00:29:45
29Der Vogel als Prophet op. 82 Nr. 7 (Bearb. für Violine und Klavier) 00:03:32
CD/SACD 5
Maurice Ravel
1Sonatine fis-Moll 00:10:02
4Miroirs 00:25:14
Johannes Brahms
9Drei Intermezzi op. 117 00:13:13
12Zehn Ungarische Tänze WoO 1 für Violine und Klavier 00:23:11
22Tango (aus: Suite España op. 165) 00:03:02
Franz Liszt
23Grand Galop chromatique S 219 00:03:47
CD/SACD 6
Joseph Haydn
1Klaviersonate Nr. 49 Es-Dur Hob. XVI:49 00:21:30
Ludwig van Beethoven
4Klaviersonate Nr. 15 D-Dur op. 28 (Pastorale) 00:24:53
8Klaviersonate Nr. 28 A-Dur op. 101 00:19:50
Franz Liszt
12Konzertetüde Nr. 2 S 144/2 (La leggierezza) 00:05:13
Franz Schubert
13Impromptu Nr. 2 As-Dur op. 142 Nr. 2 D 935 Nr. 2 00:06:13

Interpreten der Einspielung

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