Mein Lieblings-Balsam gegen Lock-Down-Frust ist dieses zwischen Barock, Folk und Jazz angelegte Crossover-Album des mit dem musikalischen Nachwuchs verstärkten Hannibal-Petri Duos. Musik zum Tanzen und Träumen, die ein Lächeln ins Gesicht der Zuhörer zaubern dürfte. Fein, subtil aber auch temperamentvoll musiziert.
1892 – das ist Titel und Motto der aktuellen Aufnahme von Pianistin Uta Weyand, die bei Ars Produktion erschienen ist. Denn bei diesem musikalisch vielseitigen Konzeptalbum dreht sich alles um Musik, die im Jahr 1892 entstanden ist. Dabei legt Uta Weyand ein interessantes Porträt des Jahres vor, denn sie spielt Werke von Claude Debussy, Isaac Albéniz, Edvard Grieg und Johannes Brahms
Es mag zumal in den hochvirtuosen Instrumentalkonzerten für den Hörer oft schwierig zu unterscheiden sein, ob es sich bei der Musik des bedeutenden finnischen Zeitgenossen Kalevi Aho um wirklich substanzielles, aus der Tiefe authentischen Erlebens gestaltetes Komponieren oder doch mehr um meisterlich und fantasiereich präsentierte technische Brillanz voll äußerlicher Überraschungen und Sensationen handelt.
Kalevi Aho hat 2010-11 mit Sieidi nicht nur sein mit bisher mehr als 80 Aufführungen erfolgreichstes Werk geschrieben (hierzulande mit großen Erfolgen von Martin Grubinger dargeboten), sondern überhaupt ein Schlagzeugkonzert von so phänomenalem Zuschnitt, dass man vielleicht vom bisherigen Gipfelpunkt der Gattung sprechen kann.
Auch in der neuesten Musik scheint das virtuose Klavierkonzert nicht aus der Mode zu kommen. Absolut begeisternd: Das noch fast druckfrische Konzert Gran Toccata (2019) des Schweizers Dieter Ammann für den Pianisten Andreas Haefliger. Mit präziser Klangvorstellung steuert Susanna Mälkki einen hochdifferenzierten Orchesterapparat, der sich nicht auf ausgetretenen Pfaden bewegen muss. Das ist groovy, brillant und eine planvolle – dabei immer verständliche – emotionale Traumreise.
Auf dieser 39. CD der Soloklaviermusik C. P. E. Bachs (1714-1788) hat Miklós Spányi – mit Ausnahme dreier Lieder – sämtliche "Clavierstücke verschiedener Art" vereint, die der Komponist im Jahr 1765 bei dem Berliner Musikverleger Georg Ludwig Winter veröffentlichte [...]
Ist es legitim, Werke Johann Sebastian Bachs nachträglich für Orgel einzurichten? Mit Sicherheit! War doch der Komponist selbst ein fleißiger Bearbeiter fremder und eigener Werke. Das beginnt mit den Einrichtungen von Konzerten Vivaldis und seiner Zeitgenossen für Orgel und Cembalo, schreitet mit der Einrichtung von Sätzen für Solo-Violine oder eigener Concerti fort und endet schließlich im Recycling von Gelegenheitskantaten zum Weihnachtsoratorium.
Mit springlebendiger Spiellust, mit geistreichem Spielwitz, überbordendem Temperament und trotzdem hochkonzentriert gestaltet das Ensemble Barockin‘, gegründet, geleitet und geradezu angefeuert von der Flötistin Kozue Sato, eines von Bachs rätselhaftesten Werken. Aber gar nicht musikwissenschaftlich trocken, sondern musikantisch, plastisch und überredend-rhetorisch ist Spiel dieses Barockensembles und zeigt Bach sowohl als Melodiker als auch ausgefuchsten Kontrapunktiker, in der Flötensonate sogar als Frühempfindsamen, der seine Söhne hier fast zeitlich überholt. Selten machen musikalische Verrätselungen so viel Hör-Spaß.
Bach als Ausgangspunkt, als Koordinatensystem. Als Bezugspunkt für Vergangenes, ebenso für Entwicklungen, die in weite Zukunft weisen. Als Konzentrat formaler Prinzipien, ohne die ein Großteil der Kunstmusik in Vergangenheit und Gegenwart nicht funktionieren würde.
„Wenn ich nur ein Werk auf die ›einsame Insel‹ mitnehmen darf, so wähle ich (Evgeni) Koroliovs Bach“, meinte György Ligeti zur pianistischen Realisierung der Fugen BWV 1080, die 1990 bei Tacet erschien. Ligeti hätte Bachs Kunst der Fuge „einsam verhungernd und verdurstend, doch bis zum letzten Atemzug immer wieder“ gehört
Samuel Barber – von dem ist doch das berühmte Adagio for Strings, zu dem häufig gegriffen wird, wenn tiefe Trauer in Musik ausgedrückt werden soll (und ein ganzes Requiem den Rahmen sprengen würde). Wahrscheinlich würde der amerikanische Komponist Samuel Barber, der 1981 starb, das Werk, mit dem ihm 1938 der Durchbruch gelangen, heute als Segen und Fluch zugleich empfinden.
Was wären manche Werke ohne die ihnen nachträglich verliehenen Namen? Im Zeitalter der frühen Romantik und des Geniekults war Ludwig van Beethoven hier ein besonders „dankbares Opfer“. Dabei stammen nur die Adjektive „pathetique“ und „eroica“ von ihm selbst. Waldstein, Rasumowsky und „Erzherzog“ bezeichnen die Widmungsträger. „Hammerklavier“ ist schlicht eine Eindeutschung für Fortepiano. „Mondschein“, „Pastorale“ für op. 28, „Appassionata“ etc. wurden jedoch zumeist von geschäftstüchtigen Verlegern aus Marketinggründen erfunden.
Gassenhauer Trio • Symphony No. 6 Beethoven Trio Bonn
CAvi-music 8553114
1 CD • 62min • 2019
15.10.2020 • 10 9 10
Natürlich – so möchte man sagen – ist eine Bearbeitung von Beethovens Pastoral-Sinfonie für „Hausmusik“ vom Klavier aus gedacht. Auch die Arbeit an dem Trio Nr. 4 B-Dur op. 11 (die Inlaycard der CD gibt fälschlicherweise D-Dur als Tonart an), dem sogenannten Gassenhauer Trio, hat Beethoven mit Sicherheit am Klavier begonnen.
Ein Denkfehler der Bewegung, die zu ihrem Beginn den „Originalklang“ suchte und sich heute nur noch „historisch informiert“ nennt, war von Anfang an die Annahme, dass die Komponisten einst mit dem mehr oder weniger zufrieden waren, was sie an Instrumentarium zur Verfügung hatten.
Trio op. 70,2 • Symphony No. 2 Beethoven Trio Bonn
CAvi-music 8553111
1 CD • 65min • 2019
07.10.2020 • 10 10 10
Das Beethoven-Trio Bonn bietet hier einen Blick in Beethovens Künste als Arrangeur, der seine zweite Sinfonie für Klaviertrio einrichtete und damit sein virtuosestes Trio überhaupt schuf. Das ungemein phantasievolle Es-Dur-Trio führt ein Schattendasein neben dem berühmten Geister-Trio und verdiente mehr Beachtung, besonderes wenn die Werke so hinreißend interpretiert werden wie vom Beethoven-Trio-Bonn.
Ist es intelligent, das frühe c-Moll-Trio Beethovens mit seinem Erzherzog-Trio zu kombinieren? Beide sind revolutionär. Opus 1/3 in seiner für die Wiener Klassik ungewohnten düster-wütenden Leidenschaftlichkeit, die einen versöhnlichen Dur-Schluss nur in geisterhaftem Pianissimo erträgt. Opus 97 durch seine weit in die Romantik vorausweisende Harmonik, die Vorwegname pianistischer Techniken, die bereits Weber, Liszt und Chopin ahnen lassen
Wie schön, dass uns das Jahr 2020 lauter Rarissima des Jubilars Beethoven beschert. So bietet die vorliegende Einspielung neben dem als Nummer 2 gezählten B-Dur- Klavierkonzert op. 19 das sogenannte „Nullte“ Es-Dur WoO 4 des 13- oder 14-Jährigen aus dem Jahre 1784
Darf man Beethoven bearbeiten? Nun, er tat es gelegentlich selbst. So existieren eine Trio-Fassung des Septetts op. 20 als op. 38 und eine Streichquartettfassung der Klaviersonate op. 14/1 von der Hand des Meisters. Das Arrangement der Flötenserenade als Sonate mit Klavier wurde von ihm zumindest „durchgesehen“. In Ermangelung von Tonträgern waren Arrangements in reduzierter Besetzung zum Selbstspielen besonders im 19. Jahrhundert die Regel.
Wenn das Label Sony zum Beethovenjahr (das sich nun in Richtung des tatsächlichen Geburtstages zu verlagern scheint) wagt, eine unter 31 Minuten lange (?) CD nur mit der Fünften zum Normalpreis in den Handel zu bringen, muss man sich dort schon sehr sicher sein, etwas ganz Besonderes anzubieten.
Wenn ein Jubiläumsjahr wie die 250. Wiederkehr des Geburtstags Ludwig van Beethovens Werke in den akustischen Fokus rückt, von deren Existenz bisher nur Spezialisten eine Ahnung hatten, ist dies höchst begrüßenswert [...]
Klassische Meisterwerke aus ihren Originalbesetzungen heraus lösen und diese für sich oder das eigene Ensemble passend machen - das ist ein großes Thema: Neue Maßstäbe hierfür setzen die LGT Young Soloists unter Leitung von Alexander Gilman. In zwei Beethovensonaten für Violine und Cello mutierte der Klavierpart zu einem farbenprächtigen sinfonischen Satz – Spielfreude pur!
Wer nur zwei Sonaten für Klavier und Violine von Ludwig van Beethoven für eine CD programmieren will, greift meist – wie auch in dieser Einspielung – zu Kreutzer- und ergänzend zur Frühlings-Sonate. Wer es etwas düsterer mag, kann zur c-moll Sonate op. 30,2 greifen. Die meist nur in Gesamtaufnahmen berücksichtigte, liebliche G-Dur-Sonate op. 30,3 ist hingegen eine durchaus originelle Wahl.
Wohl Lucianos Berios mitreißendstes Werk: Coro (1976/77), für 40-stimmigen Chor und Orchester. Sinnliche Volkspoesie wird konterkariert von düsteren Visionen des chilenischen Nobelpreisträgers Pablo Neruda. Die vom Chor – wobei praktisch alle Sänger*innen auch noch solistisch überzeugen müssen – eingeforderte Höchstleistung bewältigt Grete Pedersen mit dem Norwegischen Solistenchor am bisher überzeugendsten. Im passenden Raumklang dazu kann der Hörer tatsächlich baden: BIS liefert eine optimal abgemischte SACD.
Berliner Komponisten auf einer Berliner Orgel, kurzgesagt: Berlin! So affirmativ hat der dortige Domorganist Andreas Sieling seine neueste CD benannt, nämlich nach der Stadt, die hier die Hauptrolle spielt. Hinsichtlich der Orgel ohnehin, aber auch im Hinblick auf die hier zu hörenden Komponisten.
Vincent Larderet ist mit seiner Liszt-Veröffentlichung etwas gelungen, was diese aus der Masse der Liszt-Einspielungen weit herausragen lässt. Indem der französische Pianist stets punktgenau das Innnerste, den Nerv oder die zugrunde liegende Idee des jeweiligen Werks trifft, forder und erreicht (!) er in jedem Moment die ungeteilte Aufmerksamkeit der Hörerschaft – nicht auf die enormen technischen Herausforderungen oder seine eigene phänomenale Pianistik, sondern auf Liszts Klavierpoetik schlechthin, der er so manches Geheimnis zu entlocken versteht.
Memories from home Works by Skriabin, Prokofiev, Weinberg, Frid, Kancheli
Dreyer Gaido CD 21120
2 CD • 80min • 2018
20.03.2020 • 10 10 10
Die in St. Petersburg geborene Pianistin Elisaveta Blumina hat sich inzwischen einen Namen gemacht als große musikalische Kämpferin für vergessene Musik. Dies macht sich auch auf ihrem neuen Album „Memories from home“ bemerkbar, das bei dreyer gaido erschienen ist.
Seit das Schwedische Kammerorchester sich 1995 gegründet hat, hat es sich einen Namen gemacht als hervorragender und sehr engagierter Klangkörper. Zu der Erfolgsgeschichte seitdem hat zu einem gewissen Teil auch Thomas Dausgaard beigetragen, der von 1997 bis 2019 der Chefdirigent des Orchesters war.
Der Weg von der Emotion zum Klang soll bei Albena Petrovic so unmittelbar wie möglich funktionieren. Gerade die Klaviermusik der in Bulgarien geborenen, in Luxemburg lebenden Komponistin bündelt auf engem Raum eine bedrängende Ausdrucksdichte. Ihre Art, pianistische Mittel zu organisieren, sorgt für großen Wiedererkennungswert.
Die beiden Violinsonaten Ferruccio Busonis, sehr verschieden voneinander, aber jede auf ihre Weise ein Meisterwerk, erfahren durch Ingolf Turban und Ilja Scheps durchdachte, klassisch ausgewogene Darbietungen.
Capriccios oder Capricen sind musikalische Formate, in denen sich Komponisten die Freiheit nehmen, zu sich selbst zu kommen – losgelöst von allen Zeitkonventionen oder von den Vorgaben irgendwelcher Auftraggeber. Die Tonschöpfer nahmen sich ganz unterschiedliche Freiheiten
Aus dem anscheinend unermeßlichen Fundus der Barockoper hat man in Innsbruck ein Werk hervorgeholt, das trotz seiner wirren Handlung und seiner beträchtlichen Länge neben den hohen musikalischen Qualitäten auch einigen theatralischen Unterhaltungswert besitzt. Die in meiner Rezension angekündigte Video-Aufzeichnung ist unterdessen bei Naxos erschienen und beweist, dass die Sänger(innen) durchweg auch ebenso gute Schauspieler(innen) sind.
Riccardo Chailly und die Filarmonica della Scala präsentieren Luigi Cherubinis Symphonie und Konzertouvertüre ebenso in mustergültigen Aufführungen, wie die zu verschiedenen Anlässen entstandenen Märsche. Letztere sind zu großen Teil Ersteinspielungen und zeigen, wie vielseitig und einfallsreich Cherubini selbst in seinen Gelegenheitsstücken zu Werke geht.
Die Pianistin Lydia Maria Bader stillte ihre Reiselust und ebenso ihre große künstlerische Neugier vor allem in China. Auf ihren Tourneen im Reich der Mitte hat sie die Musik dieser uralten Kultur aufgesogen und liefert auf Chinese Dreams eine mitreißend gespielte Kostprobe ihrer Erkundungen. Vergessen Sie jede Klischeevorstellung, die Sie bis dahin über chinesische Musik hatten!
Vorfreude herrscht beim Rezensenten, wenn er eine CD des Labels Tacet auf den Tisch bekommt. Noch größere Vorfreude, wenn es eine CD mit Evgeni Koroliov ist. Und helle Freude hatte der Rezensent beim Anhören und Immerwiederhören dieser ganz persönlichen Auswahl an Nocturnes, Études, Walzer und Mazurken von Frédéric Chopin.
Das Akkordeon und die Klarinette könnten von ihrer Technik her nicht unterschiedlicher sein – aber eines verbindet diese ungleichen Instrumente: Der Tonumfang ist riesig, die dynamischen und expressiven Potenziale kennen schier keine Grenzen, ebenso wie die Kontexte, Kulturen, Traditionen und Zeitepochen, in denen Klarinette und Akkordeon vorkommen.
Die zweite Folge der Einspielung ausgewählter Orgelwerke von Johann Nepomuk David durch Roman Summereder ist erschienen und wieder kann man konstatieren: Volltreffer! Hier spielt der Experte schlechthin für das Repertoire der Nachkriegszeit – beider Weltkriege – auf den passenden Instrumenten ein Repertoire, das leider geradezu sträflich vernachlässigt wird.
Die endlosen Klagen der verlassenen Dido, die hier in zahlreichen Barock-Varianten präsentiert werden, sind in der seelenvollen Interpretation der Sopranistin Sunhae Im einfach zum Mitweinen schön.
Violeta Dinescu äußert sich im Begleittext ihrer aktuellen CD dankbar darüber, dass sie an diesem Pojekt mitwirken durfte: Nämlich daran, wie der Klarinettist Aurelian Octav Popa und die Violaspielerin Sanda Crăciun Popa diese neue Musik zum Leben erwecken.
Mit dem Meister des Belcantos verbindet man nicht gerade Kammermusik. Und doch ist Gaetano Donizetti mit seinen 18 Streichquartetten ein wichtiger italienischer Vertreter dieser Gattung [...]
Spätestens durch seine 52 im Internet der Allgemeinheit geschenkten Hauskonzerte während des Corona-Lockdowns in diesem Frühjahr ist Igor Levit nun auch beim nicht von vornherein klassik-affinen Publikum zum medialen Superstar geworden. Und nach seiner maßstabsetzenden Gesamtaufnahme der Beethoven-Sonaten, die im letzten Herbst erschien, wirkte kürzlich die Darbietung des kompletten Zyklus in Salzburg nochmals gereifter.
Diese CD macht Laune! Hinter dem schnörkellosen Titel „Bill Evans on the organ“ verbirgt sich eine handfeste Überraschung, um nicht zu sagen eine Entdeckung. David Schollmeyer, Kantor der Großen Kirche in Bremerhaven, hat an der dortigen Beckerath-Orgel 15 Transkriptionen von Evans Stücken eingespielt, die einen schönen Querschnitt aus dem Schaffen des Jazz-Musikers repräsentieren.
Auf der Suche nach dem Repertoire des legendären Kastraten Farinelli betätigt sich Cecilia Bartoli einmal mehr als unermüdliche Opern-Archäologin und bringt vergessene Schätze der Barockoper ans Licht. Im ständigen Wechsel von fulminanten Virtuosenstücken und elegischen Gesängen zeigt die Sängerin die ganze Bandbreite ihres gestalterischen Könnens.
Flötenkonzerte stehen nicht ganz in der ersten oder selbst zweiten Reihe der klassischen Konzerte. Deswegen kann es passieren, dass man – obwohl man das ein oderen andere Konzert durchaus schon gehört hat – immer wieder überrascht wird, welchen Reichtum an Witz, Empfindung und Schönheit diesen Werken innewohnen kann.
„Wie ein Phönix aus der Asche“ lautet der Untertitel dieses Albums. Das geht über einen Werbeslogan hinaus, weil der Anlass für dieses alles andere als gewöhnliche Instrumentenportrait tatsächlich ein besonderer ist: Präsentiert wird zumindest auf Tonträger zum ersten Mal die frisch restaurierte Hauptorgel der franziskanischen St.-Trinitatis-Kirche zu Gdansk, der ehemaligen Freien Stadt Danzig
Als „Limited Edition“ (das Rezensionsexemplar trägt die Nummer „0451“ einer nicht näher angegebenen Gesamtauflage) erscheint hier auf dem Label Prospero die WDR-Produktion einer „musikalischen Reise durch Venedig“; die aufwendige Gestaltung als CD-Buch trägt darüber hinaus zur Exklusivität dieser Veröffentlichung bei.
Wer glaubt, dass nur Telemann mit den barocken Klangfarben virtuos spielte und dass nur J. S. Bach anständige Choralbearbeitungen zustande brachte, sollte sich zur Passionszeit unbedingt diese Kompositionen des Telemann-Freundes und Bach-Konkurrenten Christoph Graupner einverleiben. Seine Lösungen sind stilistisch anders, „galanter“, gefälliger jedoch immer origininell.
Jauchzet, ihr Himmel, freue dich, Erde Bassoon Cantatas
cpo 555 353-2
2 CD • 1h 59min • 2020
02.11.2020 • 10 10 10
Gerade die Fleißigen haben es im Reich der hehren Künste schwer. Diese Erfahrung mussten sowohl Christoph Graupner als auch Georg Philipp Telemann mit der Musikgeschichte schreibenden Nachwelt des 19. Jahrhunderts machen.
Er war eine der prägendsten Gestalten für die Orgelmusik des 20. Jahrhunderts, ein Charakter, dessen Musik sich in kein Schema pressen lässt, in keine Schublade passt und der für die zeitgenössische Orgelmusik wie für den modernen Orgelbau bleibende Impulse gegeben hat: Jean Guillou [...]
Im Gegensatz zu Bachs Cembalokonzerten, die als Bearbeitungen älterer Instrumentalkonzerte für Darbietungen mit dem Collegium Musicum in den im Zimmermannschen Caféhaus veranstalteten Konzerten arrangiert wurden, während derer Bach seine Söhne und andere begabte Schüler dem Leipziger Publikum präsentierte, sind Händels Orgelkonzerte für den eigenen Gebrauch entstanden.
Georg Friedrich Händel (1685-1759) und Gottlieb Muffat (1690-1770), seit 1717 Hoforganist am Wiener Kaiserhof Karls VI., des Vaters der berühmten Kaiser-Königin Maria Theresia, waren Generationsgenossen: 69 Jahre ihres Lebenslaufes teilten die beiden Komponisten, doch sind sie einander trotz gegenseitiger Wertschätzung nie begegnet.
Mit seinem immensem Sonatenschaffen bedarf Haydn als Komponist von Klaviermusik nach vielen Präsentationen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts keiner Rechtfertigung mehr. Die finnische Fortepianistin Tuija Hakkila hat hier acht frühe Sonaten Haydns auf dem Hammerklavier eingespielt, die einerseits Haydns epochale Bedeutung in der Entwicklung der klassischen Klaviersonate demonstrieren, auf der anderen Seite allerdings puren Hörgenuss bieten.
Hier treffen sich drei Ikonen. Zum einen Max Reger, dessen Orgelwerke mitunter fast zum Synonym für romantische Orgelmusik geworden sind. Seine Choralphantasien etwa zählen zum Kernrepertoire vieler Organisten und seine Behandlung des deutsch-romantischen Orgeltyps lotet die Klangmöglichkeiten dieser Instrumente in all ihren extremen Facetten aus.
Als Bratscher hat man es mitunter schwer, nicht nur wegen der unzähligen Witze, die über dieses Instrument und seine Spieler kursieren. Denn die Viola ist erst recht spät aus dem Schatten der Geige hervorgetreten, fristet im Orchester oft in der undankbaren Mittellage ein Nischendasein und wird gerne mal recht stiefmütterlich behandelt.
Kammermusik IV - V - VI - VII Christoph Eschenbach
Ondine ODE 1357-2
1 CD • 73min • 2019
15.09.2020 • 10 10 10
Mit dieser zweiten CD vollendet Christoph Eschenbach seine Einspielung von Paul Hindemiths sieben Kammermusiken mit ganz außerordentlichen Nachwuchsmusikern. Es spielen wieder Streicher der Kronberg Academy, aus deren Reihen sich auch die drei Solisten – alle zwischen 22 und 24 Jahren jung – rekrutieren, sowie Bläser des Schleswig-Holstein Festival Orchestras.
Paul Hindemiths zwischen 1921 und 1927 entstandenen sieben Kammermusiken gehören sicherlich zu seinen interessantesten Kompositionen. Abgesehen von der ersten Kammermusik – für 12 Soloinstrumente – handelt es sich um Solokonzerte mit klein besetztem Kammerorchester, die von der Anlage, aber auch im Detail sehr stark an barocke Konzertformen anknüpfen.
Stefan Hussong plays works by Lindberg, Mendoza, Smolka, Lee, Kim and Eagle
Thorofon CTH2664
1 CD • 71min • 2010, 2019, 2018
29.10.2020 • 10 10 10
Zugegeben, leichte Kost ist diese CD nicht. Stefan Hussong hat sechs Werke zeitgenössischer Komponistinnen und Komponisten eingespielt, die das Akkordeon als zeitgenössisches Instrument vorstellen. Das ist nichts zum nebenbei hören, hochspannend ist es gleichwohl. Denn die Werke sind ebenso wie die musikalischen Ansätze der Komponisten so unterschiedlich wie reizvoll.
Works by J.S. Bach, Köster, Núñez Allauca, Rameau, Sánchez-Verdú, Shostakovich, Sprenger and Uzor
Genuin GEN 20708
1 CD • 67min • 2020
08.11.2020 • 10 10 10
So kontrastreich wie es kaum extremer geht und dennoch mit einem klaren roten Faden gestaltet das Lux Nova Duo sein aktuelles Album, das bei Genuin erschienen ist. Das Duo, bestehend aus der deutschen Akkordeonistin Lydia Schmidl und dem peruanischen Gitarristen Jorge Paz Verastegui, bietet nicht nur eine ungewöhnliche und seltene Besetzung, sondern lässt ein Repertoire erklingen, das von Werken Johann Sebastian Bachs zu zeitgenössischen Kompositionen reicht.
Schon im Barock bildeten Werke für zwei Streicher allein eher die Ausnahme, und man komponierte lieber Triosonaten mit zusätzlichem basso continuo, selbst wenn diesem praktisch nur reine Begleitung zukam. Und auch im 19. Jahrhundert hatte Literatur etwa für zwei Violinen oder Violine plus Cello häufig lediglich pädagogischen Charakter. Erst ab 1900 findet sich mehr konzerttaugliche Literatur für diese Besetzungen.
Was soll man machen, um das zwanzigjährige Jubiläum der „Starnberger Musiktage“ gebührend zu feiern? Entweder greift man auf alte Live-Mitschnitte zurück, die für Besucher einen gewissen nostalgischen Reiz haben mögen, aber immer etwas Zufälliges, das wiederum zu Diskussionen ob der Auswahl führen mag, in sich bergen.
Wenn Jan Hennig am Harmonium sitzt, ist es alles, nur keine "Hallelujapumpe", wie dieses zu Unrecht verkannte Instrument oft geschmäht wird. Er holt alles aus der Musik Karg-Elerts raus. Großartig!
Die höchst unterhaltsame, dabei geistvolle und abwechslungsreiche Musik Reinhart Keisers (1674-1739) erlebt seit einiger Zeit eine verdiente Renaissance. Keiser war als einer der Hauptakteure an der Hamburger Oper am Gänsemarkt kurzzeitig Kollege von G. F. Händel, der hier im Orchester als Cembalist seine Karriere begann. Dank der vorzüglichen Leistungen der Mezzosopranistin Olivia Vermeulen und der Capella Orlandi Bremen unter Leitung von Thomas Ihlenfeldt bietet diese CD jedem Freund der alten Musik eine individuelle Facette der deutschen Barockmusik.
Das Bach-Spiel von Evgeni Koroliov ist zum Schwärmen: Er versöhnt die Architektur mit dem musikalischen Fluss und die vertikale Harmonie mit der horizontalen Melodik, er sorgt auch innerhalb der Partiten für strukturelle Ausgewogenheit, und immer hat man das Gefühl, er habe lange über die Noten nachgedacht, bis er sie spielt. So wird Nachdenklichkeit hier zum Nachdruck, veredelt durch subtile Anschlagskunst, Wechsel der Temperamente und gezielt eingesetzte Virtuosität. Und Koroliov nutzt den Flügel für tiefschürfende Klangauslotungen, wird träumerisch-versonnen, aber auch prunkvoll glitzernd: ein geistvolles und auch ohrenschmeichelndes Hör-Erlebnis.
Les Fontaines de Versailles • Le Concert d'Esculape
cpo 555 097-2
1 CD • 73min • 2019
16.11.2020 • 10 10 10
Das 1980 gegründete Boston Early Music Festival versammelt unter der künstlerischen Leitung von Paul O’Dette und Stephen Stubbs alle zwei Jahre eine internationale Crème von Musikern der historisch informierten Musizierpraxis zu Aufführungen, die seit langem schon einem weltweiten Publikum auf CD zugänglich gemacht werden.
Leopold I. (1640-1705) regierte von 1658 bis zu seinem Tod fast ein halbes Jahrhundert lang als Kaiser das Heilige Römische Reich deutscher Nation; in der langen Reihe der Kaiser aus dem Hause Habsburg darf er als musikalisch begabtestes Mitglied dieses auch im übrigen hochmusikalischern Herrscherhauses gelten.
Franz Liszt ist ein Komponist der Gegensätze: bei ihm findet man virtuoses Tastengewitter ebenso wie religiöse Verzückung. Technisch geht er mitunter bis zum Äußersten, eine radikale Entäußerung von allen zirzensischen Kabinettstückchen findet sich - vor allem in seinem Spätwerk - allerdings auch.
Diese Liszt-Aufnahme ist ein Ereignis. Auf die vielfach als Totschlag-Argument vorgebrachte Frage, ob die Welt diese Aufnahme auch noch brauche, gibt es nur eine Antwort: Ja! Mit dieser wie mit ihrer Guillou-Gesamtaufnahme setzt Zuzana Ferjenčiková Maßstäbe.
Ein klassisches Klaviertrio mit einem vergleichsweise klassischen Trio-Programm – was soll (abgesehen von der qualitativ hochwertigen Umsetzung) an dieser Platte so besonders außergewöhnlich gewesen sein? Was diese Aufnahme für die Rezensentin zu einer ganz besonderen im Corona-Jahr 2020 gemacht hat, war der Live-Mitschnitt. Neben der herausragenden Interpretation des Trios, die voller Esprit war, berührte in Zeiten der Live-Konzertverbote vor allem die hörbare Atmosphäre des Mitschnitts von 2018.
Johann Anton (tschechisch: Jan Antonín) Losy Graf von Losinthal (ca. 1650-1721) war der Sohn eines für seine Verdienste vom Kaiser in den Grafenstand erhobenen und mit reichen Gütern in Böhmen beschenkten Vaters, so lebte Graf Losy junior in abgesicherten Verhältnissen und konnte sich neben nicht allzu drückenden Diensten als Kämmer und Geheimer Rat am Wiener Kaiserhof seinen musikalischen Leidenschaften hingeben
Die Koinzidenz ist verblüffend: letzte Werke beschäftigen sich nicht selten mit letzten Dingen: Mozarts Requiem ist das vielleicht prominenteste Beispiel, Franz Schmidts gewaltiges Apokalypse-Oratorium das vielleicht eindrucksvollste. Auch die neunte Sinfonie von Gustav Mahler mutet stellenweise wie ein Abschied an,
Osmo Vänskäs Mahler hat, im Gegensatz zu seinem universell gelobten und geliebten Beethoven-Zyklus aus Minnesota, oder dem frühen Sibelius-Zyklus (Lahti), durchaus gemischte Kritiken erhalten. Emotionsbefreit und stocksteif war einer der härteren Vorwürfe. Was Vänskä aber auf jeden Fall bietet, ist klaren und unaufgeregten Mahler [...]
Uralte Klänge, fremdartig, aber von heutigen Menschen für heutige Hörer neu zum Leben erweckt: Die Reihe "Mare Balticum" erkundet Musik, wie sie zwischen 1200 und 1500 im Ostseeraum erklang. Für die geistlichen Gesänge der Birgitta von Schweden und die weltlichen Lieder und Sprüche des Wizlaw von Rügen, die auf den beiden neuen Folgen zu hören sind, sollte man sich Zeit nehmen, um ganz in diese lange vergangene Zeit einzutauchen.
Es gibt Musikstücke, die will man manchmal auf eine Rote Liste setzen, weil sie so oft gespielt werden, dass man sie schon fast nicht mehr hören mag. Johann Sebastian Bachs omnipräsente d-Moll Toccata gehört dazu und auch der sogenannte Hochzeitsmarsch von Felix Mendelssohn Bartholdy
Kirchenmusik hat immer schon ein theatralisches Movens in sich, das sich auch durch das Trientiner Konzil nicht bremsen ließ: Jörg Halubek zeigt in dieser Aufnahme, wieviel sprühende theatralische Potenz in Monteverdis geistlichem Werk steckt. Glühende Marien-Liebe in frühbarockem Überschwang macht sich hier Bahn und Sänger wie Musiker überbieten sich fast an Expressivität und Ausdruckslust, die sich leicht über die Lautsprecher mitteilen: Gebet wird hier zum Tanz, Anbetung zur Anfeuerung, Innigkeit zu Inbrunst.
Hier ist ein Fagottist, der sich in puncto tonlicher Modulationsfähigkeit, technischer Überfliegerei und gestalterischer Phantasie mit den größten Kollegen geläufigerer Soloinstrumente messen kann: Bam van Sambeek spielt das Fagottkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart so einfallsreich, kunstvoll und dabei immer noch natürlich, dass man den hörenden Blick keine Sekunde abwenden kann.
Es gibt ja Alben, die nur mit verschiedensten Version des sogenannten Pachelbel-Kanons bestückt sind. Chor und Orchester der "Himmlischen Cantorey" Hamburg stellen auf dieser Produktion allein vier Magnificats, dazu eine komplette Messe und deutschsprachige geistliche Konzerte vor, die mindestens so gut sind wie der Kanon, aber immer noch praktisch unbekannt. Das sollten diese historisch informierten und dennoch undogmatisch musikantischen Aufnahmen ändern.
Spanien war im 16. Jahrhundert eine grenzenlose Weltmacht, im Herrschaftsbereich von König Karl I. (im Heiligen Römischen Reich Kaiser Karl V.) ging die Sonne nicht unter [...]
Ähnlich Messiaens Turangalîla-Symphonie (1946-48) oder Ligetis 1965 entstandenem Requiem war Krzysztof Pendereckis Passio et mors Domini nostri Jesu Christi secundum Lucam von 1962-66 einer der gigantischsten Erfolge unter den großformatigen Avantgarde-Kompositionen der Nachkriegsmoderne.
Ferdinand Pfohl? Ein Name, mit dem wohl nur die wenigsten Musikfreunde etwas anfangen können. Gelebt hat der Komponist und Musikkritiker von 1862–1949, zwischen Romantik und Moderne. Bekannt geworden ist er durch seine musikalischen Schriften und sein Wirken als Musikgelehrter
European Music of the Renaissance • European Music of the Romantic
Crossover Classics CC014/CC015
2 CD • 2h 11min • 1993, 1994
12.09.2020 • 10 10 10
Ein Kontrabass ist nicht einfach nur ein „tiefes“ Instrument. Wer das mächtigste aller Streichinstrumente auf diese Rolle reduziert, verkennt, was zwischen dem Grundton der tiefsten Saite und den allerhöchsten Lagen oder gar im Flagolett alles geht. Man muss sich nur trauen, alle Möglichkeiten mit Leidenschaft auszureizen.
Sergej Rachmaninoffs Gesamtwerk für zwei Klaviere und Klavier zu vier Händen hat im Klavierduo Genova & Dimitrov einfühlsame Interpreten gefunden, die jedes Stück in seiner Individualität darzustellen streben. Die Aufführungen sind stringent und voller Spannung.
Was unterschied die französische Oper eines Jean Philippe Rameau um 1740 von der italienischen? Zunächst einmal der erhebliche Anteil getanzter Szenen, die den französischen Werken durchaus etwas vom Charakter einer Revue verleihen können. Diese wurden entweder rein instrumental begleitet oder dienten der simultanen Verdeutlichung eines gesungenen Textes.
Groß besetzte, konzertante Kammermusikwerke mit virtuosem Klavierpart erfreuten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei Komponisten und Zuhörern einer großen Beliebtheit. Dies lag vor allem daran, dass homogene Programme wie etwa reine Klavier- oder Streichquartettabende das damalige Publikum, das von heute „klassisch“ genannter Musik unterhalten werden wollte, tödlich gelangweilt hätte. [...]
Ebenso wie Beethoven feiert auch Christian Heinrich Rinck im annus horribilis 2020 die 250. Wiederkehr seines Geburtstags. Rinck dürfte vor allem Organisten bekannt sein, war er doch einer der führenden Orgelkomponisten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Durch seinen Lehrer Johann Christian Kittel, einen der letzten Schüler J. S. Bachs, erhielt er eine höchst solide Ausbildung im Orgelspiel und der Komposition sowohl im barocken als auch im klassischen Stil.
Es gibt sie noch, die Sternstunden in der Musik. Hier hat man sie für die Ewigkeit konserviert. Musik, Interpreten und Instrument, hier passt alles auf das Wunderbarste zusammen.
Was für eine Herausforderung die Einspielung sämtlicher 555 überlieferten Sonaten für Clavier von Domenico Scarlatti bedeutet, war dem 1959 in Göttingen geborenen Pianisten Christoph Ullrich vermutlich von Anfang seines Projektes klar; dazu noch, wenn sie auf einem modernen Konzertflügel realisiert wird
Heinrich Scheidemann (ca. 1595-1663) spielt nicht nur eine bedeutende Rolle in der Musikgeschichte Hamburgs, er darf auch mit Fug und Recht als musikgeschichtliches Scharnier zwischen der norddeutschen Orgelmusik und Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621) gelten, jenem bedeutenden und für die Orgelmusik Norddeutschlands im 17. Jahrhundert so einflussreichen niederländischen Orgelmeister.
Eine dunkle Felswand, davor der in einen schwarzen Mantel gehüllte Pianist und Professor an der Züricher Musikhochschule Hans-Jürg Strub im Schnee. Was ließe sich nicht alles in dieses bedeutungsschwangere CD-Cover hineininterpretieren – vom Wandern, der Winterreise über Todessehnsucht bis hin zu Schuberts möglicher Ahnung seines baldigen Todes, die er in seine letzten beiden, im September 1828 entstandenen Klaviersonaten A-Dur D 959 und B-Dur D 960 einkomponiert haben könnte.
Trotz seines verbreiteten Nachnamens ist Martin Christian Schultze unter den Komponisten des 18. Jahrhunderts eine rätselhafte Figur, biographische Angaben über ihn fehlen gänzlich. Dass er aber zeitweise einige Anerkennung als Komponist gefunden haben muss, beweisen zwei Drucklegungen von Werken aus seiner Feder in Paris
In der Regel ziehen Musiker Originalwerke für ihr Instrument bei der Auswahl vor, was nicht ohne Grund geschieht: Die Originale sind in der Regel leichter zu spielen, da sie die instrumentenspezifischen Besonderheiten berücksichtigen und auch klanglich eher auf die Charakteristika des jeweiligen Instruments eingehen.
Heinrich Schütz (1585-1672) galt der Zeit vor J. S. Bach als „Vater der deutschen Musik“. Die 1648 – am Ende des Dreißigjährigen Krieges – herausgegebene Sammlung „Geistliche Chormusik“ gehört zu seinen bedeutendsten Kompositionen und erfährt hier eine ebenso meisterhafte wie begeisternde Interpretation durch höchst berufene Interpreten für die Musik des 17. Jahrhunderts.
Symphonic BACH Variations • Laments and Hallelujahs • Flute Concerto with Tango
BIS 2423
1 CD/SACD stereo/surround • 77min • 2018, 2019
03.03.2020 • 10 10 10
Am 3. Dezember 82 Jahre alt geworden, ist der in Uruguay geborene und in New York lebende José Serebrier heute eine der letzten großen Dirigentenlegenden jener Generation, die noch direkt von Stokowski, Monteux und Dorati lernte
Für die meisten ist es vermutlich eine schwierige Vorstellung, ein musikalisches Duo mit Bruder oder Schwester zu bilden – ist man doch oft eher geprägt von hitzigen Diskussionen und einem Gerangel etwa beim vierhändigen Klavierspiel. Nicht so beim Duo der beiden Schwestern Anouchka (Violoncello) und Katharina Hack (Klavier).
Das Dies irae wurde ja schon oft in klassischer Instrumentalmusik paraphrasiert (Symphonie fantastique, Liszts Totentanz usw.). Aber 8½-stündige Klaviervariationen darüber können nur vom britischen Exzentriker Kaikhosru Sorabji stammen – dazu mit geradezu übermenschlichen Schwierigkeiten. Für seine unglaubliche musikalische (!) Leistung hat Jonathan Powell bereits den Preis der deutschen Schallplattenkritik bekommen – völlig zu Recht. Auch wenn es anstrengend ist: Das muss man einfach gehört haben!
Die drei jungen Musiker des Trio Eclipse bieten mit ihrer Besetzung Klarinette, Violoncello und Klavier eine nicht gar so häufige Konstellation. Doch dies allein macht nicht die Besonderheit der Aufnahme „Spheres“ aus. In ihrem Programm, das von Gershwin über Rota bis zu zeitgenössischen Komponisten wie Thomas Demenga oder auch Daniel Schnyder reicht, zeigen die jungen Musiker eine große Bandbreite an Repertoire und keinerlei Berührungsängste mit anderen Genres wie beispielsweise dem Jazz.
Božidar Kunc • Fan Lhotka • Josip Štołcer Słavenski
cpo 555 297-2
1 CD • 56min • 2018
29.06.2020 • 10 10 10
Das in Zagreb beheimatete Streichquartett Sebastian zeigt mit dieser kleinen Anthologie, auf welch hohem Niveau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kroatische Komponisten Streichquartette schrieben. Die drei Stücke stammen aus den Jahren 1931 bzw. 1941.
Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist das Hauptthema in den Schöpfungen der finnischen Komponistin Outi Tarkiainen (Jg. 1985), die in der Musik eine Naturgewalt sieht, der eine verändernde Kraft innewohnt. Die beiden auf dieser CD präsentierten Kompositionen basieren auf der Kultur der Sámi und sind indirekt auch ein politisches Plädoyer
Für die einen ist es lediglich eine Zwischenstation auf dem Weg zur „Königs-Gattung“ des Streichquartetts, für die anderen steht diese Gattung für sich und ist absolut eigenständig und noch dazu eine Kammermusik-Gattung, die der Bratsche Rechnung trägt: Die Rede ist vom Streichtrio, das bis heute ein eher stiefmütterliches Dasein führt.
Wer bei der Musik Peter Tschaikowskis denkt, dass sie eigentlich immer wie Ballettmusik klingt, sollte sich einmal näher mit seiner Kammermusik für Streicher auseinandersetzen, um dieses Vorurteil zu überprüfen [...]
Der Reichtum der Hanse war legendär. Das Handelsnetz war ein Garant für den Austausch von Waren und für die beteiligten Städte eine Garantie für Wohlstand. Das schlug sich auch in der Kultur nieder: prächtige Bauten und riesige Kirchen zeugen heute noch davon, letztere zumeist mit großen historischen Orgeln ausgestattet.
Franz Tunder (ca. 1614-1667) gehörte als Organist der Lübecker Marienkirche zu den bedeutendsten Meistern der norddeutschen Orgelmusik im 17. Jahrhundert. In die Musikgeschichte ging er zunächst lediglich als Schwiegervater seines Nachfolgers Dieterich Buxtehude (ca. 1637-1707) ein; heute wird Tunder als erstrangiger Meister des 17. Jahrhunderts wieder hoch geschätzt.
Die Verdienste des Symphonikers Janis Ivanovs sind hoch zu schätzen, doch bereits zu Lebzeiten ist es Peteris Vasks, der in aller Welt als repräsentativer Komponist des kleinen lettischen Volkes wahrgenommen wird.
Michael Collins präsentiert sich hier nicht nur auf herkömmlichem Terrain als Klarinettist, sondern auch als Dirigent des sinfonischen Repertoires. In der scheinbar so friedvollen und ausgeglichenen Fünften von Ralph Vaughan Williams entdeckt er mehr Konturen, schärfere Ecken und Kanten als gewohnt. Der Beginn einer Gesamteinspielung? Hoffentlich!
Sandwichkinder haben es oft nicht einfach: sie stecken in der Nische zwischen ihren Geschwistern, zu deren Gunsten ihre Wahrnehmung gerne mal vernachlässigt wird. Manchmal, so scheint es, ist auch die Viola so ein Sandwichkind
Aufgrund eines eingeschränkten und bei wenigen Klappen dazu auch noch tonlich unausgeglichenen Ausdruckpotentials gehörte die Flöte in Klassik und Frühromantik keinesfalls zu den bevorzugten Soloinstrumenten. Mozart mochte sie nicht, Haydn schrieb nichts für sie und von Beethoven existieren ein paar Nebenwerke.
Wind Quintets by Dubugnon • Taffanel • Holst • Françaix
Monet Quintett
CAvi-music 8553008
1 CD • 70min • 2018, 2019
22.10.2020 • 10 10 10
Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn – und fertig ist das Holzbläserquintett. Hört sich unkompliziert an, zumal ein Großteil des Repertoires vergnüglich und unbeschwert zu sein scheint. So auch auf dieser CD, die vom jungen Monet Quintett eingespielt wurde. Richard Dubugnons Frenglish Suite etwa oder Paul Taffanels g-Moll Quintett sind schöne Beispiele hierfür
Sämtliche Lieder und Sprüche / Complete Songs Mare Balticum Vol. 3
Tacet S 261
1 CD/SACD stereo/surround • 75min • 2019
01.10.2020 • 10 10 10
Um von Wizlaw von Rügen schon einmal etwas gehört zu haben, reicht es wohl nicht, ein allgemein ausgebildeter Musikwissenschaftler zu sein, sondern man sollte mindestens einen Schwerpunkt in musikalischer Mediävistik haben. Der Sangspruchdichter und Minnesänger wurde wahrscheinlich um 1265 geboren und starb 1325 in Barth bei Stralsund.